Rezession "abgesagt", Kaufkraft sinkt weiter
Seite 2: EZB: "Die Zinsen müssen weiter erheblich in einem stetigen Tempo steigen"
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Inzwischen musste sie ihre abstruse Politik ändern und spielt sich die EZB-Chefin Christine Lagarde als konsequente Inflationsbekämpferin auf. "Wir müssen die Inflation senken und wir werden dieses Ziel erreichen", sagte Lagarde vergangene Woche auf dem Neujahrsempfang der Deutschen Börse in Eschborn bei Frankfurt am Main.
"Die Zinsen müssen noch weiter erheblich in einem stetigen Tempo steigen, um hinreichend restriktive Niveaus zu erreichen", erklärte die EZB-Chefin.
Mit anderen Worten: Wir bleiben auf Kurs, um eine rechtzeitige Rückkehr der Inflation zu unserem Ziel sicherzustellen. Nur dann werden wir sagen: Mission erfüllt.
Christine Lagarde
Inzwischen hat Lagarde offenbar auch erkannt, dass sich die Kerninflation sehr bedenklich entwickelt, worauf Telepolis längst hingewiesen hatte. So hatte Lagarde auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos erklärt, dass man insgesamt "sehr hohe" Inflationszahlen sieht.
Wir betrachten alle Komponenten der Inflation, von der Gesamtinflation bis zur Kerninflation, und egal, wie man die Inflation betrachtet, sie ist zu hoch.
Christine Lagarde
Bei der Kerninflation handelt es sich um einen Inflationswert, aus dem Energie und verarbeitete Lebensmittel herausgerechnet werden. Destatis gibt den Wert, anders als andere Statistiker in der EU, nicht an. Geschätzt wird, dass die Kerninflation in Deutschland im Dezember weiter auf 5,1 Prozent gestiegen ist.
Die positive Prognose der Bundesregierung und Habeck gehen diversen adversen Faktoren aus dem Weg. Da ist auf der einen Seite die Zins-Zielmarke der EZB. Es liegt bei zwei Prozent. Um die Inflation auf dieses Ziel zu senken, sind erhebliche Schritte notwendig und die werden die Wirtschaft belasten.
Unter einem restriktiven Zinsniveau, wie von Lagarde ausgeführt, versteht man in den Wirtschaftswissenschaften nämlich ein Niveau, mit dem eine Volkswirtschaft real gebremst wird, um die Nachfrage zu verringern. So darf damit gerechnet werden, dass die Zinserhöhungen sich alsbald deutlich dämpfend auf die Konjunktur auswirken werden.
Am Donnerstag wird die EZB einen neuen Zinsschritt beschließen. Zwar wird nicht erneut eine Anhebung um 75 Basispunkte erwartet, wie zwei Mal in Folge im September und Oktober, doch erwartet werden im Februar und März zwei Zinsschritte um 0,5 Prozentpunkte auf dann 3,5 Prozent.
Die steigenden Zinsen sind aber nur ein Unsicherheitsfaktor in der sehr optimistischen Prognose. Dass es zum Jahresende besser als erwartet gelaufen ist, dürfte unter anderem genau damit zu tun haben, dass die Inflation hoch ist.
So dürften vorausschauende Verbraucher größere Investitionen angesichts deutlich steigender Preise in der Zukunft auf das Jahresende vorgezogen haben. Das Geld können sie aber später nicht mehr ausgeben. Dazu kommt, dass die Löhne nicht einmal im Rahmen der offiziellen Inflationsrate steigen.
So sinkt die Kaufkraft der Bevölkerung weiter, wie sogar Destatis mit dem stark aufgehübschten VPI vorgerechnet hat. Die Verbraucher in Deutschland müssen Reallohnverluste "wie nie zuvor" hinnehmen, hatte sogar Destatis festgestellt.
Ohnehin darf erwartet werden, dass die Inflation nun zum Jahresbeginn wieder steigt, da nicht erneut die Abschlagzahlungen für Gas und Fernwärme von der Bundesregierung übernommen werden.
Da zum Jahreswechsel auch etliche Verträge angepasst werden, wird den Verbrauchern weiter Kaufkraft entzogen und einigen wird erst mit der ersten neuen Rechnung klar, das Gas und Strom zum Teil um 150 Prozent teurer geworden sind.
Interessant ist, dass inzwischen auch Lagarde einsieht, dass die Geldschwemme ihrer Notenbank etwas mit der Inflationsentwicklung zu tun hat. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Bundesbank im letzten Monatsbericht. Dort wird nun von der "empirischen Evidenz" des langfristigen Zusammenhangs zwischen Geldmengenwachstum und Inflation gesprochen.
Die Bundesbank geht davon aus, dass geldpolitische Maßnahmen grundsätzlich wie gewünscht auf die Realwirtschaft wirken, der sogenannte Transmissionsprozess also weiterhin intakt sei.
Sie glaubt also, dass das Absenken oder Anheben der Leitzinsen in die Realwirtschaft durchsickern. Vermutet wird aber, der Zusammenhang zwischen Geldmengenwachstum und Inflationsrate sei aber möglicherweise kleiner, als die Quantitätstheorie besagt. Der Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflation lasse sich aber nicht von der Hand weisen, führt die Bundesbank aus. Sie verweist zum Beispiel auf die Corona-Krise.
Mit dem Beginn der Covid-19-Pandemie im Jahr 2020 beschleunigte sich die Jahreswachstumsrate der Geldmenge M3 bis auf über 12 %, bevor sie im Verlauf der Jahre 2021 und 2022 wieder zurückging. Zugleich stieg die Inflationsrate im Verlauf der beiden letzten Jahre stetig an.
Bundesbank
Für die Bundesbank ergibt sich damit die Frage, nach einem "möglichen Zusammenhang zwischen dem Anstieg der M3-Wachstumsrate und der Inflationsrate." Die Bundesbank-Ökonomen kommen aber zu dem Schluss, dass die Geldmenge nur zum Teil Schuld an der enorm gestiegenen Inflation habe. "Geldnachfrageschocks dominieren", meint die Bundesbank.
Eine Art Kaufrausch nach dem Ende der Covid-Pandemie sei durch Stützungsprogramme und die expansive Geldpolitik noch weiter befeuert worden, urteilt die Bundesbank. Dazu sei vor allem der Angebotsschock durch gestörte Lieferketten gekommen und erst im Nachgang sei dann auch noch der Ukrainekrieg hinzugekommen, womit die Energiepreise weiter in die Höhe geschnellt sind. Man habe zu lang an der expansiven Geldpolitik festgehalten, so die Bundesbank.