Rezessionsrisiko in Italien steigt
Inflationsbedingte Preisanstiege, die Endverbraucher fangen an zu rebellieren, der russisch-ukrainische Krieg schafft Unsicherheit - einen schlimmeren Feind kann es für ein ökonomisches System nicht geben
Mit der Ungewissheit werden viele Kaufwünsche auf Eis gelegt. Ein Waffenstillstand, der Frieden und die Rückkehr in ein Klima der Zuversicht würden die Verbraucher hingegen wieder beruhigt in die Zukunft blicken lassen und zu größeren Ausgaben animieren.
Der Krieg kostet also nicht nur Menschenleben, sondern untergräbt auch die europäische sowie die italienische Wirtschaft. Um den Schaden gering zu halten, wird derzeit versucht, die Kaufkraft der privaten Haushalte wiederherzustellen. Ebenso werden energieintensive Unternehmen, die stark unter dem Anstieg der Rohstoff- und Energiepreise und den Engpässen in den Lieferketten leiden, mit einschneidenden Maßnahmen unterstützt.
Die Auswirkungen könnten erheblich sein
Laut Frühjahrsprognose der Europäischen Kommission wird Italien aufgrund der wirtschaftlichen Folgen des Krieges bis zum Jahresende bis zu 30 Milliarden Euro einbüßen.
Das Land rechnet mit einem Rückgang des BIP-Wachstums, wobei die Kommission hinzufügt, dass die Prognosen "weiterhin mit ausgeprägten Abwärtsrisiken behaftet sind", denn "als einer der größten Importeure von russischem Erdgas unter den EU-Ländern wäre Italien von plötzlichen Versorgungsunterbrechungen stark betroffen".
Löhne bleiben niedrig
Gleiches spiegelt sich bei den Beschäftigungszahlen wider: Trotz eines deutlichen Rückgangs der Inanspruchnahme von Kurzarbeitsregelungen folgt der Arbeitsmarkt der Abwärtsspirale. Sowohl die Anzahl der gearbeiteten Stunden als auch die Anzahl der Erwerbstätigen werden voraussichtlich erst gegen Ende des Prognosehorizonts das vorpandemische Niveau erreichen.
Es wird demnach erwartet, dass die Arbeitslosenquote erst 2023 auf 8,9 Prozent sinken wird.
Inflation und Rohstoffe: Preissteigerungen betreffen auch Lebensmittel
Der besorgniserregende Inflationsanstieg, der bereits von der Pandemie ins Rollen gebracht wurde, ist die Hauptursache für die Preiserhöhung vieler Produkte, einschließlich der Lebensmittel. Der Anstieg der Gaspreise hat sich nicht nur auf die Beschaffung von Rohstoffen und die Herstellung von Lebensmitteln direkt ausgewirkt, sondern auch auf deren Transport.
In den letzten Monaten kosten Mehl, Kaffee, Hartweizennudeln, Gemüse, natives Olivenöl und Zucker bis zu 17 Prozent mehr als vor Krisenbeginn. Der Preis von Sonnenblumenöl ist sogar um 43 Prozent gestiegen.
Verbraucherschutz-Gruppen vermuten hinter den hohen Lebensmittelpreisen allerdings krisenunabhängige Spekulationen und forderten Kartellamt und Regierung auf, den Preisanstieg zu überwachen, und die sogenannten "Einkaufsgutscheine" für mehr Verbraucher zugänglich zu machen. Bisher konnten nur private Haushalte mit einem Einkommen von maximal 12.000 Euro davon Gebrauch machen.
Das Inflations-Hilfspaket gegen Preissteigerungen
Am 3. Mai wurde tatsächlich ein Gesetzesdekret zur einmaligen Zahlung eines 200-Euro-Bonus an Bezieher mit einem Jahreseinkommen bis 35.000 Euro entlassen. Von diesem 14 Milliarden-Euro schweren Paket werden ca. 28 Millionen Italiener profitieren (ca. 13,7 Millionen Arbeitnehmer und 13,7 Millionen Rentner). Unabhängige müssen den Antrag dazu eigenständig beim Sozialversicherungsträger INPS stellen.
Außerdem sollen zur Bekämpfung von negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der internationalen Krise noch dieses Jahr weitere nicht rückzahlbare Zuschüsse an italienische Unternehme fließen. Dazu wurde bereits ein 130 Millionen-Euro-Fonds eingerichtet.
Ein Blick auf die Tourismus-Branche zeigt, dass sich diese zwar langsam erholt, allerdings die Zahlen vor der Pandemie wahrscheinlich erst nächstes Jahr erreichen wird. Generell befindet sich die gesamte italienische Wirtschaft in einem absoluten Ausnahmezustand.
Rezession ist nicht auszuschließen
Auch wenn der gesamte Dienstleistungssektor infolge der Wiedereröffnungen relativ hochtourig fährt, kann eine Rezession nicht ausgeschlossen werden. Mario Draghi räumte kürzlich ein, dass die derzeitige Situation zwar von großer Unsicherheit geprägt sei, sich Italien allerdings dank seines bemerkenswerten Wachstums im Jahr 2021 weiterhin zu behaupten wisse.
In der Tat verlangsamte sich Italiens starke wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie gegen Ende 2021 und stockte im ersten Quartal 2022, als das BIP im Jahresvergleich um 0,2 Prozent zurückging.
Die steigenden Energiepreise haben viele Unternehmen dazu veranlassten, ihre Produktion zu drosseln oder ganz einzustellen. Aufgrund der starken Abhängigkeit von Energieimporten aus Russland (40 Prozent aller Gasimporte und über 10 Prozent der Erdölimporte) ist die italienische Wirtschaft vom Ausbruch des Krieges in der Ukraine von Anfang an ganz besonders betroffen.
Die Staatsverschuldung
Die italienische Staatsverschuldung liegt in diesem Jahr bei 147,9 Prozent des BIP und ist damit nach Griechenland die höchste in der EU.