Riesenstaudamm auf dem Dach der Welt

Seite 2: Indien und Bangladesch mit Vorbehalten

Zwar hat man in Peking auch an die flussabwärts gelegenen Staaten gedacht – vor allem an Indien. Die South China Morning Post erwähnt eine Studie der Xinhua-Universität, wonach das Projekt auch Indien und Bangladesch nutzen könnte, wenn man denn kooperiere. Während der Trockenzeit könne China den Wasserfluss erhöhen und Indien so ein bis vier schiffbare Monate pro Jahr auf dem Brahmaputra ermöglichen.

Umgekehrt könne die Speicherung von Hochwasserspitzen die von Überschwemmungen betroffenen Flächen in Indien um bis zu 32,6 Prozent und in Bangladesch um bis zu 14,8 Prozent reduzieren. Ob man Peking vertraut oder nicht: Der fertiggestellte Staudamm würde China einen geopolitischen Hebel gegenüber Indien verschaffen. Daher ist es nicht überraschend, dass Delhi es als mögliche Bedrohung ansieht.

Kein Wunder also, dass das Vorhaben in Indien Bedenken hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die Wasser- und Ernährungssicherheit des Subkontinents auslöst. Die South China Morning Post erwähnt Stimmen aus Delhi, die befürchten, dass China Wasser als Waffe nutzen könnte, um Überschwemmungen zu verursachen oder Dürren auszulösen.

Ein geopolitischer Hebel

Gleichzeitig beschleunigt Indien den eigenen Dammbau flussabwärts am Yarlung Tsangpo. Reuters berichtete Mitte 2024, dass Indien plant, eine Milliarde US-Dollar für den beschleunigten Bau von zwölf Wasserkraftwerken in Arunachal Pradesh aufzuwenden.

Indien betrachtet Arunachal Pradesh als integralen Bestandteil seines Territoriums, doch China gibt an, es sei ein Teil Süd-Tibets und hat schon gegen einige indische Infrastrukturprojekte dort Einspruch erhoben. Die umstrittene Region ist mit 88.743 km2 deutlich größer als Bayern (70.550 km2).

Die Times of India weist darauf hin, dass zwischen Indien und China schon seit 2006 ein Expertenaustausch zu Wasserfragen in der Region besteht. Auch ein Datenaustausch in Bezug auf den Fluss wurde unlängst beschlossen.

Indien und China stehen in Kontakt zu dem Thema

Bisher hat es keine offizielle Reaktion aus Delhi zu dem Vorhaben Pekings gegeben. Die Berichte in der ToI lassen keine übermäßige Besorgnis erkennen. Interessanterweise fehlt den Beiträgen das ‒ auch in Indien sonst gerne geübte ‒ China-Bashing.

Erstmals hatte Peking Pläne zum Bau des Damms im Jahr 2020 angekündigt. China verfügt schon heute über das weltweit größte installierte Wasserkraftwerk: Der Drei-Schluchten-Damm ist für eine jährliche Produktion von 88,2 TWh ausgelegt.