Rollend durch die Nacht

Indie-Entwickler Nifflas und sein atmosphärisches Meisterwerk "NightSky"

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2009 gewinnt das schwedische Ein-Mann-Projekt Blueberry Garden den Hauptpreis beim Independent Games Festival in San Franciso. 2010 verkauft das schwedische Indie-Studio Frictional Games sein Spiel Amnesia: The Dark Descent knapp 200.000 Mal. Und 2011 steigt der Schwede Markus Persson mit einer Million verkaufter Minecraft-Exemplare endgültig zum König aller Indie-Entwickler auf. Kurz gesagt: Das skandinavische Land ist ein Tummelplatz kreativer Games-Köpfe.

Einer dieser hochtalentierten Entwickler ist Nicklas Nygren, besser bekannt unter dem Pseudonym Nifflas. Der 28-Jährige, der in der nordschwedischen Universitätsstadt Umeå lebt, genießt in der Independent-Szene und darüber hinaus einen hervorragenden Ruf. Seine Spiele – die meisten von ihnen Freeware – kennzeichnet eine überaus dichte Atmosphäre. Kein Wunder: Nifflas komponiert die Soundtracks häufig selbst und sampelt dafür Naturgeräusche wie tröpfelndes Wasser, Vogelstimmen und Windesrauschen. Die Ambient-Sounds, im Spiel nur sparsam eingesetzt, passen hervorragend zur Kargheit der weitläufigen Level. Nifflas' Spiele sind häufig Kooproduktionen mit befreundeten Programmierern, Grafikern und Komponisten.

Oben: Knytt, Unten: Saira

Nifflas' bislang bekanntestes Game ist Knytt aus dem Jahre 2006. "Knytt" bedeutet übersetzt so viel wie "kleines Geschöpf". Im Spiel wird dieses eichhörnchenartige Etwas von Aliens entführt, deren Raumschiff jedoch abstürzt – nun muss das Knytt einen Weg nach Hause finden. Das Gameplay von "Knytt" irritiert: Die Jump'n'Run-Einlagen sind nicht sonderlich schwierig, Kämpfe mit Monstern gibt es auch nicht. Das Faszinierende an "Knytt" ist das Gefühl von Verlorenheit bei gleichzeitigem Forscherdrang, das sich in den Höhlen und Schluchten einstellt. Eine ähnliche Stimmung erzeugt Nifflas im Abenteuer Saira (2009), das aber stärker auf Rätsel baut.

NightSky

Wiederkehrendes Motiv in Nifflas' Werken ist die Kugel, die über besondere Fähigkeiten verfügt. "Ich mochte schon immer Spiele wie Marble Madness, Ballance, Super Monkey Ball, Marble Blast Gold, Switchball, Hamster Ball und... naja, ihr kapiert es schon", sagt der Entwickler in einem Gamasutra-Interview. Nach ersten Experimenten (#ModArchive Story) schuf Nifflas 2006 Within a Deep Forest: Einen anspruchsvollen Platformer mit einem hüpfenden Ball, der seine Grundsubstanz – und damit seine Eigenschaften – ändern kann. 2007 begann Nifflas gemeinsam mit den kalifornischen Indie-Entwicklern Nicalis (Cave Story, La-Mulana) die Arbeit an dem WiiWare-Titel "Night Game". Das noch unfertige Spiel schaffte es beim Independent Games Festival 2009 ins Finale – und verschwand dann erst einmal für eine Weile in der Versenkung. Jetzt ist es unter dem Namen NightSky erschienen – als PC-Spiel, wohlgemerkt. Die WiiWare-Fassung soll im Laufe des Jahres folgen.

Das Grundprinzip von "NightSky" ist denkbar einfach: Mit den Pfeiltasten steuert der Spieler eine Kugel durch zweidimensionale Fantasiewelten voller Physikrätsel. Den Tasten A und S sind bestimmte Eigenschaften zugewiesen, die sich aber je nach Kontext ändern können. Mit der S-Taste beschleunigt der Spieler die Kugel, bis sie über Schanzen springt oder an gewölbten Wänden emporrollt; mit der A-Taste stoppt er sie, um schnelle Richtungswechsel vorzunehmen. Manchmal dient die S-Taste auch dazu, die Schwerkraft umzukehren – dann rollt die Kugel an der Höhlendecke entlang. Mit der Enter-Taste kann der Spieler an bestimmten Punkten Gegenstände erschaffen oder verschwinden lassen, um Kettenreaktionen auszulösen. Hin und wieder kommen auch Fahrzeuge zum Einsatz, die von der Kugel angetrieben werden.

NightSky

"NightSky" lässt sich in zwei Schwierigkeitsgraden durchspielen: einem Tutorial-Modus und einem Modus für Fortgeschrittene. Die gut 300 Level, die "NightSky" bietet, sind im Pro-Modus an entscheidenden Stellen verändert: Mal fehlt eine Brücke über einen Abgrund, mal versperrt ein riesiger Fels das Weiterkommen. Immer drei Screens gruppieren sich zu einer zusammenhängenden Aufgabe – oft findet sich der Lösungsansatz in einem bereits passierten Bildschirm. Die Screen-Kombos sind es auch, die "NightSky" gegen Ende zu einer wahren Geduldsprobe machen: Anders als in Limbo, VVVVVV oder Super Meat Boy gibt es Speicherpunkte in "NightSky" nur am Ende jedes Levels. Wer zwischendurch das Zeitliche segnet, muss im ungünstigsten Fall gleich mehrere schwere Passagen wiederholen.

NightSky

Die Rätsel mögen vielfältig und im Pro-Modus auch fordernd sein, besonders originell sind nur die wenigsten. Was "NightSky" zu einem besonderen Spiel macht, ist seine einzigartige Atmosphäre. Die Kugel durchquert auf ihrer Reise fragile Scherenschnitt-Kulissen: Blätter wiegen sich im Wind, Nachtvögel blinzeln geheimnisvoll, im Dunkel der Höhlen züngeln Schlangen. Von den Bewohnern der Welt droht der Kugel aber keine Gefahr – der Spieler kann sich also ganz von den Rätseln und von der traumhaften Stimmung gefangennehmen lassen. Der Soundtrack zum Spiel stammt diesmal übrigens vom Komponisten Chris Schlarb. Wer liebevoll gestaltete ambient games schätzt, sollte sich "NightSky" nicht entgehen lassen.