Romney gegen 47 Prozent der Wähler
Die Ausfälle des republikanischen Präsidentschaftskandidaten haben für Furore gesorgt, ob sie ihm wirklich schaden, muss erst einmal abgewartet werden
47 Prozent der Menschen in den USA sollen unselbständige Schmarotzer sein. Sie leben vom Staat, glauben, dass sie Opfer sind und dass die Regierung sie versorgen muss: Sie glauben, dass Anspruch auf medizinische Versorgung, auf Lebensmittel, auf Wohnungen und was auch immer haben."Das sind die Menschen, die keine Einkommenssteuer zahlen." Mitt Romney erklärte, er brauche sich um diese Menschen gar nicht zu kümmern, sie würden eh Obama wählen: "Ich werde sie nie überzeugen, dass sie persönliche Verantwortung übernehmen und für ihr eigenes Leben sorgen sollen." So grenzte der republikanische Präsidentschaftskandidat in einer Rede vor wenigen Reichen fast die Hälfte der Amerikaner aus und propagierte wieder einmal das Thema der Selbstverantwortung, also jeder sich um sich selbst kümmern muss, Solidarität gibt es nicht.
Der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney hatte eigentlich nur gesagt, was wahrscheinlich viele der Reichen denken, die im Mai an einem Fundraising-Dinner in Florida im Haus des schwerreichen Investmentbankers Mark Leder mit einer Spende von 50.000 US-Dollar pro Kopf teilgenommen haben. Wahrscheinlich hatte er dies schon öfter gesagt, ohne dass dies jemand provokativ fand. Die Reichen, vor denen er solche Scherzchen macht, stimmen dem normalerweise zu, es dürfte ihre Weltsicht sein. Sie wollen sich mit ihrem Geld nicht um die da unten kümmern, die selbst daran schuld sind, schließlich haben es die Reichen ja auch geschafft, natürlich ganz aus eigenen Kräften.
Allerdings gehört Romney nicht nur zu den Reichen, er will auch Präsident aller Amerikaner werden. Da sind die Scherze über die Schmarotzer und Lebensuntüchtigen mit seinesgleichen eher unpassend, wenn sie nicht vertraulich bleiben. Noch dazu fehlt den Äußerungen Saft, vielleicht hätte sich Romney da ein Vorbild am deutschen Außenminister nehmen können, der in ganz ähnlichem Geist von "spätrömischer Dekadenz" nicht bei den Reichen, die an den Börsen zocken, sondern bei den Hartz-IV-Empfängern sprach.
Dumm nur, dass Romneys Rede nicht nur heimlich von jemand aufgenommen wurde, der dafür immerhin Romney 50.000 US-Dollar zukommen ließ oder -wahrscheinlicher - zu den Angestellten gehört, sondern auch, dass das Video nun erst wenige Wochen vor der Wahl vom linksliberalen Magazin Mother Jones in die Öffentlichkeit gebracht wurde. Der Coup gelang, Romneys Beleidigung wurde zum Aufregerthema, er selbst schien unfähig, die negative Wirkung noch eindämmen zu können und sprach davon, dass dies halt so dahingesagt und nicht besonders "elegant" gewesen sei.
Überdies sei nur ein Ausschnitt seiner Antwort auf eine Frage veröffentlicht worden, nicht die gesamte Antwort. Daraufhin veröffentlichte Mother Jones die gesamte einstündige Rede, in der er auch seinen außenpolitischen Scharfsinn in Bezug auf den Nahostkonflikt unter Beweis stellte. Ein Friedensprozess sei dort praktisch nicht möglich, auch kein palästinensischer Staat. Ansonsten predigte er etwa, dass die USA Stärke zeigen müsse und faselte sich unter den Essgeräuschen durch die Weltpolitik. Und er erklärte, er wolle Jobs schaffen, während Obama nur den Reichtum umverteilen wolle.
Dass Romneys Bemerkungen, mit denen er sich bei den Reichen einschmeicheln wollte, nun vom gegnerischen Lager als Eigentor gewertet und ausgeschlachtet werden, ist klar. Bewiesen sei damit, dass er Politik für die Besserverdienenden mache, aber gegen den Mittelstand und die Armen. Auch unter manchen republikanischen Politikern kamen die Äußerungen nicht an. Beschworen wird allerorten, Romney könne damit seine Chancen wohl endgültig geschädigt haben. Sicher ist das aber keineswegs.
Nach Gallup schneidet zwar Romney ein wenig besser bei Gutverdienern ab, die mehr al 120.000 US-Dollar jährlich verdienen, aber selbst bei registrierten Wählern, die weniger als 24.000 verdienen, würde ein Drittel für ihn stimmen. Und bei denen, die zwischen 48.000 und 90.000 US-Dollar verdienen, liegt Romney knapp vor Obama. Die Kritik an den Schmarotzern kommt in dieser Schicht nicht nur in den USA gut an. Hier fühlt man sich besonders übervorteilt, weil tatsächlich um die 47 Prozent keine Bundessteuern zahlen und man in der Mittelschicht am größten Angst vor dem Abstieg hat. Tatsächlich zahlen mehr als 46 Prozent 2011 keine Bundessteuern, worauf Romney wohl anspielte. Allerdings zahlten davon zwei Drittel Lohnsteuer. Nur 6,9 Prozent der Amerikaner im arbeitsfähigen Alter zahlen keine Steuern, weil sie weniger als 20.000 US-Dollar im Jahr verdienen. Die restlichen 10 Prozent sind Rentner, die früher meist Steuern bezahlt haben. Die Feinheiten dürften aber im Wahlkampf keine große Rolle spielen. Und warum auch 30 Prozent der Armen Romney wählen wollen, ist auch ein Geheimnis der USA.