Rückkehr der Push-Technologie?

Neuer Aufschwung könnte aus dem E-Business-Bereich kommen

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Noch vor eineinhalb Jahren war das Magazin Wired überzeugt, dass die Push-Technologie die neue Killer-Applikation des Internet wird und das Ende der bisherigen Browsertechnologie einleiten wird. Push würde das heutige Broadcast-Modell in das Netz erweitern und das Internet-TV-Zeitalter einleiten. Webcasting ist Microsofts Bezeichnung für Push-Technologie in ihren WWW-Browsern. Netscape bezeichnet diese Technik als Netcasting. Dieses Internet-Casting auf den Kunden zugeschnittener News sollte die Marketingwelt revolutionieren. Doch nichts dergleichen konnte bisher beobachtet werden. Das heiße Diskussionsthema der Internet World Conference in New York aus dem Jahr 1996, welches 1997 zum "Buzzword" des Internet wurde, war bis vor kurzem in der Versenkung verschwunden, weil die Technologie die Erwartungen der Kunden nicht erfüllen konnte.

Die "Push-Technologie" trat an, um einen Ausweg aus dem zunehmenden Informationschaos zu bieten. Anstatt wie bei herkömmlichen Browser-Modellen sich auf eine unbestimmte Reise in den Cyberspace zu begeben und Infos aus dem Netz zu ziehen, d.h. die sogenannte "Pull-Technologie" anzuwenden, möchten die Push-Befürworter den Kunden die von diesem gewünschte Information automatisch zukommen lassen. Ein Homepage-Anbieter muss also nicht mehr selbst dafür sorgen, dass eine Seite bekannt wird, sondern ein Information über diese Seite wird den Zielkunden auf deren Email geschoben (gepushed). Der Informationssuchende definiert seine Themenwünsche und lässt sich bei einem Push-Anbieter registrieren, welcher ihm dann aufbereitete Informationen zusendet.

Der Vorteil für den User liegt darin, dass dieser nicht mehr wertvolle Zeit und Geld mit der Informationssuche verbringt. Der Vorteil für den Anbieter ist, dass sich dieser nicht mehr darum kümmern muss, dass seine Kunden das Angebot abrufen, da er den Kunden direkt erreicht. Während die Pull-Verfechter davon ausgehen, dass die Mehrzahl der Anwender selbst weiß, welche Informationen sie benötigt, vertreten die Verfechter der Push-Technologie den Standpunkt, dass das Web eine Art Fernsehen mit reduzierter Bandbreite, aber unendlich vielen Kanälen ist. Typische Push-Kandidaten wären deshalb Nachrichten und Börsenkurse, weil diese ständig nachgefragten Content liefern.

Push verdammt den User zum Beobachter

Während Pull Eigenaktivität und Teilnahme voraussetzt, hält Push den Usern Datenkonserven unter die Nase. Jedoch waren die Push-Lieferanten, im Gegensatz zu den Browser-Lieferanten, nicht in der Lage, Gewinne zu erzielen. Dies liegt maßgeblich daran, dass das World Wide Web eben kein Broadcast-Medium wie Fernsehen oder Radio ist, sondern dass die überwiegende Zahl der Site-Besuche nach der Befragung von Suchmaschinen erfolgt. Mit der Push-Technologie wird zwar eine Möglichkeit geschaffen, gezielt Informationen zu abonnieren, jedoch wird der User zur Passivität verdammt, die eigentlich nicht der Philosophie des Netzes entspricht.

Als Netscape den Browser-Markt eroberte, mussten die drei großen Pushfirmen PointCast, Marimba und BackWeb folgerichtig einiges an Lehrgeld bezahlen. PointCast, welches auf Endkunden und Angestellte fokussiert ist, wurde sogar zu einem Alptraum, weil es die User derart mit nutzlosen Informationen überschwemmte und von der Arbeit abhielt, dass viele dieses Angebot von ihren Bildschirmen verbannten. PointCast wurde zu einem Musterbeispiel, wie man eine E-Business-Firma nicht betreiben sollte. Wurden 1997 während des Push-Booms von Rupert Murdoch noch 450 Millionen US-Dollar für die Firma geboten, wechselte sie im Mai 1999 für lediglich 7 Millionen Dollar den Besitzer, als sie von LaunchPad Technologies aufgekauft wurde.

Wo liegt der Push-Claim?

Da sich kaum Geld beim Endkunden verdienen ließ, haben die Push-Firmen jetzt vor allem die Unternehmen als Zielkunden entdeckt. Doch noch immer sind viele Analysten skeptisch, ob Push den amerikanischen E-Business-Markt erobern wird. So sagt Ronni Colville von der Gartner Group: "Push companies assume the user is taking responsibility and making decisions as to what software and information they receive, but that is not how traditional electronic software distribution models work where managers are in control."

Nur wenn die Push-Firmen Unternehmen überzeugen können, dass die Verbreitung von Information und Software in Echtzeit ein wesentlicher Teil auf der Kostenseite für Unternehmen wird, dann werden diese schwarze Zahlen schreiben. Die Umsätze der großen Push-Firmen bewegen sich im Niveau von 15 bis 20 Millionen US-Dollar, wobei BackWeb (Nasdaq: BWEB) und Marimba (Nasdap: MRBA) wegen deren Fokussierung auf große Unternehmen momentan noch die besten Chancen für einen Durchbruch am Markt eingeräumt werden können.

Endo beats Exo

Während 80 % der Informationen beim PointCast-Ansatz von außerhalb der Unternehmen kommt, stammen bei BackWeb 80 % der 'gepushten' Daten aus den Unternehmen selbst. Business-Tools sind nur dann erfolgreich, wenn diese zielgerichtete News vermitteln.

Carlson Wagonlit Travel, Cisco und Compaq setzen die Push-Technologie mittlerweile erfolgreich ein. Sie nutzen keine auf den Konsumenten zugeschnittene, sondern die auf Business-Kunden ausgerichtete Software von Backweb. So versendet ('pushes') Cisco Systems Lieferdaten zu seinen Verkäufern und Compaq Software Updates zu 400.000 am Push-System teilnehmenden Presario-Besitzern. Backweb hat bezüglich der Push-Technologie einen Ansatz gewählt, der einige Nachrichten mit geringerer Priorität versieht (sogenannte "polite pushs"). Hiermit werden dicke Files wie Video in eine Art Warteschleife geschickt, was eine unmittelbare Datenüberflutung verhindert.

Startet BackWeb durch?

Die Push-Software von BackWeb ist auf E-Business-Anwendungen fokussiert, so dass wichtige Informationen rechtzeitig und genau die richtigen Zielkunden innerhalb des Unternehmens erreichen. BackWeb ermöglicht hierbei eine Automatisierung der Kommunikation beliebiger Daten über jede beliebige Netzwerkverbindung. Innerhalb von zwei Jahren hat Mittlerweile hat Backweb 250 Unternehmen als Kunden gewonnen, darunter auch Unternehmen wie SAP (NYSE: SAP), Schlumberger (NYSE: SLB) und Hewlett Packard (NYSE: HWP).

"For a while push was such a dirty word it was hard to go into a meeting. Now customers are coming to us", sagt Eli Barkat, BackWeb's 34-jähriger Gründer und Vorstand. Die Tatsache, dass die Push-Technologie eine Comeback feiert, liegt hauptsächlich in den mittlerweile verfügbaren größeren Übertragungsbandbreiten. Vor kurzem haben RealNetworks und BackWeb eine Zusammenarbeit für einen Lieferservice digitaler Musik für Konsumenten vereinbart, der "Quicksilver" heißen wird. Damit können 20 Millionen Nutzer des RealJukebox-Service automatisch digitale Musik ihrer favorisierten Musikbereiche und Sänger empfangen und entdecken.

Marimba ist in Wartestellung

BackWeb und Marimba, die im Juni bzw. April letzten Jahres an die Börse gingen, haben die Push-Technologie in zwei unterschiedliche Segmente aufgeteilt, in den sie mittlerweile die Marktführer sind. Während die BackWeb-Software hauptsächlich genutzt wird, um Content über Unternehmens-Intranets zu liefern, basiert der Ansatz von Marimba auf der Verteilung von Software und Content über das Internet oder ein Intranet. Wer Marimba's Castanet Software benutzt, kann automatisch Programme installieren und updaten. Dies ermöglicht Unternehmen erheblich Geld einzusparen, da sie nicht mehr jeden einzelnen Computer konfigurieren müssen. Der Trend geht sowieso dahin, dass Software zukünftig eher gemietet wird, als auf den PCs installiert zu werden. Marimba hat mittlerweile eine beeindruckenden Kundenbasis aufgebaut, welche Home Depot (NYSE: HD), Lucent Technologies (NYSE: LU), Bear Stearns (NYSE: BSC), Electronic Arts (Nasdaq: ERTS) und Charles Schwab (NYSE: SCH) umfasst.

Integration zweier Paradigmen?

Bei der Push-Technologie muss man deutlich zwischen dem Business-to-Consumer-Bereich und dem Business-to-Business-Bereich unterscheiden. Bei letzterem scheint es mittlerweile so zu sein, dass die Push-Technologie im Rahmen von unternehmenseigenen Netzwerken durchaus wirksam eingesetzt werden kann. Voraussetzung ist jedoch, dass Kunden auch wirklich benötigtes Wissen erhalten. Die Fokussierung auf Business-Kunden und deren Informationsbedarf durch BackWeb und Marimba ist ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung. Doch das tun auch deren Wettbewerber im Pull-Bereich, indem sie verbesserte Informations- und Wissensmanagementsysteme entwickeln. Wer hierbei das Rennen machen wird, ist momentan eine der interessantesten Fragestellungen im Rahmen der aktuellen Technologiewelle.

Doch vielleicht kommt es auch ganz anders. Eventuell könnte es auch eine neuartige Synthese von Pull und Push in Form von Matching-Plattformen des Wissens geben. Die Zukunft könnte somit eine Kombination aus 'Knowledge on Demand' und 'Knowledge on Offer' im E-Business sein.