Rundfunk: Hauptsache irgendetwas mit digital
Die Politik will eine Umstellung mit einem neuen Verkaufsverbot erzwingen
Es läuft nicht rund mit dem digitalen Rundfunk. Bei DSR, dem Digitalen Satellitenrundfunk, der in den 1990er-Jahren eingeführt wurde, war schon vor der Jahrtausendwende wieder Schluss. Der nächste Versuch mit DAB (Digital Audio Broadcasting) kam auch nicht wirklich aus den Startlöchern und wurde von DAB+ abgelöst. Um DAB+ hören zu können, musste man wiederum ein neues Radiogerät kaufen, das DAB+-kompatibel war. Doch die meisten Hörer blieben mit ihrem Küchen-, Badezimmer- und Autoradio den UKW-Frquenzen treu.
Anders als bei den TV-Geräten, wo Röhrenfernseher zügig gegen Flachbildfernseher ausgetauscht wurden, werden Radios - ganz im Sinne der Nachhaltigkeit - erst dann entsorgt, wenn sie keinen Ton mehr von sich geben. In Deutschland ist Radio noch immer fast ausschließlich UKW (92 Proent). Nur etwa zehn Prozent der Rundfunkhörer nutzen DAB+. Wer in Deutschland die Vorteile des digitalen Radio nutzen will, kauft sich zumeist keinen neuen Rundfunkempfänger, sondern wechselt auf Internetradios, die er über PC, Smartphone oder Tablet empfangen kann. Das machen inzwischen gut 30 Prozent der Bevölkerung.
Deutsche Digitalisierungspflicht für Rundfunkempfänger
Während die Digitalisierung beim Fernseher weitgehend problemlos realisiert werden konnte, weil man den Zuschauern eine bessere Bildqualität versprochen hat, will das beim Rundfunk nicht gelingen. Da sind die Hörer mit der Tonqualität offensichtlich soweit zufrieden, dass sie nicht wechseln wollen. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Qualität viele Rundfunkprogramme in den letzten Jahren eher abgenommen hat. Wer Musik hören will, ist zudem nicht mehr auf die Rundfunkstationen angewiesen, sondern kann zahlreiche Streamingangebote nutzen.
Da auch in Deutschland beabsichtigt ist, den UKW-Rundfunk abzuschalten, um die Frequenzen für die resilienten 5G-Netze nutzen zu können, die den bidirektionalen Datenfunk flächendeckend verfügbar machen sollen, glaubt man in Berlin, dass man jetzt eine digitale Rundfunkalternative notfalls halt per Gesetz durchsetzen muss. Ein Spiel über Bande, also dass man die EU dafür einspannt, eine Richtlinie oder besser noch eine Verordnung zu platzieren, die das Phase-out des analogen Rundfunks besiegeln könnte, war nicht realisierbar. Die einzelnen EU-Mitgliedstaaten sind hinsichtlich der Rundfunkdigitalisierung zu unterschiedlich aufgestellt.
Daher hat man jetzt den deutschen Alleingang gewählt. Im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) wurde dazu ein Referentenentwurf zur Anpassung des § 48 Telekommunikationsgesetz (TKG) erarbeitet. Sein Ziel ist eine gesetzliche Regelung, die es ermöglicht, die Digitalisierung des Hörfunks zu fördern.
Mit der Erweiterung des § 48 soll erreicht werden, dass höherwertige Radioempfangsgeräte nur noch gehandelt werden dürfen, wenn diese zum Empfang normgerechter digitaler Signale geeignet sind. Als höherwertig werden in diesem Zusammenhang all die Radiogeräte bezeichnet, die nicht nur über eine Frequenzangabe verfügen, sondern via RDS-System den Namen des Senders anzeigen. Damit sind fast alle Autoradions sowie die hochwertigen stationären Empfänger von der Änderung betroffen. Die sollen zwar weiterhin auch UKW empfangen dürfen, sollen jedoch über eine Digitalschnittstelle verfügen.
Damit hofft man offensichtlich die Widerstände gegen die beabsichtigte UKW-Abschaltung zu reduzieren. Einen reine DAB+-Förderungsparagrafen einzufügen, hat man sich dann wohl doch nicht getraut und lässt die Wahl der Schnittstelle offen, die zum Empfang digitalisierter Inhalte geeignet ist. In der Veröffentlichung des BMWi werden als mögliche Schnittstellen, das inzwischen obsolete DAB oder Internetradio erwähnt. Die Entscheidung welche implementiert wird, soll dem Markt beziehungsweise dem Hörer überlassen bleiben.
Welche Kosten entstehen durch die Gesetzesänderung?
Bei aktuellen Gesetzesvorhaben wird seit geraumer Zeit der für die jeweilige Umsetzung entstehende Erfüllungsaufwand angegeben. Für Bürger sieht man jetzt keinen zusätzlichen, gesetzlich vorgegebenen Erfüllungsaufwand, denn die gesetzliche Regelung führe nicht dazu, dass die Bürger gezwungen seien, sich ein neues Gerät zu beschaffen.
Für die Gerätehersteller sei die gesetzliche Vorgabe mit einem Mehraufwand durch die zusätzliche Ausrüstung mit einem digitalen Empfangsteil verbunden. Dieser Mehraufwand sei jedoch über den Verkauf entsprechender Radiogeräte refinanzierbar. Dennoch seien Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau nicht zu erwarten.
Das mag durchaus zutreffen, denn die meisten hochwertigen stationären Rundfunkempfänger haben inzwischen eine digitale Schnittstelle integriert. Der Gesetzentwurf wurde am 3. Mai im Bundeskabinett beschlossen und befindet sich derzeit im parlamentarischen Verfahren. Eine Zustimmung des Bundesrates ist nicht erforderlich.
DAB+ wird inzwischen eher ab- als ausgebaut
Ein Gesetz, das nur fordert, dass ein Rundfunkempfänger mit RDS über eine wie auch immer geartete digitale Schnittstelle verfügt, die hinsichtlich Ausführung und Leistungsfähigkeit nicht näher beschrieben ist, hat in der Praxis nur wenig Auswirkungen. Hersteller, die keine digitale Schnittstellen in ihre Geräte mit RDS-Anzeige einbauen wollen, müssen diese Anzeige nur ausschalten, was zumeist per Softwareupdate möglich ist. Die anderen hochwertigen Rundfunkempfänger, die heute im Handel sind, haben zumeist eine Digitalschnittstelle.
Zur Rettung von DAB+ dürfte die geplante Gesetzesänderung wohl zu spät kommen. DAB+ wird inzwischen eher ab- als ausgebaut. So geht die DAB+-Ausstrahlung in Hongkong in den nächsten Monaten zuende. Die ausgezeichnete WLAN-Abdeckung hat dem digitalen Rundfunk hier den Garaus gemacht. In Frankreich konzentriert sich der Digitalrundfunk auf die Metropolregion Paris. Und daran wird sich wohl wenig ändern. In Skandinavien entwickelt sich die Rundfunkdigitalisierung sehr unterschiedlich. In Schweden zum Beispiel nimmt man von der Digitalisierung schon wieder Abstand.
Den letztlich verbleibenden Nutzen des TKG-Änderungsgesetzes wird man wohl darauf reduzieren können, dass es gut war, einmal darüber geredet zu haben und jetzt auch der Rundfunk digital und smart werden kann.