Russen und Ukraine-Krieg: Die "andere" Moral
Seite 2: Die "Denazifizierung" als moralisches Gegenstück
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- Die "Denazifizierung" als moralisches Gegenstück
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Dem moralisierenden Auftreten westlicher Ukraine-Unterstützer ähnlicher als dieser Staatsmoralismus ist das Kreml-Gerede von der Notwendigkeit der Denazifizierung der Ukraine und die flankierende Propaganda über den Kriegsgegner. Hier werden vor allem Berichte von der Misshandlung russischer Kriegsgefangener in der Ukraine genutzt sowie "Folter und unmenschliche Behandlung" prorussischer Donbass-Bewohner durch Kiew unterstellte Offizielle und Truppen.
Dabei geht es durchaus immer wieder um Ereignisse, die einen realen und rechtswidrigen Hintergrund haben sowie von westlichen Menschenrechtsorganisationen bestätigt wurden. Es wird nur eben aus der Fülle der verfügbaren Informationen das herausgegriffen, was dem eigenen einseitigen Moralisieren hilft, während "unpassende" andere Grausamkeiten, etwa der eigenen Seite verschwiegen werden.
Dadurch wird ein einseitiges Bild erzeugt, das sich etwa in der regierungsnahen Zeitung Argumenty i Fakty wie folgt liest
Im Verlauf der der speziellen Militäroperation zum Schutz der Donezker und Lugansker Volksrepubliken muss sich das russische Militär einem absolut unglaublichen Maß an Brutalität seitens der Vertreter der ukrainischen bewaffneten Formationen stellen
Argumenty i Fakty vom 10.06.2022
Im Artikel wird die im offiziellen Russland aktuell übliche angebliche Parallele der Ukrainer zum Vorgehen der SS und Deutschen Wehrmacht hergestellt, die ja wirklich glaubten, dass sie das Recht hätten, im Osten lebende "Untermenschen" bestrafungslos und voller Grausamkeit zu töten.
Asow ist überall
Eine zentrale Rolle bei der Herstellung dieser Parallele spielt stets die wirklich rechtsextreme Einheit "Asow" (beim Artikel von Argumenty i Fakty gleich im Bild), obwohl deren Truppen von der Gesamtstreitmacht der Ukraine nur einen sehr geringen Anteil ausmachen.
In der Breite der Darstellung der russischen Propaganda ist Asow größer und gleicht ein wenig sowjetischen Weltkriegsfilmen, in denen fast jeder deutsche Soldat gleichzeitig Angehöriger der Waffen-SS ist.
Nach dieser Denkweise ist es für einen Russen moralisch geboten, solche Ukrainer zu besiegen. Nur dadurch kann demnach eine Idee nieder gerungen werden, die Russland Anfang der 40er Jahre des letzten Jahrhunderts riesiges Leid brachte. Zivile ukrainische Opfer sind dabei Kollateralschäden einer "höheren" Sache, und um diese nicht zu gefährden, neigt man dazu, sie zu kaschieren oder gar zu leugnen – wie auch die Grausamkeiten der eigenen Soldaten.
Diese Moral resultiert bei regierungsnahen Russen zur Legitimierung von Handlungsweisen, die nicht nur aus westlicher Sicht zutiefst unmoralisch sind, wie einem Angriffskrieg, der Zerstörung ziviler Infrastruktur und dem Tod von vielen Menschen.
Wie jedes Moralgebäude, etwa das christliche, kann sich diese Sichtweise zu einem Fanatismus steigern, der in der Kiewer Regierung nur noch eine "Junta" und die russische Welt auf einer "reinigenden Mission" sieht – die viele unschuldigen Tote zur Folge hat.