Russische S-400: Die Türkei macht den USA ein Angebot

Russisches S-400-Raketenabwehrsystem. Bild: Russisches Verteidigungsministerium

Verteidigungsminister Hulusi Akar schlägt das "griechische Modell" zum Einsatz des Luftabwehrsystems des Nato-Gegners vor

An Visionen fehlt es dem türkischen Präsident Erdogan nicht. Bis Ende 2023 will er die Mondlandung einer türkischen Rakete. Zunächst soll der Start der Rakete mit internationaler Kooperation erfolgen, ab 2028 dann unabhängig - dank der Fortschritte der türkischen Technologie, so die Vision, die zum Ziel hat, "einen türkischen Bürger in einer wissenschaftlichen Mission in den Weltraum zu schicken".

Bis zum Erreichen des Fernziels "Target 10" sind noch einige vorbereitende Aufgaben auf der Erde zu verrichten, ganz besonders auf dem Feld der internationalen Kooperation. In der Welt unterhalb des Mondes ist es vor allem das Verhältnis zwischen den USA und der Türkei, auf das vieles ankommt, wenn es etwa um Syrien geht, um den Nahen Osten, um Nordafrika, das Mittelmeer, die Nato und Russland.

Zwei spezielle Streitpunkte zwischen den USA und der Türkei leuchten in der Heatmap auf: die Kurden in Nordostsyrien, die Ankara als "PKK-Terroristen" bezeichnet und behandelt und die von den USA und Frankreich unterstützt werden, sowie das S-400-Abwehrssystem, das die türkische Regierung vom Nato-Poster-Feind Russland gekauft hat. Die Anschaffung hat das Verhältnis zwischen den beiden Ländern belastet. Ende 2020 gab es deswegen auf Grundlage des National Defence Authorisation Act 2021 Sanktionen gegen die Türkei. Zuvor schon hatten die USA die Zusammenarbeit beim F-35-Programm eingestellt.

Das war noch unter US-Präsident Trump, der persönlich gut mit seinem türkischen Amtskollegen Erdogan auskam, wie oft zu lesen war. Damit wurde auch erklärt, dass die Reaktionen aus Washington auf die türkische Anschaffung des russischen Luftabwehrsystems trotz der Erregung innerhalb der Nato erst spät erfolgten und moderater ausfielen, als es manche Bündnispartner und Russland-Warner oder - Gegner in den USA verlangten.

Seit Trump das Weiße Haus verlassen musste, war man gespannt, wie das Verhältnis zwischen Ankara und Washington neu gestaltet würde. Spekulationen liefen darauf hinaus, dass sich Erdogan auf weniger Entgegenkommen einrichten müsse. Berichtet wurde zum Beispiel, dass die Regierung Biden darauf besteht, dass Ankara die S-400 aufgibt. "Wir fordern die Türkei dringend auf, das S-400-System nicht zu behalten", sagte Pentagon-Sprecher John Kirby Medienvertreter Ende vergangener Woche.

Nun gab es eine Reaktion des türkischen Verteidigungsministers Hulusi Akar, die ebenfalls über Medienvertreter erfolgte. Akar schlug ein "griechisches Modell" für den türkischen Umgang mit den S-400 vor. Man würde das Luftabwehrsystem nur "von Zeit zu Zeit aktivieren", abhängig davon, wie es um die Bedrohungen steht, so der Kern der Botschaft des türkischen Verteidigungsministers, die gestern und heute in mehreren Berichten zu lesen war.

Mit dem griechischen Modell gemeint ist die Praxis, die sich aus der Krise ergab, die Ende der 1990er Jahre der Kauf des S-300-Luftabwehrsystems durch die von Griechenland unterstützte Republik Zypern auslöste. Das Problem wurde dadurch entschärft, dass die S-300 auf die Insel Kreta verbracht wurden, wo sie - von Manövern abgesehen - im Lager bleiben. "Selten betriebsbereit", wie der türkische Verteidigungsminister von al-Monitor zitiert wird.

Hulusi Akar sieht das als Angebot. Er unterlegt es mit dem Hinweis, dass es noch andere Nato-Staaten mit russischen Luftabwehrsystem gibt, die regierungsnahe Zeitung Daily Sabah nennt Bulgarien, Griechenland und die Slowakei. Allerdings wird vom S-400-System gesagt, dass es qualitativ auf einer ganz anderen Stufe steht als die S-300-Systeme der genannten Staaten.

Geht es nach Einschätzung der Experten, die bei al-Monitor zu Wort kommen, so werde sich die US-Regierung mit dem on-off-Angebot der Türkei - "Aktivieren, wann immer es die Regierung in Ankara es für nötig hält" - nicht zufriedengeben.

Für heute ist ein Telefongespräch zwischen dem neuen US-Außenminister Antony Blinken und seinem türkischen Amtskollegen Mevlut Cavusoglu geplant, nach Informationen der Arab News soll es um die S-400 gehen. Von Blinken wurde in den letzten Wochen in türkischen Medien berichtet, dass er gegenüber dem Senatsausschuss auf Sanktionen bestand, solange die Türkei an dem russischen Luftabwehrsystem festhalte:

Die Vorstellung, dass ein strategischer, sogenannter strategischer, Partner von uns tatsächlich mit einem unserer größten strategischen Konkurrenten in Russland auf einer Linie sein würde, ist nicht akzeptabel (…) Ich denke, wir müssen einen Blick darauf werfen, wie sich die bestehenden Sanktionen ausgewirkt haben, und dann entscheiden, ob noch mehr getan werden muss

Antony Blinken

Für Ankara geht es auch darum, mit dem F-35-Programm weiter zu machen. Wirtschaftlich spielt das eine Rolle. Das größere und schwierige Thema, in dem das S-400-Problem eingebettet ist, wird sein, wie sich die USA zum "Sicherheitsproblem" der Türkei stellt - zu den Kurden im Nordosten Syriens, die dort eine demokratische Selbstverwaltung aufgebaut haben.