Russische Transhumanisten-Partei gegründet
Der Milliardär Dmitri Itskow plant den Upload des Bewusstseins in Maschinen für 2045
Die Vorstellung, dass sich Bewusstsein potenziell aus einem kohlenstoffbasierten Hirn in dauerhaftere und leistungsfähigere Strukturen uploaden lässt, findet sich nicht nur in Science-Fiction-Romanen. Der Schotte Ken MacLeod prägte zur Beschreibung eines massenhaften Uploads von Individualbewusstsein in haltbareres Material im Weltraum den religiös schattierten Ausdruck "Entrückung der Nerds", den Cory Doctorow und Charlie Stross als Titel eines ganzen Buches übernahmen, das am 4. September erscheint.
In Russland erregt nun ein Milliardär Aufmerksamkeit, der mit der Idee etwas handfester umgeht: Dmitri Itskoff gründete zur Entwicklung der technischen Möglichkeiten für solch einen Transhumanismus innerhalb der nächsten 33 Jahre nicht nur die Initiative 2045, sondern auch eine politische Partei, die sicherstellen soll, dass der Plan nicht an gesetzlichen Hürden scheitert.
Sein Ziel will Itskow in mehreren Schritten erreichen: Der erste davon scheint im Gegensatz zu den anderen tatsächlich in greifbarer Nähe: Bis 2020 soll das menschliche Gehirn direkt und ohne Zuhilfenahme anderer Körperteile Roboter-Avatare steuern. An den technischen Voraussetzungen dafür arbeiten nicht nur zahlreiche medizinische Institute, sondern auch Unternehmen wie Honda und die DARPA, die Forschungsstelle des US-Verteidigungsministeriums.
Deutlich ambitionierter erscheint der zweite Schritt, den Itskow für 2025 plant: Dann sollen seiner Vorstellung nach die Gehirne von Sterbenskranken durch die physische Verpflanzung in Maschinen am Leben erhalten werden. Erste Möglichkeiten des unmittelbaren Uploads von Erinnerungen und Denkstrukturen in Computer soll es dem Zeitplan des Russen nach bereits 2035 geben. Zehn Jahre später soll diese Technologie dann so ausgereift sein, dass die Singularität erreicht ist.
Der studierte Ökonom will zur Verwirklichung seines Traums nicht nur Geld aus seinem eigenen Vermögen einsetzen: In einem offenen Brief an die reichten Männer und Frauen der Welt, die das Wirtschaftsmagazin Forbes jährlich in einer Liste veröffentlicht, fordert er die Top-Verdiener dazu auf, sich an seinem Vorhaben finanziell zu beteiligen und verspricht ihnen dafür einen früheren Zugang zur Unsterblichkeit.
Transhumanismus hat in Russland eine lange Tradition, die nicht erst mit Itskow oder Alexander Chislenko beginnt: Schon im 19. Jahrhundert dachte sich dort der Bibliothekar und Lehrer Nikolai Fjodorowitsch Fjodorow eine Art Prä-Transhumanismus aus dem orthodoxen Christentum. Der am 9. Juni 1829 geborene uneheliche Spross eines Adeligen war ein maßgeblicher Einfluss für die philosophische Bewegung der Kosmisten, die via Konstantin Ziolkowski großen Einfluss auf das sowjetische Programm zur Weltraumerkundung hatten.
Fjodorow glaubte an eine teleologische Erklärung für die Evolution und daran, dass die Menschheit durch sie auf dem Wege zur Vervollkommnung ist. Auf diesem Wege sah er nicht nur eine Überwindung der Sterblichkeit kommen, sondern auch Technologien zur Wiederauferweckung der Toten, die für ihn kein bloßer Gnadenakt Gottes, sondern auch Ergebnis menschlichen Tuns sein wird.
Voraussetzung hierfür wäre freilich eine Rekonstruktion der Informationen, die ihr Leben ausmachen – oder wie Zeugen-Jehovas-Zeitschrift Der Wachturm es (mit wahrscheinlich nicht gewollter technischer Interpretationsmöglichkeit) ausdrückt: Es werden nur die Toten auferweckt, "die in Gottes Gedächtnis sind".
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