Russischer Angriff auf Donauhafen trübt Verhältnis zu Erdogan
Drohnenangriff auf ukrainischen Hafen Ismail hat Folgen: Russland droht nun Ärger mit dem wichtigen Handelspartner Türkei. Was bedeutet das für einen neuen Getreide-Deal?
Nach einer Meldung des Oberkommandos der ukrainischen Luftstreitkräfte haben die russischen Truppen in der Nacht zum 2. August aus dem Mutterland und von der Halbinsel Krim 23 Shahed-Kamikazedrohnen auf Ziele in der Ukraine abgefeuert. Während die Drohnen in Richtung Kiew abgeschossen worden sein sollen, gab es auch im ukrainischen Donauhafen Ismail schwere Treffer, unter anderem auf Getreidesilos und Öllager, die auch nach russischen Quellen Ziel des Angriffs gewesen seien.
Dies ist auch eine Folge davon, dass die vom Westen gelieferte, moderne Luftabwehr vor allem in der Hauptstadtregion und an der Front konzentriert wird, so dass bei Angriffen in der Provinz die Chancen eines Durchbruchs höher sind. Der Hafenbetrieb wurde in Folge der Schäden eingestellt.
Nadelöhr Donaumündung
Ismail hat aktuell strategische Bedeutung als wichtigste "Umgehungslösung" nach dem Ausstieg Russlands aus dem sogenannten "Getreide-Deal", als dessen Folge ukrainische Getreideausfuhren auf dem Seeweg durch russische Angriffe gefährdet sind. Frachter werden von den Russen – ebenso wie Russland beliefernde Frachter von den Ukrainern – als feindliche Objekte betrachtet.
Behauptungen des Nachrichtenmagazins Forbes, dass drei Frachter die russische Seeblockade zuvor durchbrochen hätten, widersprechen in der exilrussischen Online-Zeitung The Insider zwei Seefahrtsexperten. Michail Voitenko, Chefredakteur eines Seefahrt-Fachmagazins glaubt, dass die türkisch versicherten Schiffe eventuell nur aufgrund von geheimen Absprachen mit Russland durchgekommen wären.
Sein türkischer Kollege Yoruk Ysik vom Near East Institute in Istanbul denkt sogar, dass Forbes aufgrund realer Ereignisse "imaginäre Verbindungen" hergestellt habe. Beide Experten gehen davon aus, dass die russische Blockade effektiv und aktiv ist und nur über die für den Massentransport eigentlich zu kleinen Donauhäfen auf dem Seeweg umgangen werden kann. Von hier führen Seewege aus dem Schwarzen Meer durch rumänische und bulgarische Hoheitsgewässer, die Russland nicht blockieren kann.
Türkei an neuem Getreide-Deal interessiert
Ärger mit der Türkei ist auch die größte Gefahr, die Russland aufgrund von Angriffen wie auf Ismail droht. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan forderte nach dem Angriff seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin auf, die aktuellen Spannungen im Schwarzen Meer nicht weiter zu eskalieren. Die Türkei gehört zu den größten ukrainischen Kunden des Landwirtschaftsexports. Nach Ansicht der Moscow Times wird sich der türkische Staatschef nun als Vermittler im Konflikt positionieren und spiele dabei auch eine Schlüsselrolle.
Die Türkei ist dabei an einer Neuauflage des Getreideabkommens interessiert, das Erdogan als "Brücke für den Frieden" bezeichnete. Er versprach "intensive Anstrengungen" der Türkei, ein neues Abkommen in Gang zu bringen.
Ein Treffen zwischen Putin und Erdogan ist in naher Zukunft geplant. Die Türkei spielt aktuell für Russland eine wichtige Rolle als Handelspartner, auch bei der Umgehung westlicher Sanktionen durch Grauimporte in das Land. So hat Ankara durchaus Stellschrauben, wo man zur Beeinflussung der Moskauer Politik ansetzen kann.
Weitgehend unbeachtet von der deutschen Presse gab es im Schwarzen Meer in den letzten Tagen auch ukrainischen Drohnenangriffe auf russische Schiffe. Eingesetzt wurden dabei vermutlich Seedrohnen, die auch zur Beschädigung der russischen Krim-Brücke eingesetzt wurden.
Ziel soll dabei der russischen Tanker "Sparta" gewesen sein, der mutmaßlich Militärausrüstung nach Syrien transportiert. Erfolgreich war der Angriff nicht – die "Sparta" wurde einen Tag später bei der erfolgreichen Durchquerung des Bosporus gesichtet.