Russland: Käufer für Luxusvillen dringend gesucht

Neuerdings nur noch mäßig attraktiv: Luxusvillen an der Rubljowka. Foto: A.Savin / CC-BY-SA-3.0

Häuser an der Rubljowka, Russlands Straße der Superreichen, werden aktuell viele angeboten. Aber kaum jemand will sie kaufen. An einer neuen Oligarchen-Armut liegt das nicht

Während andere in der Coronavirus-Pandemie den Gürtel enger schnallen mussten, ging es den Superreichen weltweit ausgezeichnet. Das gilt auch für Russland – laut Forbes Russia ist das Vermögen der dortigen Milliardäre in der Pandemiezeit um 45 Prozent gestiegen. Und Vermögen ist in Russland noch ungleicher verteilt als in anderen Staaten – die 500 reichsten Russen kontrollieren mehr Vermögenswerte als die restlichen 99,8 Prozent der Bevölkerung zusammen.

Alte Oligarchen und neureiche Bürokratiefürsten

Dementsprechend gab es bisher eine hohe Nachfrage nach erstklassigen Immobilien im Land, vor allem auf der weltberühmten Rubljowka, der teuersten Wohngegend Russlands, unweit der Chaussee Rublewo-Uspenskoje vor Moskau. Schon in der Sowjetzeit baute die Funktionärselite hier ihre Landhäuser.

Ausladend feudal wurde die Gegend dann in der Zeit des russischen Raubtierkapitalismus der 1990er-Jahre, als weite Bevölkerungsteile verarmten, wenige aber – auf nicht immer legalem Weg – märchenhafte Vermögen anhäuften. Zum Standard-Investment wurde für sie die Rubljowka-Villa als "russischer Wohnsitz", während man daneben noch einige Auslands- und Provinzimmobilien erwarb.

In der Ära Putin kamen als Neureiche die Spitzen der neu erstarkten Bürokratie und der Staatsunternehmen hinzu, denen heute laut der Wirtschaftszeitung Wedomosti etwa 30 Prozent der Luxusimmobilien vor Ort in den insgesamt 76 Elitesiedlungen gehören. Prominente Beispiele sind die Familie von Putins Ministerpräsident Michail Mischustin, Verteidigungsminister Sergej Schoigu oder der Chef der russischen Nationalgarde, Viktor Solotow, dessen Soldaten aktuell bei der Invasion im Nachbarland Ukraine ihr Leben riskieren.

Welle von Verkaufsgesuchen am Kriegsbeginn

Mit dem Kriegsausbruch wurde an der Rubljowka schlagartig alles anders. Starke Schwankungen des Rubel verunsicherten den Immobilienmarkt, der in diesem Segment in Russland zum Teil immer noch in US-Dollar verrechnet wird. Der anhaltende Krieg ließ dann die Nachfrage nach Luxusimmobilen an der Rubljowka im April gegenüber dem Vorjahr um 80 Prozent einbrechen, berichtet das russischen Medienportal RBK.

Das Boulevardblatt Komsomolskaja Prawda schildert zusätzlich einen praktisch kompletten Stopp von Neubauten an der Villenmeile - schon im ersten Quartal 2022 sei der Verkauf neuer Wohnungen vor Ort um 60 Prozent zurückgegangen. Das hat laut der Zeitung auch Einfluss auf die Grundstücks- und Häuserpreise, die zwischen 13 und 29 Prozent gesunken seien.

An einem fehlenden Angebot liegt der neue Trend nicht. Gemäß RBK wollen vor allem reiche Russen mit Wohnsitz im Ausland und solche, die im Zuge des Krieges ins Ausland zogen, ihre russischen Immobilien seit Kriegsausbruch los werden. Beide Gruppen starteten dringende Verkaufsgesuche, häufig ohne Erfolg oder mit schlechtem Erlös.

Absolute Ladenhüter sind dabei vor allem protzige Residenzen aus den 1990erJahren, die von den Materialien üppigen Luxus ausstrahlen, jedoch technisch und geschmacklich schon lange nicht mehr auf der Höhe der Zeit sind. Geht doch einmal so ein Gebäude in neue Hände über, lässt es der Käufer häufig einfach abreißen, um sich seinen moderneren Palast an den gleichen Platz zu stellen.

Protziger 1990er-Jahre-Luxus ist ein Ladenhüter

90 Prozent der zum Verkauf stehenden Immobilien sollen laut RBK aus diesem Segment des veralteten Luxus sein. Begehrter unter reichen Russen sind dagegen schlüsselfertige moderne Angebote, wie die Komsomolskaja Pravda ausdrückt, "mit teuren europäischen Geräten und exklusiven Möbeln".

Bei diesen findet man keine "Schnäppchen". Mit dem Kriegsausbruch schnellten die Rubelpreise an der Rubljowka aufgrund von Kursverlusten in die Höhe. Als die Landeswährung mit verschiedenen Manövern der Notenbankpräsidenten Nabiullina wieder aufgerichtet wurde, blieben die Immobilienpreise jedoch zunächst unverändert.

Es zeigt sich am aktuellen Geschehen eine Zweiteilung der russischen Elite. Die einen haben ihr Vermögen in der Privatwirtschaft gesammelt, sind häufiger international orientiert, weiter weg von der Politik und gerade seit Kriegsausbruch dauerhaft ins Ausland gewandert.

Die anderen haben ihren Reichtum vor allem dem aktuellen System zu verdanken, sind regierungsnah und nicht zuletzt deswegen - trotz ausländischer Immobilien - fast ausschließlich in Russland selbst wohnhaft. Wer sich von der zweiten Gruppe eine Villa an der Rubljowka leisten kann, hat sich jedoch offenbar bereits eingedeckt, weshalb die erste Gruppe auf ihren dringenden Verkaufsgesuchen häufig sitzen bleibt.

Die Immobilienhändler an der Rubljowka hoffen nun auf eine Erholung der Nachfrage in den nächsten Monaten. Denn ihre schwerreichen Kunden haben auch trotz Sanktionen kaum an Finanzkraft verloren, der hohe Rubelkurs kann sich auf ihre Kaufkraft noch positiv auswirken.

Wie sich der Markt bei Moskau weiter entwickelt, wird jedoch auch vom Verlauf des Krieges abhängen. Zwar ist in keinem Fall mit einem ernsthaften Reichtumsverlust der russischen Elite in Folge der Kämpfe oder Sanktionen zu rechnen. Denn die gelegentlich beschlagnahmten Luxusyachten oder Auslandskonten im Westen sind nur ein Bruchteil ihres Vermögens.

Bei einem für Russland ungünstigen militärischen Verlauf könnten sich jedoch noch weitere Gruppen aus dem regierungsferneren russischen Jet-Set entscheiden, eine gemütlichere Bleibe in friedlicheren Gefilden zu suchen. Tausende Kilometer entfernt von den verbleibenden Luxusvillen der Staatsspitze an der Chaussee Rublewo-Uspenskoje. Und das wäre keinesfalls gut für den Preis.

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