Russland: Was steckt hinter dem Verbot der unabhängigen Gewerkschaft "MPRA"?

Seite 2: "Ausländische Investoren werden abgeschreckt"

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In dem "Enthüllungsstreifen" kommt auch ein Wirtschaftsexperte zu Wort, der warnt, dass die Tätigkeit der MPRA die Investitionsbereitschaft ausländischer Investoren im Gebiet Kaluga bremst. Hinter der Tätigkeit einer Gewerkschaft ständen "nicht selten" Konkurrenten, die anderen Unternehmen schaden wollten.

Die Arbeitsplätze von mehreren tausend Menschen im Gebiet Kaluga seien gefährdet, warnt dann noch eine Stimme aus dem Off. Die Mitglieder der MPRA wüssten nicht, dass sie von ausländischen Mächten benutzt werden könnten, um in Russland eine Revolution - wie in der Ukraine - zu organisieren. Zur Untermalung dieser Behauptungen werden Bilder von brennenden Barrikaden in Kiew 2013/14 eingeblendet.

Die MPRA antwortete auf den Film mit dem Artikel "Mechanik der Lüge" auf ihrer Website. Die ausländischen Firmen und die Verwaltung des Gebiets Kaluga wollten offenbar, "dass den Monstren des transnationalen Business nicht organisierte und nichtinformierte 'Eingeborene' gegenüberstehen". Offenbar hätte die Verwaltung von Kaluga Angst, dass die russischen Arbeiter von den Arbeitsbedingungen erfahren, welche ihre Kollegen in Frankreich, Deutschland und Amerika erkämpft haben.

Der MPRA-Chef Etmanow kündigte an, dass man die Entscheidung des Stadtgerichts von St. Petersburg vor dem Obersten Gericht anfechten werde. Wenn man das Verbot nicht rückgängig machen könne, werde man die Gewerkschaft unter neuem Namen "MPRA-Aktion" neu registrieren lassen.

"Verbots-Urteil ist nicht richtig und schädlich"

Der langjährige Vorsitzende der sozialliberalen Partei Jabloko, Grigori Jawlinski, hat der MPRA in einer von der Novaja Gaseta veröffentlichten Erklärung seine Unterstützung ausgesprochen.

MPRA-Chef Etmanow ist selbst seit 2016 Mitglied von Jabloko. Davor hatte er sehr enge Kontakte zu linken Organisationen. Im Februar 2010 gehörte Etmanow zu den Gründern der 2012 zugelassenen Partei "Rot Front". 2009 hatte Etmanow als Kandidat der KPRF für den Stadtrat von Wsewoloschsk kandidiert.

Unterstützung bekam die MPRA auch von Aleksandr Scherschukow, dem Sekretär das Gewerkschaftsdachverbandes FNPR (20 Millionen Mitglieder), der in der Tradition der sowjetischen Gewerkschaften steht und in der Lohnpolitik zurückhaltend vorgeht. Auf der Website der zentralen Gewerkschaftszeitung "Solidarnost" erklärte Scherschukow, das Urteil des Stadtgerichts von St. Petersburg als "deutlich nicht richtig und schädlich".

Man könne die Forderung nach einer gesetzlich festgelegten Indexierung der Löhne an die Inflation nicht als politisch bezeichnen, sagte der FNPR-Sekretär. Nach dieser Argumentationsweise könne man jegliche Gewerkschaftsforderung, welche die Bedingungen der Arbeitswelt betrifft, als politisch bezeichnen. Was die Zahlungen des internationalen Gewerkschaftsdachverband IndustriALL an die MPRA beträfe, so stünden diese unter dem Schutz einer Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf.

Einen ähnlichen Standpunkt vertritt Boris Krawtschenko Leiter des 1995 gegründeten unabhängigen russischen Gewerkschaftsdachverbandes "Konföderation der Arbeit" (zwei Millionen Mitglieder). In diesem Dachverband ist auch die jetzt verbotene MPRA Mitglied. Krawtschenko sagte gegenüber dem Kommersant: "Es gibt für die gewerkschaftliche Tätigkeit spezielle Garantien, um die Gewerkschaften gegenüber den Arbeitgebern hinsichtlich der gesamten finanziellen, organisatorischen und intellektuellen Möglichkeiten gleichzustellen."