Russland hofft auf ein Ende der Aggression

Bild: Sana

Wladimir Putin verurteilt die Luftschläge als "Aggression gegen einen souveränen Staat". Der russische Generalstab überlegt, ob man Syrien nicht doch das Luftabwehr-Raketensystem S-300 liefern soll

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Was in Syrien in der Nacht auf Sonnabend passierte, führt die Welt zweifellos noch einen Schritt näher an einen kaum kontrollierbaren Konflikt großen Ausmaßes. Augenzeugen in Syrien filmten, wie die syrische Luftwaffe die anfliegenden Marschflugkörper der USA und Großbritanniens abschossen.

Die Folgen der Attacke, die von amerikanischen, französischen und britischen Kampfflugzeugen und Schiffen ausging, sind noch glimpflich. Es gab zwar Zerstörungen und Verletzungen, aber keine Toten. Offenbar war die Attacke ein Test, mit dem Washington, Paris und London herausfinden wollten, wie Russland und die Welt-Öffentlichkeit reagieren. Die USA haben ihr Ziel, den syrischen Präsidenten Assad zu stürzen, nicht aufgegeben. Man will Russland zeigen, dass es sich diesem strategischen Ziel irgendwann fügen muss. Russland wiederum hofft, dass sich die USA und England mit ihren Kreuzritter-Aktionen in der Welt isolieren und an Unterstützung verlieren. Diese Hoffnung scheint nicht unbegründet.

Putin: "Ein Akt der Aggression"

In einer am Samstagmorgen veröffentlichten Stellungnahme erklärte der russische Präsident, die Raketenangriffe seien "ein Akt der Aggression gegen einen souveränen Staat, der an vorderster Front gegen den Terrorismus kämpft". Die Angriffe seien vom UN-Sicherheitsrat nicht gebilligt worden und verletzten damit das Statut der UNO. Die Angriffe der USA fügten der friedlichen Bevölkerung in Syrien Leiden zu. Sie "helfen faktisch den Terroristen".

Die westlichen Länder würden die Mission der nach Syrien entsandten Experten der Internationalen Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) "zynisch missachten", indem sie mit der Militäroperation begannen, ohne das Ergebnis der OPCW-Untersuchung abzuwarten. Wie bei den Angriffen auf den Flughafen Schajrat vor einem Jahr habe man einen inszenierten Chemiewaffen-Angriff gegen die Zivilbevölkerung in der Stadt Duma für einen militärischen Angriff in Syrien genutzt, sagte der russische Präsident.

Nach den vorliegenden Meldungen habe es sich um einen "symbolischen Schlag" gehandelt, erklärte der Leiter der Fakultät Weltwirtschaft an der Höheren Schule für Ökonomie in Moskau, Sergej Karaganow. Es sei klar, dass die Luftschläge abgesprochen seien, um die russischen Militärs nicht zu treffen.

Der US-Botschafter in Moskau, John Huntsman, erklärte, die Luftschläge in Syrien seien kein Konflikt zwischen den Großmächten. Washington hoffe, dass Moskau helfe, weitere Attacken mit Chemiewaffen in Syrien zu verhindern.

"Tomahawks auf leere Fabriken"

Am Sonnabendmorgen erklärte der Leiter des operativen Stabes des russischen Generalstabes, Sergej Rudskoj, im Rahmen eines Journalisten-Briefings, dass von den 103 abgefeuerten US- und britischen Marschflugkörpern 71 von der syrischen Raketenabwehr abgeschossen wurden. Keiner der Marschflugkörper habe "den Bereich der russischen Luftabwehr erreicht".

Ziele der Luftschläge waren nach Angaben von Rudskoj Flugplätze der syrischen Luftwaffe gewesen. 30 Marschflugkörper hätten die Angreifer auf Objekte in der Nähe der Ortschaften Bars und Dscharamani abgeschossen, wo angeblich chemische Waffen hergestellt werden. Diese Fabriken seien teilweise beschädigt worden. Rudskoj erklärte aber, dass sie schon seit langem nicht mehr benutzt werden. "Menschen und Ausrüstung gab es dort nicht."

Die Raketen auf die Flughäfen Djuwali, Dumeir, Blei und Schairat seien komplett von der syrischen Luftabwehr abgeschossen worden. Von neun Raketen, die auf den Flughafen Messe flogen, seien fünf von der syrischen Luftabwehr abgeschossen worden. Der russische Fernsehkanal Rossija 24 zeigte ein Video vom Flughafen Messe auf dem zu sehen ist, wie Flugabwehrraketen vom Typ S-200 in Stellung gebracht werden.

Rudskoj erklärte, von Schiffen aus seien Marschflugkörper vom Typ Tomahawk eingesetzt worden. Vom Mittelmeer aus hätten US-Flugzeuge des Typs B-1B lenkbare Luftbomben vom Typ GBU-38 abgeschossen. US-Flugzeuge des Typs F-15 und F-16 hätten Raketen der Klasse "Luft-Erde" und britische Tornados hätten acht Raketen vom Typ Scalp EG eingesetzt.

Frankreich habe zwar bekanntgegeben, dass man sich an den Luftschlägen beteiligt habe, es sollen 12 Raketen abgeschossen worden sein, die russischen Beobachtungsstationen hätten jedoch keine französische Luftwaffe gesichtet, erklärte der der Sprecher des russischen Generalstabs.

Nach den Worten von Sergej Rudskoj waren an dem Angriff auch Schiffe der amerikanischen Marine vom Roten Meer aus beteiligt. US-Flugzeuge vom Typ B-1B hätten ihre Angriffe vom Osten Syriens geflogen, der jetzt unter Kontrolle der Amerikaner ist.