Russland hofft auf ein Ende der Aggression

Seite 3: Russischer Abgeordneter: "Die Situation wird der Kuba-Krise immer ähnlicher"

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Am Donnerstag hatte der Vorsitzende des Komitees für Informationspolitik des russischen Föderationsrates, Aleksej Puschkow, in Moskau bei einem Briefing vor Journalisten erklärt: "Jeder Tag vor der Stunde X wird die Situation der Kuba-Krise ähnlicher."

Um was ging es bei der Kuba-Krise? Nachdem die USA Mittelstreckenraketen in der Türkei stationiert hatten, beabsichtigte die Sowjetunion Mittelstreckenraketen auf Kuba zu stationieren. Nach einer zweiwöchigen, höchst angespannten Situation, in der ein atomarer Schlagabtausch zwischen den Supermächten möglich schien, einigten sich Nikita Chruschtschow und John F. Kennedy. Die Sowjetunion zog ihre Raketen von Kuba ab. Das gleiche taten die USA mit ihren Raketen in der Türkei. Zu der von den Falken in den USA geforderten Invasion auf Kuba kam es nicht.

Aleksej Puschkow beim Syrien-Briefing mit Journalisten. Bild: Ulrich Heyden

"Journalisten fordern Luftschläge"

Scharf kritisierte der Sprecher des russischen Föderationsrates das Verhalten der meisten westlichen Medien, "die Luftschläge auf Syrien fordern". Das erinnere ihn an die Situation vor dem Ersten Weltkrieg als fast alle Politiker, Abgeordneten und Medien in Frankreich und Deutschland für den Krieg waren.

Der Erste Weltkrieg mit seinen zehn Millionen Toten habe gezeigt, dass die Menschheit ab und zu in eine "Phase der Blindheit" eintritt. Das Ergebnis des 1. Weltkrieges sei die Oktoberrevolution in Russland und in Deutschland die Machtübernahme von Hitler gewesen. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, was die Journalisten westlicher Medien beabsichtigten, wenn sie hysterisch Luftschläge gegen Syrien forderten. Die Aufgabe der Medien sei es, "nicht die Leidenschaften zu schüren, sondern im Gegenteil dafür zu sorgen, dass sich die Situation beruhigt".

"Neue Weltordnungen entstanden bisher immer durch Kriege"

Dass es heute viele regionale Konflikte auf der Welt gibt hänge damit zusammen, dass eine neue Weltordnung im Entstehen sei, erklärte der Sprecher des Föderationsrates. Seit dem Irak-Krieg gäbe es keine unipolare Welt mehr, in der die USA die führende Macht waren. Doch eine neue Weltordnung gäbe es noch nicht.

Die neue multipolare Weltordnung dürfe aber nicht durch einen Krieg entstehen, "weil dieser Krieg zur Zerstörung der gesamten Erde führt. Die Menschheit kann es sich nicht erlauben durch einen nuklearen Konflikt zu einer neuen Ordnung zu kommen. Ich glaube wir müssen eine Zeitlang in diesem Zustand leben. Das Wichtigste dabei ist, die Situation unter Kontrolle zu halten."

Aleksej Puschkow: "Keine Hoffnung auf Entspannung"

Hoffnungen für eine Entspannung der Situation gäbe es nicht, erklärte der Abgeordnete. "Angesichts der Stimmung in den USA sehen wir keine Perspektive für eine Verbesserung der Beziehungen. Diese Stimmung erschwert die Suche nach einem Kompromiss. Wir hatten 26 gemeinsame Kommissionen mit den USA. Sie arbeiteten auf verschiedenen Gebieten zu Fragen der Kultur, der Gesundheit. Heute arbeiten sie faktisch nicht. Das Einzige, was es gibt, sind die Twitter-Meldungen von Trump. Der neue Außenminister der Vereinigten Staaten, Pompeo, sagt, die USA beenden die weiche Politik gegenüber Russland." Puschkow schränkte aber ein: "Teilweise werden diese Erklärungen abgegeben, damit es im Kongress keine Probleme gibt." Das klang so, als ob Moskau doch noch hofft mit Trump ein Auskommen zu finden.

In den russisch-amerikanischen Beziehungen gehe es jetzt darum, "dass die Situation nicht außer Kontrolle gerät und etwas passiert, was man nicht wieder gut machen kann". Die USA müssten wenigstens verstehen, dass eine unkontrollierte Entwicklung der Ereignisse zu einem sehr gefährlichen Konflikt führen kann: "Wir müssen aus der gefährlichen Krisen-Zone herauskommen."

Wie es komme, dass Russland nach der Drohung von Trump, Syrien zu bombardieren in unterschiedlichen Tonlagen reagiert habe, wollte der Autor dieser Zeilen wissen. Erst habe der russische Botschafter im Libanon angekündigt, Russland werde zurückschlagen, dann habe Putin an den Verstand der US-Führung appelliert.

Darauf meinte Puschkow, in einer Krisensituation sei es normal, dass es verschiedene Reaktionen gibt. "In einer Krisensituation ist es schwer zu erwarten, dass die Reaktionen eines Staates immer absolut logisch und folgerichtig sind. Es gibt immer verschiedene Aspekte und Akzente." Er sehe aber keinen prinzipiellen Unterschied zwischen der Position des russischen Botschafters im Libanon und der Äußerung von Wladimir Putin.

Bei Trump allerdings gäbe es zwei unterschiedliche Positionen, wenn nämlich der US-Präsident "im Abstand von nur wenigen Stunden erklärt, er wolle die Truppen aus Syrien abziehen und sie dann doch nicht abziehen will".

Warum hält sich Russland mit Kritik an Israel zurück?

Der russisch-israelische Publizist Israel Schamir fragte auf dem Briefing, warum Russland nicht stärker die israelischen Luftangriffe auf Syrien kritisiert.

Darauf antwortete Puschkow: "Man kann die israelischen Angriffe nicht vergleichen mit dem, was der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika angekündigt hat. Wir unterstützen die israelischen Luftangriffe nicht, aber wir sind gleichzeitig der Meinung, dass Israel ein wichtiger Staat in der Region ist. Russland hat gute Beziehungen zu Israel. Mit Israel in einen Konflikt zu kommen erscheint uns weniger sinnvoll als mit Israel zu sprechen." Noch eine neue Konfliktlinie im Nahen Osten sei nicht sinnvoll.

USA können die Situation in Syrien nicht beeinflussen

Welchen Sinn aber habe der Luftschlag? Es gehe dabei ausschließlich um das Image von Trump selbst. Trump wolle sich als starker Präsident zeigen. "Aber selbst wenn die USA mehrere zehntausend Soldaten nach Syrien schicken und einen großangelegten Luftschlag ausführen, können sie den Gang der Ereignisse in Syrien nicht beeinflussen."

"Ich habe den Eindruck, die Vereinigten Staaten wissen nicht, was sie mit Syrien machen sollen. Sie haben keine Politik in Syrien." Der sogenannte "Islamische Staat" sei schon zerstört und dessen Überreste würden nicht von der Region Idlib nach Damaskus kommen. "Die Vereinigten Staaten begreifen, dass die Situation in Syrien eine Niederlage für sie ist. Deshalb müssen sie jetzt demonstrieren, dass sie mit der Situation dort nicht einverstanden sind."

Puschkow zog eine Parallele zu Vietnam. Drei Jahre vor dem Fall von Saigon sei klar gewesen, dass die USA Südvietnam verlieren werden. Aber die USA hätten sich von 1973 bis 1975 trotzdem noch an Südvietnam festgeklammert.

Von der amerikanischen Führung erwarte er etwas mehr Verstand. "Zurzeit agiert sie nach dem Prinzip: Erst schießen - dann nachdenken." Die Abwesenheit von Politik in Syrien verführe dazu, Politik zu imitieren, nach dem Motto: "Lasst uns Syrien bombardieren."

Es sei offensichtlich, dass Trump unsicher ist. Und nicht nur er. Der Verteidigungsminister der USA, James Mattis, schweige. "Er schweigt, weil er auch nicht versteht, wozu die USA eine Operation in Syrien durchführen soll."

"Europa kann selbstständig agieren"

Europa verhalte sich ambivalent, erklärte das Föderationsratsmitglied. Es übertrage die Verantwortung auf die Vereinigten Staaten. Dass man den USA in allem folge, habe für Europa negative Folgen. Libyen wurde zerschlagen. Die Flüchtlingszahlen in Europa stiegen an. Es folgten die guten Wahlergebnisse der Rechtspopulisten in Italien und Deutschland. "Warum wundert man sich in Deutschland über das Aufkommen der AfD? Die AfD ist doch von der deutschen Politik geschaffen worden. Die AfD ist doch nicht aus Russland gekommen. Die AfD, das sind die Kinder von Angela Merkel."

Es gäbe jedoch durchaus Punkte, bei denen die Europäer eine eigene Position entwickeln, meinte das Föderationsratsmitglied. So seien die europäischen Staaten nicht bereit, den Atom-Vertrag mit dem Iran aufzukündigen. Das habe eine große Bedeutung. "Im Alleingang wollen die Amerikaner den Atom-Vertrag mit dem Iran nicht aufkündigen."

Die europäischen Staaten seien auch gegen eine militärische Operation der USA in Nordkorea. Das sei einer der Gründe, warum die USA dort noch nicht eingegriffen haben. Kaum nachvollziehbar sei, dass die europäischen Staatsführer den USA folgen, obwohl die gesamte europäische Presse schreibt, dass Trump nicht zurechnungsfähig ist.