Russland und Biden - in banger Erwartung
Seite 2: Bidens Ansichten zum "Regime-Change"
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Eine ähnliche Einschätzung wie Suslow hat Dmitri Trenin vom Moskauer Carnegiezentrum, einem an sich liberalen Thinktank. Schon die Entstehung des russisch-amerikanischen Gegensatzes bis zu den 00er Jahren habe für Biden nichts mit der fehlenden Rücksichtnahme bei der NATO-Osterweiterung zu tun.
Für ihn liege die Wurzel aller Probleme darin, dass Russland "von diebischen KGB-Agenten" regiert werde, die die USA früher als Trottel benutzt hätten, um an der Macht bleiben. Er rechnet mit einer stärkeren Einmischung der Vereinigten Staaten in die russische Innenpolitik. Denn nach Bidens Auffassung sei Amerika der Freund der "normalen Russen", sofern und sobald diese bereit seien, ihr Regime zu stürzen.
Kommende russische Wahlen werden Biden und sein Team nach Meinung von Suslow wahrscheinlich nicht gleichgültig verfolgen, sondern versuchen, zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Die russische Nomenklatura wartet auf solche Eingriffe bereits - dienen sie doch als willkommener Vorwand, Freiheitsrechte einzuschränken, was sich dann sehr einfach als Eindämmung ausländischer Einflussnahmen verpacken lässt, aber natürlich vor allem dem eigenen Machterhalt dient. Eine innenrussische Eskalationsspirale, bei der die Leidtragenden eben jene "normalen Russen" sind, kann dadurch in Gang gesetzt werden.
Suslow, Trenin oder Timofejew, deren Biden-Bedenken hier geschildert wurden, zählen unter den Stimmen in Russland mitnichten zu den Scharfmachern. Die sitzen an ganz anderer Stelle, pflegen schon lange auf einen gut gefütterten Antiamerikanismus und sind glücklich darüber, wenn weitere Irritationen zwischen den Großmächten sie in ihrer Meinung bestätigen und andere dazu bekehren.
Die "normalen Russen", die Biden im Fokus seiner Beeinflussungsstrategie hat, sind insgesamt ebenfalls pessimistisch. 45 % glauben bei einer repräsentativen Umfrage des Lewadazentrums unter Biden an ein gleich gutes/schlechter US-russisches Verhältnis wie unter Trump, 30 % an eine weitere Verschlechterung, von den übrigen findet die Mehrheit eine Einschätzung schwer.
Der Biden-Optimismus der Tagesschau im Bezug auf Russland hat sich bisher noch nicht vor Ort herumgesprochen. Und eine neue Regime-Change-Strategie unter dem neuen Amtsinhaber würde ihm jede Basis entziehen.