Russland und der Plan eines eurasischen Wirtschaftsraums
Moskau genehmigt Autobahn von Kasachstan bis Weißrussland, um China mit Europa zu verbinden - vermutlich ein Albtraum für die geopolitischen und ökonomischen Machtinteressen der USA
Es ist ein Infrastrukturgroßprojekt, das die russische Regierung nun genehmigt hat. Regierungschef Dmitri Medwedew gab den Startschuss für den Bau einer Maut-Autobahn, die von Kasachstan bis Weißrussland gehen wird - und damit den kürzesten Landweg für den Warentransport zwischen China und Europa schaffen soll.
Um die 9,5 Milliarden US-Dollar soll der Landweg über die "Meridianstraße" vor allem für Gütertransporte nach Alexander Ryazanov kosten, der das Projekt mit seiner Firma auf die Beine stellte. Der russische Staat wird sich finanziell nicht beteiligen, die Kosten sollen von privaten Investoren der Holdinggesellschaft CJSC gestemmt werden, die allerdings von der Regierung verlangt, ein Minimaleinkommen von 550 Millionen US-Dollar zu sichern. Damit sollen vor allem politische Risiken wie etwaige Grenzschließungen abgesichert werden.
Man erwartet, dass die Autobahn bereits in 12 Jahren profitabel werden kann, mit dem ersten Bauabschnitt sei bereits begonnen worden, 80 Prozent des Landes, über das die Trasse geführt wird, soll bereits im Besitz des Konsortiums sein. Mit der Privatautobahn soll ein Teil des Güterverkehrs zwischen Europa und China vom Schiffsverkehr auf den Landtransport verschoben werden, was große Auswirkungen haben dürfte. Nicht zuletzt einen Anschub für die Herstellung von effizienten LKW-Flotten zu Lasten der Reedereien, vermutlich auch für die Beschleunigung der Inbetriebnahme von autonom fahrenden LKW-Flotten, nachdem vor allem China mit viel Geld die KI-Entwicklung fördert.
Die Autobahn ist Teil des Seidenstraßen-Projekts der chinesischen Regierung und auch des von Wladimir Putin angeschobenen Transport-Infrastrukturprogramms. Das auf sechs Jahre angelegte und ehrgeizige Programm soll mit einem Budget von fast 100 Milliarden US-Dollar die Verkehrsinfrastruktur Russlands modernisieren und ausbauen: Autobahnen, Flughäfen, Häfen, Schienenverkehr. Damit soll Russland im Inland besser verbunden werden, aber es geht um Größeres. Russland soll zur Drehscheibe des eurasiaschen Wirtschaftsraums von Portugal bis China werden.
Die auftauende Arktis soll genutzt werden, um die nördliche Schifffahrtsroute mit dem Bau von Häfen und Flughäfen zu erschließen, die Moskau bereits mit militärischen Stützpunkten gesichert hat. Daneben soll der Schienen- und Landverkehr ausgebaut werden, auch mit Hochgeschwindigkeitszügen, eben auch mit dem Ziel, China und Europa zu verbinden.
Eurasiatischer Wirtschaftsraum
Das reiht sich in viele Projekte ein, die die asiatischen Länder untereinander und mit Europa besser verbinden sollen. Letztlich geht es um ein Zusammenrücken des Wirtschaftsraums von Japan bis Portugal, was zu einer Machtverschiebung führen und Afrika und Amerika an den Rand drängen kann. Ein Schritt war bereits, als Japan und Russland letztes Jahr einen neuen Handelsweg für Waren mit der Transsibirischen Eisenbahn austesteten, um den Frachttransport mit Flugzeugen oder Schiffen, die durch den Suez-Kanal fahren müssen, weitgehend durch den Zug zu ersetzen, was die Kosten und Zeit erheblich senken könnte.
Ein Container mit Reis wurde vom japanischen Kobe mit dem Schiff zum russischen Hafen Vostochny gebracht, dem östlichsten Bahnhof der Transsibirischen Eisenbahnroute. Von dort ging es im Zug auf dem Land weg über 9000 km nach Moskau in 14 Tagen. Angeblich wurde auch bereits eine Transportzeit von sieben Tagen in einem anderen Test erreicht. Ein Transport mit dem Schiff von Japan über den Suezkanal bis Moskau würde hingegen 53-62 Tage dauern. Damit würden auch der Handel und die politischen Beziehungen Russlands mit Japan und der Handel zwischen Japan und Europa über die Landverbindung verstärkt (Zusammenwachsen des eurasischen Raums).
Albtraum der USA
Aus der Sicht Washingtons ist der sich aufbauende eurasische Handelsraum, der die üblichen, von den USA noch kontrollierten Schifffahrtswege umgeht, ein Albtraum. Seit dem Zweiten Weltkrieg war es das Ziel, Europa von Russland abzukoppeln und den amerikanisch beeinflussten Raum durch die Osterweiterung der Nato und der EU weiter Richtung Russland vorzuschieben, um das Land einzudämmen. "What is the sense of NATO? It is to keep the Americans in, the Russians out, and the Germans down", sagte ziemlich unverblümt Lord Hastings Lionel Ismay, der erste NATO-Generalsekretär (1952-1957) .
Die immer einmal wiederkehrenden Vorstellungen von einer Annäherung Europas an Russland nach dem Ende des Kalten Kriegs und dem Zerfall der Sowjetunion, von einem gemeinsamen Wirtschaftsraum und einer neuen Friedensordnung, gar der Aufnahme Russland in die Nato, wurden, so kann man es sehen, mit immer neuen Provokationen unterbunden: der Osterweiterung, der Forcierung der bunten Revolutionen, der Installation des Raketenabwehrschilds in Polen und Rumänien und schließlich, nachdem der Anschluss von Georgien und der Ukraine erst einmal nicht möglich war, durch die Maidan-Proteste, den Putsch in der Ukraine und die militärische, politische, wirtschaftliche und mediale Eskalation des Konflikts mit Russland, das die Krim übernahm, um den Zugang zum Schwarzen Meer und den wichtigsten Marinestützpunkt zu schützen, und die prorussischen Aufständischen in der Ostukraine unterstützte. Jetzt versuchen die USA, Europa möglichst von der Energieversorgung mit russischem Gas und Öl abzuhängen und durch eigenes Fracking-Gas zu ersetzen
Die USA hätten vermutlich weitaus aggressiver reagiert, wenn sie einen strategisch wichtigen Stützpunkt in einem Nachbarland mit überwiegend amerikanischer Bevölkerung verlieren würde. Die Reaktion Washingtons auf ein paar russische Soldaten in Venezuela belegt, wie wichtig die räumliche Sicherheit ist, während das kleine Kuba noch immer einen Feind darstellt.
In Washington hat man vermutlich realisiert, dass ein eurasisches Zusammenrücken ganz entscheidend auch die Politik gegenüber China verändert. Schon George W. Bush hatte bis 9/11 und dann wieder Barack Obama bis zum Ukraine-Konflikt die Absicht, den außenpolitischen Schwerpunkt der amerikanischen Militär- und Wirtschaftspolitik aus Europa und dem Nahen Osten in den asiatisch-pazifischen Raum zu verlagern. Wenn dieser sich jetzt über Russland unter Umgehung der USA mit Europa verbindet, wird die amerikanische Dominanz mitsamt den Hunderten von militärischen Stützpunkten geschwächt. Um so wichtiger wird es für Washington werden, die osteuropäischen Staaten auf seine Seite zu ziehen, um den Block zu Russland und Asien aufrechtzuerhalten. Es wird also unruhig bleiben.
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