SPD: Weiter als trotziger Juniorpartner von Merkel?
- SPD: Weiter als trotziger Juniorpartner von Merkel?
- Merkels Position wird nicht mal angekratzt
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Nach dem Parteitag lobt sich die SPD selbst, zeigt aber zugleich an, dass sie nicht an einen Regierungswechsel glaubt. Ein Kommentar
Die SPD und ihr Kandidat machen alles richtig, behaupten Oppermann oder Heil, aber es funktioniert nicht richtig. Es wäre eine Überraschung, wenn die Umfragewerte nach dem SPD-Parteitag vom Wochenende deutlich steigen.
Sie müssten aber merklich steigen angesichts des Vorsprungs, den die Kanzlerin und die Union seit vielen Wochen zurückerlangt haben. Außerhalb der Partei gab es vermutlich ohnehin wenig Hoffnung, dass es den Sozialdemokraten gelingen würde, Signale zu setzen, um den Wahlkampf aufzumischen und Unruhe ins Kanzleramt zu bringen. Nach dem Parteitag fasste Sahra Wagenknecht von den Linken zusammen:
Eine SPD, die nichts wesentlich anders machen will als die Union, braucht kein Mensch, und so mobilisiert man auch keine Wähler.
Sahra Wagenknecht
Das ist zwar eine pauschale Antwort, die noch dazu von der sozialdemokratischen Konkurrenz kommt, aber das für die SPD schlimme "psychologische Moment" ist, dass ihre Spitzen-Vertreter dies ebenfalls anzeigen.
"Diesmal noch nicht", antwortete SPD-Generalsekretär Hubertus Heil auf die Suggestiv-Frage im Deutschlandfunk-Interview: "Mit einer absoluten Mehrheit können Sie ja wohl nicht rechnen im September?"
Siegerambitionen abgeschminkt
Man kann mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass diese Überzeugung keine Einzelmeinung in der Partei ist. Vermutlich gehen sehr viele in der Partei davon aus, dass sie wieder "Juniorpartner" - was für ein Ausdruck für eine Traditionspartei! - einer Unionsregierung wird. Es geht darum, ein möglichst gutes Wahlergebnis für die Partei zu erreichen, Siegerambitionen hat man sich abgeschminkt. Das kann eine Oppositionspartei wie die Linke sagen, von der SPD kann man als Ansage mehr erwarten.
Mit dieser Einstellung wissen die Wähler, dass sie wieder eine große Koalition wählen. "Wir brauchen da eine andere Form von Haltung und deshalb finde ich es richtig, dass in diesem Sommer erst mal jede Partei für die eigene Überzeugung kämpft", begründet Heil den Wahlkampfkurs. Das sind leider leere Worte, weil die Nicht-Insider, die normal Informierten, nicht wissen, welche Haltung genau gemeint ist.
Klarer Kurs?
"Wir fragen uns, was ist richtig, was ist notwendig für Deutschlands Zukunft. Da hat Martin Schulz einen klaren Kurs vorgelegt", so Heil. Was Mediennutzer vom Parteitag mitbekommen haben, ist dass die SPD geschlossen auftrat, sich kämpferisch gab und Schwung bezeugen wollte. Schulz zog bei seiner Rede das Sakko aus, gab sich hemdsärmelig, der Altkanzler Schröder soll mit seinem kämpferischen Auftritt die SPD aufgerüttelt haben, wird gemeldet.
Die Medienreaktionen, die von Geschlossenheit und Kampfgeist künden, mögen dem Wahlkampfteam gefallen und in der Binnenansicht mag das gut aussehen. Aber draußen kann man sich fragen, ob alles nur mehr Stimmungs-Psychologie ist, die auf Performance-Effekte wie in einer Castingshow ausgerichtet ist - "Hauptsache, gut rüberkommen." Die Medien sagen, ihr müsst kämpferischer sein, die SPD-Vertreter, voran der Kandidat, zeigen sich dann auch kämpferischer. Für einen Regierungswechsel ist das aber zu wenig.
Es gab bekanntlich Ende Februar hohe Zustimmungswerte für Schulz und die SPD, eine öffentlich geführte Auseinandersetzung in der Partei darüber, woher danach der Einbruch kam, gab es jedoch nicht. Die Zustimmungswerte waren Anzeichen dafür, dass es eine Wechselstimmung gibt. Nach 12 Jahren Merkel als Kanzlerin ist das kein Wunder. Spätere Umfragen, bei denen die Union und Merkel längst wieder aufgeholt hatten, zeigen noch immer auf diesen Punkt: Es gibt einen Wunsch nach dem Wechsel im Kanzleramt.
Der Ballungsraum in der Mitte
Den strebt man aber nicht als "Juniorpartner" an. Und auch nicht mit Inhalten, die strategisch und taktisch auf eine Mitte zielen, die der Ballungsraum von vier Parteien ist (nimmt man die Union als eine Partei): CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP. Das Steuerkonzept, mit dem die SPD vor dem Parteitag Werbung für ihre Inhalte machte, richtet sich vornehmlich an die Schichten, die ohnehin gut gestellt sind und die von den anderen drei auch umworben werden, mit Angeboten, die noch mehr Rücksicht nehmen.
Für die ärmeren Schichten hat man den Linken die ganze Aufmerksamkeit überlassen, sie haben dort die prägnanteren Positionen und Forderungen und das glaubwürdigere Engagement. Die oberen Schichten lässt die SPD in Ruhe. Für Wagenknecht ist es ein Leichtes, in einer Sprache darauf hinzuweisen, die sofort eingängig ist:
Der Parteitag ist der Endpunkt einer großen Desillusionierung. Als Martin Schulz nominiert wurde, gab es bei vielen die Hoffnung, dass die SPD wieder eine sozialdemokratische Partei wird. Tatsächlich hat die Partei nun ein Wahlprogramm beschlossen, das sich noch ängstlicher vor den Wünschen der Konzernlobbyisten und Superreichen verbeugt als frühere Programme.
Sahra Wagenknecht
Es ist schwer nachzuvollziehen, dass die SPD weder bei der Vermögenssteuer noch bei einer Kapitalertragssteuer Akzente mit einem Konzept setzt, das dem Rechnung trägt, was als Argument dafür häufig auf den Tisch kommt, und was sich anschaulich in jeder deutschen Stadt zeigt: Der Gegensatz zwischen Einkommen, das erarbeitet wird, und dem Vermögen, das sich in sehr vielen Fällen auf Erbe gründet. Hier könnte man dem "seligmachenden Leistungsprinzip" (FDP) über kluge Besteuerung zu einer tatsächlich mit mehr Gerechtigkeit gesegneten Wirklichkeit verhelfen.
Man müsste halt genau hinschauen, welches Vermögen und welches Kapital wie besteuert wird. Das wäre der Sinn eines überzeugenden Konzepts mit "klaren Inhalten", das den Willen einer Partei zu mehr sozialer Gerechtigkeit sichtbar macht.
Auch ist von Löhnen, die einen anständigen Lebensunterhalt ermöglichen, weniger laut und vernehmlich die Rede. Im Niedriglohnsektor gebe es vieles gut zu machen für die Sozialdemokraten. Wo läuft der Kampfgeist der SPD eigentlich hin?
Kluft zwischen Problemen und Antworten
Auffallend ist eine Kluft: Es gibt eine Vielzahl von vertrackten großen Problemen, die in einer Art kollektiven Bewusstsein so präsent sind, dass sich daraus sehr schnell hitzige Gespräche auch mit Unbekannten ergeben: das Reichtumsgefälle zwischen Afrika und Europa, die Mitwirkung der europäischen oder westlichen Wirtschaft, die daraus resultierenden Migrationsbewegungen, die Entwertung von Sparguthaben und Lebensversicherungen, die Veränderung der Arbeitswelt und vieles mehr. Zu letzterem zumindest hat die SPD klare Antworten, behauptet Hubertus Heil:
(…) es geht um die Frage, was ist gut, was ist richtig für Deutschlands Zukunft, wie kriegen wir es hin, dass wir den Wandel, der ansteht in der Arbeitswelt, gestalten. Die Digitalisierung wird Wirtschaft und Gesellschaft weiter verändern. Die Frage ist, wie wir aus solchen technischen Innovationen auch sozialen Fortschritt machen.
Es geht darum, wie wir die Gesellschaft zusammenhalten im rasanten Wandel. Und es geht um die Zukunft Europas. Da hat Martin Schulz klare Konzepte, einen klaren Kurs, eine geschlossene Partei hinter sich, und wir fragen uns, was hat eigentlich die Konkurrenz.
SPD-Generalsekretär Hubertus Heil
Man fragt sich auch, was die SPD an Antworten hat außer der aufgestellten Behauptung eines klaren Kurses. Mag sein, dass es intern zu diesen Problembündeln viele Diskussionen und vielleicht auch gute Ansätze gab, nach außen dringt aber nichts Vernehmbares oder Beachtenswertes, das der größeren öffentlichen Diskussion Anstöße gibt.
Es ist nichts zu merken vom Versuch oder einer intellektuellen Anstrengung, Wirtschaftspolitik anders zu konzipieren. Es gilt, wie Wagenkrecht der SPD vorhält, dass Prinzip "Weiter so" und das läuft auf "Weiter mit Merkel" hinaus.