Saakaschwilis geplante Comeback-Tour in die Ukraine

Saakaschwili stellt seine Pläne für die Ukraine in Warschau vor. Bild: Screenshot aus dem YouTube-Video

Der jetzt staatenlose Ex-Präsident Georgiens will die Ukraine verändern und zur europäischen Großmacht machen

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Micheil Saakaschwili will keineswegs in den USA als politischer Dissident verbleiben, sondern die Ukraine umkrempeln. Zuvor sucht er in Europa Verbündete. In Warschau begeisterte der ehemalige georgische Staatspräsident und vormalige Gouverneur von Odessa schon mal die dort lebenden Ukrainer mit seinem geplanten Kreuzzug gegen die Korruption "Die Ukraine ist ein fantastisches Land, aber es darf keine Zeit mehr verlieren!", erklärte er in dem gerammelt vollen Vortragsraum der NGO "Freies Wort".

Reformen seien notwendig sowie der Kampf gegen die Oligarchen, die seiner Meinung nach das gemeine Volk verachteten. Zumindest ging der 49-Jährige dem ukrainischen Staatspräsidenten Petro Poroschenko so auf die Nerven, dass er ihm bei einem USA-Aufenthalt Ende Juli wieder die Staatsbürgerschaft entzog. Ob dies auf Druck weiterer Größen der Ukraine geschah, bleibt offen.

Noch 2015 hatte Poroschenko Saakaschwili eingeladen, in Odessa als Gouverneur Reformen einzuführen, die Region mit ihrer Nähe zum russisch dominierten Transnistrien gilt als eine der korruptesten der Ukraine. Doch Dank seines Reformeifers, er feuerte reihenweise Beamte und ersetzte sie mit jungen Aktivisten des Majdans, kam es zu Konfrontationen mit den dortigen Multimillionären. Ende 2016 schmiss Saakaschwili hin (Saakaschwili setzt auf Trump-Rhetorik, verglich Poroschenko mit den russischen Oligarchen und gründete eine eigene Partei "Bewegung der Neuen Kräfte".

Demnächst, so der offiziell staatenlose Saakaschwilli, ohne genauere Angaben, wolle er in die Ukraine einreisen, Warschau werde er bald verlassen. Vermutlich, um in einem anderen europäischen Land für sich zu werben. In der Ukraine könnte er nach Georgien ausgewiesen werden. In dem Staat, in welchem er von 2004 bis 2013 als Präsident wirkte, soll er wegen Korruptionsvorwürfen und der brutalen Niederschlagung einer Demonstration vor Gericht. Mit der Annahme der ukrainischen Staatsbürgerschaft in der Ukraine hatte Saakaschwili automatisch die georgische Staatsbürgerschaft verloren.

Auch an Polen wurde von Georgien ein entsprechendes Gesuch gerichtet - vergeblich. Sowohl Washington und Warschau erkannten auch die Aberkennung der ukrainischen Staatsbürgerschaft nicht an und ließen den temperamentvollen Politiker reisen. Die ukrainische Führung habe Angst vor ihm, so der Georgier, derzeit werde an der polnisch-ukrainischen Grenze jeder Kofferraum untersucht, ob er nicht etwa heimlich einreise. Doch er werde offen in die Ukraine reisen, seine Partei erhalte schließlich 18 Prozent Zustimmung.

Auch am Sympathiezuwachs der nationalkonservativen polnischen Regierung wirkte er mit: Saakaschwili war am ersten August bei den Feierlichkeiten zum Warschauer Aufstand (1944) anwesend, später erklärte er in einem Interview den verstorbenen Staatspräsidenten Lech Kaczynski zu einem "Helden", der einem Anschlag Putins zum Opfer gefallen sei. Kaczynski starb 2010 zusammen mit seiner 95-köpfigen Entourage bei einem Flugzeugabsturz nahe Smolensk. Auch sein Bruder Jaroslaw, Chef der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), glaubt, dass sein Bruder durch einen Anschlag ermordet wurde.

Saakaschwili sieht den Absturz durch Lech Kaczynskis Engagement im georgisch-russischen Krieg 2008 motiviert, damals flog der polnische Präsident nach Tiblis, um die internationale Öffentlichkeit gegen den Vorstoß der russischen Truppen zu mobilisieren.

Will er etwa Präsident der Ukraine werden?

Saakaschwili, der im Gegensatz etwa zu Vitali Klitschko fließend Ukrainisch spricht, erklärte vor dem größtenteils ukrainischen Publikum erneut seine Vision der Ukraine - niedrigere Steuern, weniger Bürokratie, mehr Transparenz, Mitbestimmung von unten, in der Ukraine gebe es überall Graswurzelbewegungen, die den demokratischen Wandel wollten. Die Ukraine habe das Potential, eine europäische Großmacht zu werden. Trump, auch wenn dies an diesem Abend nicht angesprochen wurde, sieht er weiterhin als Verbündeten. Der amerikanische Präsident sei viel zu dominant, um sich von Wladimir Putin dominieren zu lassen.

Leiser wurde er bei Fragen zu seinen Plänen. Will er etwa selbst Präsident der Ukraine werden? Die Frage wurde ihm im stark belegten Vortragsraum mehrfach gestellt, er sagte weder nein noch ja.

Über seine Kontakte zu polnischen Politikern gibt sich Saakaschwili bei der Zusammenkunft mit der Ukraine jedoch eher zugeknöpft. Er habe nur eine Sejm-Abgeordnete gesprochen, so der Politiker auf die Frage des Autors dieser Zeilen, räumte dann aber ein, sich auch mit dem polnischen Außenminister Witold Waszczykowski unterhalten zu haben. "Wir haben geplaudert" erklärte er.

Nach seinem Vortrag und der Beantwortung vieler Fragen nimmt sich der Politiker viel Zeit für Selfie-Wünsche und quetscht sich schließlich in einen bescheidenen Ford Focus hinein und fährt davon. "Er hat es geschafft, die Korruption in Georgien zu beseitigen, dann schafft er das auch in der Ukraine", meint eine junge Frau, die zum Euromajdan Warschau gehört. Poroschenko ist für die junge Frau, die zum "Euromajdan Warschau" gehört, austauschbar, ein Teil des alten Systems.

Wie es mit Saaskaschwili weiter geht, ist noch offen. Die ukrainische Führung muss sich aber bald entscheiden, wie sie mit dem eigenwilligen Polit-Kämpfer umgeht, wenn er dann irgendwann in Kiew landet und möglicherweise zuvor mit seinem rauen Charme viele europäische Politiker für sich eingenommen hat. Mittlerweile ist er erst einmal in Litauen gelandet.