Sabotage Nord-Stream-Pipelines: Schweden kurz vor Aufklärung

Leiter der Ermittlungen spricht von wichtigen Fortschritten. Ziel: Anklageerhebung im Herbst. Politikum ist die deutsche Andromeda-Spur. Schweden geht von einem staatlichen Akteur aus.

Aus Schweden kommt die Ankündigung, dass sich die Ermittlungen ihrem Ende nähern. Bis zum Herbst dieses Jahres könnte eine Anklage im Fall der Sprengungen an drei der vier Nord-Stream-Pipelines im September 2022 vorgelegt werden.

Das sei das Ziel, so wie die Dinge jetzt stünden, sagte der Leiter der schwedischen Ermittlungen, Staatsanwalt Mats Ljungqvist, gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Radiosender Sverigesradio, (SR).

Man mache Fortschritte und werde die Verantwortlichen der Sabotage ausfindig machen, wird Ljungqvuist in einem englischsprachigen Kurz-Beitrag zitiert. Eindeutig Aufhellendes zum obskuren Polit-Thriller, der die Öffentlichkeit mit Spins und Spuren in unterschiedlichste Richtungen beschäftigt und irritiert, wollte der schwedische Ermittlungschef nicht vorab preisgeben.

Zum bisherigen Ermittlungsstand wird in dem Kurz-Beitrag lediglich erwähnt, dass die Zusammensetzung des zu den Sprengungen benutzten Pulvers zu gewissen Schlüssen geführt habe. Wie diese lauten, wird nicht verraten.

Zusammenarbeit mit deutschen Ermittlern

Vor allem nicht, ob die Pulverspuren mit den Sprengstoffspuren übereinstimmen, die laut Berichten vom März dieses Jahres, etwa im Spiegel, an Bord der Segeljacht Andromeda gefunden wurden. Investigativ-Berichte zur "Andromeda-Spur" beziehen sich maßgeblich auf deutsche Ermittler.

Man arbeite mit den deutschen Ermittlern zusammen und habe sich mit ihnen getroffen, so Ljungqvist, ohne auch hier etwas über den Austausch von Informationen zu verraten.

Der SR-Kurzbeitrag bekräftigt, dass der schwedische Ermittlungschef an seiner Hypothese festhält, wonach ein Staat für die Sabotage verantwortlich sei. Die bisherigen Ermittlungen hätten diesen Ansatz bekräftigt. Namen von Verdächtigen werden selbstverständlich nicht genannt. Das Thema ist im Kontext des Ukrainekriegs politisch sehr heikel (siehe auch: Nord-Stream-Pipelines: CIA warnte Ukraine vor Anschlagsplänen).

Dass ein Staat hinter der Sabotage stehe, sei ganz klar das Szenario, das sich am deutlichsten abzeichne, hatte Ljungqvist im April der Nachrichtenagentur Reuters gegenüber geäußert. Schon kurz nach dem Anschlag, Anfang Oktober 2022 gingen schwedische Behörden davon aus, dass "schwere Sabotage" die Ursache für die Lecks in den Nord-Stream-Pipelines sein könnten.

Den aktuellen Stand der Ermittlungen wollte der Staatsanwalt Reuters gegenüber nicht kommentieren.

"Wir wissen ziemlich genau, was passiert ist"

Mats Ljungqvist hat auch an einer 29-minütigen Sendung des öffentlich-rechtlichen schwedischen Radios teilgenommen, die mit dem Titel: "Das Spiel um die Wahrheit hinter den Nord Stream-Explosionen" (übersetzt von DeepL) im Format "Gräns" (Grenze) lief. Bei Gräns geht es um "Sicherheitspolitik und die Machtspiele, die hinter den Kulissen stattfinden".

Dort hat der Staatsanwalt angeblich ein paar weitere Andeutungen gemacht. Das "angeblich" bezieht sich auf eine Inhaltsangabe, die auf Twitter unter dem anonymisierten Namen "Markus Jonsson mastodon.world/@auonsson" wiedergegeben werden.

Demnach hat der Ermittlungsleiter dort grundsätzlich die gleiche Hauptaussage zum Erkenntnisstand gemacht wie im genannten Kurzinterview, allerdings – und das ist schon eine bemerkenswerte Nuance –, mit einer anders dokumentierten Gewissheit:

Wir wissen ziemlich genau, was passiert ist, wie es gemacht wurde, welche Ausrüstung und welche Art von großem Schiff das voraussetzt. Sprengstoffe sind einzigartig. Wir können einige Spuren schließen und andere Spuren bestätigen. Die Hypothese, dass ein staatlicher Akteur beteiligt war, erhärtet sich.

Übersetzt aus dem Englischen

Weiter wird der Staatsanwalt auf dem Twitteraccount mit der Aussage aus der Radiosendung zitiert: "Basierend auf dem Wissen, wie dieser Angriff stattgefunden haben sollte, sagt dies auch etwas darüber aus, wie die Ausrüstung ausgesehen haben könnte. Das heißt, welche Art von Ausrüstung, Schiffen usw. für die Durchführung dieses Angriffs benötigt wurde." (Aus dem Schwedischen von DeepL.)

Ljungqvist lässt sich auch in dieser Sendung nicht dazu verleiten, sich in verbindlichen Äußerungen von der Andromeda-Spur zu distanzieren, die in Investigativ-Berichten (z.B. hier) hierzulande als heiße Spur der deutschen Ermittler erscheint. "Ich möchte mich auch nicht zu den deutschen Ermittlungen äußern. Aus verschiedenen Gründen."

Andeutungen und Seegang

Aber er legt sachte ein paar Spuren, zumindest wenn es nach dem oder der Twitter-Zuhörer(in) geht. Die Wortwahl Ljungqvists in der Sendung und sein Ausweichen vor bestimmten Fragen, besonders wenn es um die deutschen Ermittlungen gehe, seien "aufschlussreich".

So verwende Ljungquist auffällig das schwedische Wort "fartyg" (wörtlich "Schiff"), was bei einer Bildersuche auf Google Resultate vor die Augen stellt, die eine andere Größe und Kaliber haben als die Segeljacht Andromeda.

Dass diese Auslegung auf keinem festen Boden steht, ist offensichtlich. Also wird nachgeschoben: Der Seegang in der Ostsee zur Zeit der Sprengungen mache das Hantieren mit Sprengstoffen auf einer Segeljacht wie der Andromeda unmöglich, wird in einem längeren Thread mit anschaulichem Videomaterial dargelegt.

Mit dieser Argumentation steht die oder der anonyme Twitterposter(in) nicht alleine. Auch das ZDF hatte schon Anfang März auf solche Schwierigkeiten hingewiesen.