Saddam ist nicht einer, sondern viele
Der irakische Diktator soll Doppelgänger zur Täuschung verwenden, was zu allerhand Spekulationen im Medienzeitalter einlädt
Menschen, die die US-Regierung aufs Korn nehmen, scheinen dazu prädestiniert zu sein, Klons oder Doubles zu haben. Zumindest scheint diese Meinung die Medien zu fesseln. War es im Afghanistan-Krieg Usama bin Laden, der sich in Form zahlreicher Doppelgänger und stets auf der Achse dem Zugriff entziehen wollte, so weiß man jetzt angeblich auch nicht, wen man hat, wenn man Saddam sieht oder gar ergreift.
Seiner Zeit ging das Gerücht um, dass auch Bin Laden nach dem Vorbild von Saddam einige Doppelgänger engagiert habe, die kreuz und quer in Toyotas durch Afghanistan gefahren sind, um die Verfolger zu verwirren (Die Fusseligen Vier). Gefunden hat man bislang weder Bin Laden selbst noch einen seiner Doppelgänger. Das könnte ein schlechtes Omen sein.
Schließlich heißt es, beispielsweise kürzlich in der International Herald Tribune, dass Saddam Hussein, der eine Vielzahl von Anschlägen und Revolten überstanden hat, zur Tarnung seines Aufenthaltsortes Doubles einsetzt. Das aber soll nur eine seiner komplizierten Sicherheitsvorkehrungen sein, die schon ein wenig an 1001 Nacht erinnern. Natürlich ist er gut beschützt durch seine Spezialeinheiten, er soll aber auch jede Nacht woanders schlafen und manchmal nachts den Aufenthaltsort überraschend wechseln. Seine Wege und Termine würden keinem Muster folgen. Alles, was ihm nahe kommt wie Menschen oder Lebensmittel, soll auf Gift, Waffen und andere Überraschungen überprüft werden - selbst die Socken müssen Besucher zur Kontrolle angeblich ausziehen..
Ob ihm all das etwas nutzen würde, wenn der Irak mit Satelliten, Aufklärungsflugzeugen und Drohnen, die eine hohe Bildauflösung besitzen und einzelne Fahrzeuge oder Menschen verfolgen können, Tag und Nacht beobachtet wird, ist fraglich. Es heißt allerdings auch, dass Saddam unterirdisch in einem Netzwerk von Tunneln und Bunkern von einem Ort zum anderen gelangen soll. Angeblich würde er sich schon im Untergrund aufhalten. Ja, und dann sind da noch die Doppelgänger.
Ja, und dann sind da noch die Doppelgänger. Die wandern und reisen nicht nur durch den Irak, wie man sagt, sondern treten auch als Verkörperung des Vorbilds auf, wenn Saddam im Fernsehen erscheint, Ansprachen hält, Sitzungen leitet oder sonst irgendwo öffentlich auftritt.
Lebt Hussein schon gar nicht mehr und ist alles Schein?
Die kanadische Zeitung The Globe and Mail hat beispielsweise im Iran wieder einmal Exil-Iraker und Arzt gefunden, der angeblich Experte in der Saddam-Erkennung sein soll. Er will nach langjährigen Studien beispielsweise anhand der Ohren mit "wissenschaftlicher Sicherheit" ausgemacht haben, dass Hussein in willkürlicher Reihenfolge mindestens drei Doubles auftreten lässt.
Doch der Iraker weiß noch mehr, nämlich dass seiner Erkenntnissen nach der böse Widersacher von Bush schon längst nicht mehr lebt - und das mitten in der globalen Informationsgesellschaft. Er soll nach "geheimen Dokumenten" nämlich schon 1998 an Krebs gestorben sein. Aber wie auch immer, wenn Hussein in der Öffentlichkeit oder in den Medien wie zuletzt im Interview mit dem CBS-Journalisten Dan Rather auftrete, dann sei dies nicht Hussein. Der irakische Saddam-Experte scheint da ganz sicher zu sein, denn die Hand, die der Hussein-Klon Dan Rather zum Abschiedsgruß gegeben habe, sei eine Lebenslinie auf dem Ballen abgegangen.
Von Originalen, Absenzen und Wiedergängern
Aber es gibt auch Wissenschaftler, die davon überzeugt sind, dass Hussein nicht einer ist, sondern viele. Dazu muss man auch dem Morgenland ins Abendland und auch noch Deutschland zurück. Da gibt es den Rechtsmediziner Dieter Buhmann, der an der Universität des Saarlandes lehrt, hat nämlich im Auftrag des ZDF im letzten September angeblich den weltweit Aufsehen erregenden Beweis für die Doppelgänger des Diktators erbracht, indem er 450 ZDF-Archivbilder einer computergestützten Analyse unterzogen hat, wobei zwei Bilder übereinander legt und markante Stellen des Referenzbildes markiert und in das zu überprüfende Bild einfügt.
Fraglich mag da schon erscheinen, wie das "erwiesenermaßen echte" Foto denn bei all dem Doppelgängerschlamassel identifiziert werden kann. Für die Echtheit eines Fotos bürgte, wie auch immer, das ZDF mit einem Bild aus dem Jahr 1990. Gleichwohl, auch wenn es kein nachweisbares Original, sondern nur deutlich zu unterscheidende Fälschungen oder Reproduktionen geben würde, wäre immer klar, dass es viele Husseins gibt (wenn man ganz in dekonstruktivistische Abwege geraten will).
Buhmann untersuchte nicht nur Bilder vom Gesicht des Bösewichts, sondern beispielsweise auch von den Händen, die aber aus derselben Perspektive aufgenommen sein müssen und in denen der Abgebildete dieselbe Körperhaltung eingenommen hat. Bei Merkmalen wie Leberflecken, Augenbrauen oder Ohrläppchen mahnt Buhmann zur Vorsicht, da die "kosmetische und plastische Chirurgie so einiges" vermag. Beim Gesicht wäre da sicherlich noch einiges für Entschlossene und entsprechend Geld mehr denkbar.
Damals aber will auch Buhmann festgestellt haben, dass just seit 1998 nur noch falsche Husseins die echten Staatsgäste begrüßt hatte. Erst am 21. September 2002 sei er wieder im irakischen Fernsehen aufgetreten, als ob er gewusst hätte, was da im fernen Deutschland ausgeheckt wird. Natürlich könnte man sich auch vorstellen, dass der angeblich echte Hussein eine Fälschung gewesen war, so dass er zwischendurch sehr wohl sich gezeigt haben könnte. Noch perfider wäre der Gedanke, dass Saddam zunächst die Klons durch Angleichung an ihn herangezogen hat und irgendwann - vielleicht 1998 während der sich zuspitzenden Krise, die dann im Dezember mit Desert Fox zum Bombardement führte - sich selbst chirurgisch zu einer Fälschung verändern hat lassen.
Wenn dann die Hussein-Jäger keine authentische DNA-Probe des Diktators - sollte er jemals einzeln aufgetreten sein und beispielsweise Rumsfeld 1983 die Hand geschüttelt haben - besitzen, sieht es düster aus. Allerdings gibt es ja noch die Kinder des Diktators. Aber ob die echt sind? Vielleicht hat Saddam ja auch seine Doubles gefälschte Klons erzeugen lassen oder einfach andere Kinder übernommen, um die genetischen Spuren zu verwischen. Zuzutrauen ist dem von der US-Regierung als Meister der Fälschung und Irreführung gewürdigtem Herrscher im Reich des Lug und Trugs so einiges - nicht nur bei Massenvernichtungswaffen.
Saddam ist prädestiniert zum spurlosen Verschwinden oder zur Wiederauferstehung
Seit diesem spektakulären wissenschaftlichen Beweis, der das Abendland mit dem Morgenland verbindet, muss man jedenfalls davon ausgehen, dass Hussein nicht nur einmal existiert - oder dass die Bildanalyse ebenso ihre Tücken hat wie beispielsweise Gesichtserkennungs-Programme für Überwachungskameras. Für die Saddam-Fänger könnte die Vielzahl der Diktatoren Fluch und Segen zugleich sein. Sie können immer sagen, dass der eine, den sie getötet oder gefangen haben, Saddam sei. Möglicherweise aber wissen sie nie, wen sie getötet haben oder vors Militärgericht stellen. Und sowohl der falsche als auch der echte Saddam könnte stets sagen, dass er der falsche sei, der nur gezwungen worden sei, einen Double zu spielen.
Auch die aufgebrachten irakischen Verfolger, die auf die Jagd nach Hussein gehen - ob es auf den auch 25 Millionen Dollar Preisgeld geben wird? -, werden sich ohne die computergestützte Bildanalyse des deutschen Wissenschaftlers schwer tun, die richtigen von den falschen Diktatoren zu unterscheiden. Das könnte die Lage gefährlich aufheizen, denn unter jeder Maske könnte Saddam oder einer seiner Söhne stecken.
Vielleicht aber sieht der richtige Hussein ja auch schon ganz anders aus und ist ebenso wie seine engsten Familienangehörigen schon längst im Ausland verschwunden, vielleicht mit falschem Pass bereits in die USA eingewandert? Und das Hussein-Regime, das die USA unmittelbar mit den ebenso schwierig nachzuweisenden Massenvernichtungswaffen bedroht, ist nur ein Potemkinsches Dorf, das von Doppelgängern regiert wird. Ob sich solche Märchen aus dem Morgenland und der Wiege der Kultur, die perfekt ins Medienzeitalter passen würden, aber tatsächlich geschehen, müssen wir der Geschichte überlassen. Seltsam aber ist schon, dass sich der vorhergehende Oberbösewicht Bin Laden trotz wiederholter Medienauftritte in Luft aufgelöst zu haben scheint. Aber vielleicht waren das ja auch alles Doubles. Seltsam ist nur, dass Saddam nicht einen seiner Doubles ins Exil schickt ...