Salafisten, Wohltäter oder Terrorfinanzierer?
Fall Ansaar International e.V.: Das Bundesinnenministerium hat eine eindeutige Antwort gefunden. Seehofer erlässt ein Verbot des Vereins, begleitet von einer bundesweiten Großrazzia
Wer sich mit Ansaar International e.V. beschäftigt hat, der weiß, dass dies ein Paukenschlag ist. Bundesinnenminister Seehofer hat heute den Verein sowie dazu gehörige Teilorganisationen verboten. Grund: Terrorfinanzierung.
"Die Vereinigung Ansaar International e.V. richtet sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung, die verfassungsmäßige Ordnung und verfolgt gegen die Strafgesetze gerichtete Zwecke und Tätigkeiten. Ansaar und ihre Teilorganisationen nutzen ein Geflecht aus Vereinen und Einzelpersonen, um Spenden zu generieren. Diese werden entgegen eigener Angaben nicht nur für humanitäre Zwecke, sondern insbesondere zur Unterstützung terroristischer Organisationen wie Jabhat al-Nusra, Hamas sowie Al-Shabab verwendet. Ansaar betreibt weiterhin aktiv salafistische Missionierung und verbreitet islamistisch-extremistische Inhalte." (Bundesinnenministerium, 05.05. 2021)
Flankiert wird das Vereinsverbot einer bundesweiten Großrazzia seit den frühen Morgenstunden. In Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein finden Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen statt, so die Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums: "Bundesweit sind mehr als 1.000 Beamtinnen und Beamte in 10 Ländern im Einsatz. Bislang wurden etwa 150.000 EUR Bargeld beschlagnahmt."
Es geht, wie an der Liste unschwer zu erkennen, um ein ganzes Netzwerk. Als Teilorganisationen, die das Verbot betrifft, werden aufgeführt: WWR-Help. WorldWide Resistance-Help e.V., Aktion Ansar Deutschland e.V., Somalisches Komitee Information und Beratung in Darmstadt und Umgebung e.V. (SKIB), Frauenrechte ANS.Justice e.V., Änis Ben-Hatira Help e.V./Änis Ben-Hatira Foundation, Ummashop, Helpstore Secondhand UG sowie Better World Appeal e.V..
Wer den Terror bekämpfen will, muss seine Geldquellen austrocknen. Ansaar International e.V. und seine Teilorganisationen in Deutschland sind seit heute verboten und werden aufgelöst. Sie verbreiten ein salafistisches Weltbild und finanzieren unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe weltweit den Terror. Wer angeblich Spenden für einen guten Zweck sammelt, dann aber Terroristen finanziert, kann sich nicht hinter unserem Vereinsrecht verstecken. Unsere Sicherheitsbehörden sind hochwachsam und auf keinem Auge blind."
Bundesinnenministerium, 05.05. 2021
Seehofers Paukenschlag
Ein Paukenschlag ist das Verbot, weil sich Ansaar International bisher stets vehement und gerichtlich gegen Anschuldigungen gewehrt hat, die die Organisation in Zusammenhang mit terroristischen Vereinigungen gebracht haben. Das hatte nicht nur das Innenministerium in NRW schon erfahren, als Ansaar International - erfolglos - vor dem Verwaltungsgericht in Düsseldorf gegen die Bezeichnung "extremistisch-salafistische Bestrebung" im Verfassungsschutzbericht des Landes klagte.
Dass Ansaar International mit anwaltschaftlicher Unterstützung auf ihre eigene Sichtweise pochte und sich gegen Berichte verwehrte, die sie in einen verdächtigen Zusammenhang mit der Hamas oder mit dschihadistischen Gruppen in Syrien rückten, mussten auch Medien zur Kenntnis nehmen, darunter auch Telepolis. Bemerkenswert ist, dass der Verein in Streitfällen von einem in Deutschland sehr bekannten Anwaltsbüro vertreten wurde, dessen Leiter bei der CDU ist und bei der "Werteunion" eine auffallende Rolle einnahm.
"Salafistische Missionierung" und "Verbreitung islamistisch-extremistischer Inhalte"
Innenminister Seehofer (CSU) kennt die Hintergründe. Es erscheint nach dieser Vorgeschichte wenig wahrscheinlich, dass Seehofers Ministerium "einfach so" ein Verbot mit diesem Aufwand durchführt - mit einem Vorwurf, den Ansaar immer wieder bestreitet: Dass der Verein Spendengelder, "nicht nur für humanitäre Zwecke, sondern insbesondere zur Unterstützung terroristischer Organisationen wie Jabhat al-Nusra, Hamas sowie Al-Shabab verwendet. Ansaar betreibt weiterhin aktiv salafistische Missionierung und verbreitet islamistisch-extremistische Inhalte" (Bundesinnenministerium).
Spuren und Hinweise darauf hat es schon immer gegeben, aber sie reichten nicht für ein Verbot. "Wenn man sich die Mitarbeiter und das Umfeld von Ansaar vor allem in den sozialen Medien ansieht, dann muss man zu dem Schluss kommen, dass es sich hier um das extremistische Milieu handelt", wird etwa Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann-Marschall, "die Ansaar seit Jahren beobachtet", vom Nordkurier zitiert: "Zwar habe sich in den vergangenen Jahren das Marketing des Vereins verbessert, die Haltung selbst habe sich aber nicht geändert."
"Wohltäter oder Salafisten?", heißt der Artikel vom Januar 2020 und er stellt einige Fragen zum Hintergrund des Vereins. Dabei kommt auch Ansaar-Chef Kayser zu Wort, der alle Vorwürfe bestreitet ("Was sind überhaupt Salafisten?") und sich diskriminiert fühlt. Augenscheinlich hat das Innenministerium nun für seinen Verein eine eindeutige Antwort gefunden.