Sanktionen in einer globalisierten Welt

Seite 2: Russische Gegensanktionen

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Auf die Wirtschaftssanktionen der EU und der USA, denen sich auch Kanada, Australien und Norwegen anschlossen, reagierte Moskau am 6. August mit eigenen Sanktionen: Im Gegensatz zu den Exportsanktionen des Westens hat das Land aber Importsanktionen verhängt und kommt seinen Liefer- und anderen Vertragsverpflichtungen bislang in vollem Umfange nach. Dies gilt sowohl für die Lieferung von Erdgas, Mineralöl und Mineralölprodukten wie Diesel/Heizöl als auch für Kraftwerks-Steinkohle. Auch im Bereich chemischer Zwischenprodukte, die in der EU nicht mehr produziert werden und aufgrund der geringen (aber kontinuierlichen) Bedarfsmengen nicht aus China bezogen werden können, ist Russland ein wichtiger und zuverlässiger Vertragspartner.

Bereits in der Vergangenheit waren die russischen Behörden wenig zimperlich, wenn es darum ging, bestimmte Produkte vom russischen Markt zu verbannen. So wurde vor einigen Monaten der Import von Schweinen und Schweinefleisch aus der EU verboten, wogegen die EU ein Schiedsgerichtsverfahren vor der WTO angestrengt hat. Kürzlich fand sich auch Unterwäsche mit einem Baumwollanteil unter 6 % auf der Liste der verbotenen Importprodukte. Derartige Sanktionen können offensichtlich auch rückwirkend verhängt und ein Verstoß geahndet werden.

Ein Vorteil der Importsanktionen liegt darin, dass sie schnell geändert werden können, falls sich auf dem Markt ein Bedarf nach Importprodukten zeigt, der von inländischen Herstellern nicht bedient werden kann. So wurden inzwischen Lebensmittel für Diabetiker und Allergiker ebenso von der Sanktionsliste gestrichen wie Lachsbrut.

Auswirkungen auf die Lebensmittelbranche

Massiv betroffen von den Importrestriktionen sind in der EU Anbieter von frischem Obst und Gemüse, von denen für viele gerade Erntesaison ist. Hier haben sich Griechen und Polen ziemlich schnell als Betroffene gemeldet und können im Falle von leicht verderblichen Obst- und Gemüsesorten auf Schadensersatzzahlungen aus einem 125 Millionen Euro großen EU-Hilfebudgets hoffen.

Den Milchmarkt will der Brüsseler Agrarkommissar Dacian Ciolos durch eine auf drei bis sechs Monate befristete Übernahme der Lagerkosten für Käse, Milchpulver oder Butter stützen, was vor allem den finnischen und baltischen Käseherstellern nützt.

Der niederländische Milchkonzern CampinaFriesland, der auch in Deutschland zu den großen Milchverarbeitern gehört, hat die Produktion von Käse für Russland eingestellt und produziert dafür mehr Milchpulver, das man im Gegensatz zu Käseprodukten auch in Fernost absetzen kann. Zudem ist Milchpulver länger lagerfähig als Milch oder Käse. Gleichzeitig hat man angekündigt, die Erzeugerpreise für die Milchbauern zu senken.

Da auch andere Milchverarbeiter kurzfristig auf diese Lösung setzen werden, ist mit einer Überproduktion zu rechnen, die dann in neue Märkte drängt, wo sie im Zweifelsfalle lokale Produzenten verdrängt. Mit der Liberalisierung des Milchmarktes ab 2015 ist damit zu rechnen, dass sich der Preisdruck weiter verschärft, weil dann noch mehr Milch produziert wird und der russische Markt als Abnehmer ausfällt.

In welchem Umfang die großen Agrarhandelskonzerne wie Bunge (Deli Reform), Archer Daniels Midland (ADM) und Cargill finanzielle Einbußen erleiden und ob diese Unternehmen Schadensersatzforderungen stellen wollen, ist derzeit nicht bekannt. Es ist jedoch anzunehmen, dass diese multinational aufgestellten Konzerne ihren Warenfluss jetzt so organisieren, dass die für Russland bestimmte Ware nicht aus sanktionierten Ländern stammt. Da es sich hier zumeist um generische Produkte handelt, dürften diese Unternehmen vergleichsweise glimpflich davonkommen. Anders wird die Sache bei den Markeanrtiklern der Nahrungsmittelbranche aussehen. Nestle, Danone und Unilever, die in Russland einen beträchtlichen Marketingaufwand betrieben, können nur dann auf dem Markt präsent bleiben, wenn sie über eine weitgehend selbständige russische Lieferkette verfügen.

Umgehungsmöglichkeiten

Im Berliner Landwirtschaftsministerium geht man bislang davon aus, dass Russland sich nur zu 60 % mit Nahrungsmitteln selbst versorgen könne und die verbleibenden 40 % zukaufen muss. Länder wie Serbien und Weißrussland sollen derzeit angeblich daran interessiert sein, den russischen Importstopp zu umgehen und Nahrungsmittel aus westlichen Ländern als Zwischenhändler zu verkaufen. Dies könnte durch das Umlabeln westlicher Lebensmittel als eigene Produkte geschehen. Wie lange dies jedoch mit Bananen und Zitrusfrüchten aus Minsk erfolgreich funktioniert, ist fraglich.

Ein Ausnahmefall im europäischen Sanktionsgeschehen ist die Schweiz, die bislang von den russischen Vergeltungsmaßnahmen ausgenommen ist, weil sie sich nicht an den westlichen Sanktionen gegen Russland beteiligt, sondern nur die aktive Umgehung der von der EU verhängten Sanktionen verbietet. Der zugesicherte Ausschluss von Umgehungen hat inzwischen dazu geführt, dass in der Schweiz für den Handel mit Russland zusätzliche Meldepflichten und Genehmigungsverfahren eingeführt wurden, die sicherstellen sollen, dass kein zusätzliches Geschäft über die Schweiz abgewickelt wird.

Versuche, das russische Embargo durch eine Kennzeichnung mit der missbräuchlichen Herkunftsbezeichnung "Made in Switzerland" zu umgehen, sind gescheitert, da die Schweiz dies nicht zulässt. Da die schweizerische Herkunftsbezeichnung aufgrund ein 2011 in Kraft getretenes Abkommen über den Schutz der geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen auch in der Russischen Föderation geschützt ist, ist auch eine unerlaubte Kennzeichnung mit der Herkunft "Swiss made" kein legaler Weg, das russische Embargo zu umgehen.

Ein einfacher und legaler Weg, Ersatz für die bisher aus der EU gelieferten Waren zu finden, ist die Suche nach neuen Lieferanten. Zu diesen zählen die Türkei, China, Iran, Marokko, Israel, Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und andere Länder Lateinamerikas. Auch Neuseeland, das im Gegensatz zu Australien von den Sanktionen nicht betroffen ist, kann in Zukunft verstärkt landwirtschaftliche Produkte in die russische Föderation liefern. Die EU-Kommission hat inzwischen große Exporteure wie Brasilien und China davor gewarnt, als Lückenfüller einzuspringen.

Weitere wirtschaftliche Auswirkungen

Die Verunsicherungen im Verhältnis zwischen Russland und dem Westen hat nach Aussage der Germany Trade & Invest (GTAI) inzwischen zu einem dramatischen Rückgang russischer Direktinvestitionen in Deutschland geführt. Im Gesamtjahr 2013 hätten russische Investoren noch elf neue Projekte angeschoben - von der Produktion über den Vertrieb bis hin zu Forschung und Entwicklung. 2012 waren es sogar 13. Mit über drei Milliarden Euro ist der Bestand russischer Direktinvestitionen in Deutschland der GTAI zufolge mehr als doppelt so groß ist wie die stärker beachteten Investitionen aus China.

Wenn jetzt in Europa von weiteren westlichen Exportsanktionen gesprochen wird, sollte man außerdem davon ausgehen, dass auch Russland seine Importsperren verschärfen kann. Auf der nächsten schon vorbereiteten Sanktionsliste stehen offensichtlich Produkte aus dem Maschinenbau und aus der Automobilindustrie.

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