Saudi-Arabien: Katastrophale Fehler bei der Zielgebung im Jemen
Ein Luftangriff massakriert Gefangene der Hadi-Regierung, für die das Königreich kämpft. Die Emirate vereiteln einen Angriff zur Wiedererlangung der Kontrolle in Aden. Sie gehen auch in Syrien einen eigenen Kurs
Der Empfänger großer Waffenlieferungen aus westlichen Rüstungsunternehmen - Saudi-Arabien - veranschaulichte am gestrigen Sonntag aufs Neue, wie die Kriegswaffen zum Einsatz kommen. Die Koalition unter Führung des Königreichs bombardierte ein Gefängnis. Nach aktuellen Berichten starben 130 Menschen. "Diesen gewaltigen Schaden zu sehen, die Leichen zwischen den Trümmern, war ein richtiger Schock", wird Franz Rauchenstein zitiert, der Leiter der Rot-Kreuz-Delegation im Jemen, der den Angriffsort in Dhamar besichtigte.
Bei der Bestandsaufnahme des Grauens stellte sich eine weitere furchtbare Dimension heraus. Die saudische Waffenkriegsbündnis hatte das Massaker gegen Personen angerichtet, die dem Lager angehören, für dessen Seite man kämpft. Es waren von Hutis gefangen genommene Regierungskämpfer.
Der saudi-arabische Sprecher der Koalition, Turki bin Saleh Al-Malki, hatte das Ziel des Angriffes zuvor als "legitim" bezeichnet, da es sich seinen Angaben nach um ein "militärisches Gebäude" handele. Man ging laut dem Sprecher davon aus, dass es "in Wirklichkeit" ein Waffenlager war. Die Hutis seien dafür bekannt, dass sie solche Einrichtung tarnen, etwa mit der Behauptung, dass es sich um ein geheimes Gefängnis handelt.
Diese "Taktik der Hutis" und nicht der Angriff, stellt in dieser Darstellung die Verletzung der Regelung von bewaffneten Auseinandersetzungen dar. Auch sei das Gebäude nicht auf einer no-strike list der UN registriert worden.
Bemerkenswert ist, dass diese Aussage vom britischen Guardian wiedergegeben wird und sich auch in anderen englisch-sprachigen Medien findet, nicht aber in der englisch-sprachigen Ausgabe der Arab News. Auf der Webseite von Arab News, die eng mit der Regierung verbunden ist, findet sich heute Vormittag keine Nachricht zu dem verheerenden Angriff.
"Beunruhigende Zielgebung" (Obama)
Bereits 2016 hatte ein saudischer Luftangriff einem Gefängnis der Hutis in der Hafenstadt Hodeida gegolten. Damals wurden 58 Menschen getötet. Die Begründung der Saudis lautete, dass es sich in Wahrheit um ein Kommandozentrum der Hutis handelte.
Zur Erinnerung: Im Dezember 2016 hatte der Vorgänger Trumps im Amt des US-Präsidenten, Barack Obama, die Auslieferung der Präzisions-Kits für Bomben von der Firma Raytheon an Saudi-Arabien gestoppt, da der saudische Militäreinsatz im Jemen auffallend viele Opfer forderte. Das begründete er damit, dass die Zielgebung der Saudis voller Fehler stecke und beunruhigend sei.
Nun hat Obama, um hier keine Missdeutungen entstehen zu lassen, den Krieg im Jemen, der enormes Leid verursacht, nicht gestoppt. Die Maßnahme wurde damals als "soft" eingestuft. Obama hatte weder den politischen Willen und noch die Traute oder das Können, um sich gegen die Interessen des engen Verbündeten Saudi-Arabien zu behaupten.
Aber die damalige Beobachtung Obamas, die darauf hinausläuft, dass die saudische Kriegsführung von blindem Zuschlagen mit ultrateurem Kriegsgerät gekennzeichnet ist, hat nach wie vor ihre Gültigkeit. Das Ziel des jüngsten mörderischen Schlags verstärkt die Zweifel am geheimdienstlichen Durchblick der Saudis im Nachbarland (stellt sich die Frage, ob die Arbeit der saudischen Geheimdienste im Inland bei der Einschätzung von Oppositionellen genauso präzise ist).
Offensive auf Aden vereitelt
Das Gesamtbild der Lage im Jemen sieht derzeit nicht besonders erfolgsversprechend für das absolutistische Königreich mit den großen Ambitionen aus. Die jüngste Offensive der von Saudi-Arabien unterstützten Pro-Hadi-Truppen die Kontrolle über Aden wiederzuerlangen, wurde laut Berichten von Luftangriffen der Vereinigten Arabischen Emirate vereitelt. Die Pro-Hadi-Truppen mussten den Rückzug antreten.
Die VAE unterstützen den Südlichen Übergangsrat (Southern Transitional Council; STC) und die ihm angeschlossenen Milizen, damit stehen die beiden wichtigsten Golfstaaten im Jemen im Süden als Gegner gegenüber, das machte die Niederlage der von den Saudis unterstützten Pro-Hadi-Kämpfer erneut deutlich, auch wenn beide Länder zuletzt viel Wert auf die Erklärung legten, dass das Verhältnis zwischen Saudi-Arabien und den Emiraten so eng sei, dass nichts dazwischen passe. Anscheinend passt aber, was zum Beispiel den Süden Jemens angeht, eine ganze Menge dazwischen.
So etwa die Interessen der Separatisten im Süden, die sehr viel mit den Interessen der Emirate an Schiffs- und Handelsverbindungen zu tun haben, aber weniger mit den Interessen der Saudis an der Wiederherstellung der Macht Hadis, der in Saudi-Arabien im Exil lebt. Ob es gelingt, die Vertreter des STC an Gesprächen für eine friedliche Beilegung der Konflikte im Jemen zu beteiligen, ist eine der Fragen, mit dem sich Friedensinitiativen befassen müssen.
Schweden spielt hier eine wichtige Vermittlerrolle. Margot Wallstrom war dieser Tage für Gespräche in Jordanien. Bei den Verhandlungen in Stockholm im vergangenen Dezember zur Beilegung der Krise um die Hafenstadt Hodeida waren die Separatisten des südlichen Übergangsrates noch nicht auf dem Tableau.
Die Interessen der Emirate
Seit Januar ist das anders (Südjemenitische Separatisten erobern halb Aden). Seither gibt es Befürchtungen, dass sich ein neuer "Krieg im Krieg" entwickeln könnte. Zwar kämpfen die Milizen der Separatisten auch gegen Hutis, aber, wenn es um den Süden Jemens geht, so wollen sie sich nicht der Herrschaft Hadis anschließen. Sie fordern Eigenständigkeit.
Und auch die Emirate zeigen mit ihrer Unterstützung der Separatisten, dass ihr Kurs im Jemen nicht identisch ist mit dem Saudi-Arabiens (Vereinigte Arabische Emirate: Abweichler aus der Anti-Iran-Front?). Auch eine Meldung aus Syrien legt nahe, dass die Emirate auf Eigenständigkeit beharren.
Trotz der US-amerikanischen Warnungen, wonach jeder, der Geschäftsbeziehung mit Syrien eingeht, riskiere, mit Sanktionen geahndet zu werden, waren zahlreiche emiratische Unternehmer Gast bei einer Messe in Damaskus, wo es um größere Aufträge zum Wiederaufbau geht. Regionale Zusammenarbeit verspricht bessere Aussichten als Drohungen.
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