Schäubles Haushaltsentwurf: Stolz auf die schwarze Null

Keine neuen Schulden mehr - das verspricht die Bundesregierung für die aktuelle Wahlperiode

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Der Stolz ist Wolfgang Schäuble bei der Präsentation des Haushaltsentwurfs für das laufende Jahr deutlich anzumerken: Er hat es geschafft, zumindest auf dem Papier einen Bundeshaushalt zu entwerfen, der ohne neue Kredite auskommt. Ein ausgeglichener Haushalt ist seit vielen Jahren der unerreichte Traum eines jeden Finanzministers. Versprochen haben ihn schon viele, erreicht hat ihn zuletzt Franz Josef Strauß im Jahr 1969. Doch möglich wird das Erfolgsergebnis nur dank des bewährten Griffs in die Sozialkassen - und möglicherweise auf Kosten der Zukunft.

Sofort auf neue Schulden verzichten kann jedoch auch Schäuble nicht. Immerhin 6,5 Milliarden Euro neuer Kredite will der Finanzminister in diesem Jahr noch aufnehmen. Das sei die niedrigste Neuverschuldung seit 40 Jahren, lobt sich Schäuble, vor allem wenn man Sonderfaktoren wie die Zahlungen in den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) im Zuge der Euro-Rettung abrechne. Im vergangenen Jahr musste Wolfgang Schäuble noch 22,1 Milliarden Euro neue Kredite aufnehmen.

Erreicht werden soll dies durch eine Kombination von niedrigeren Ausgaben und höheren Einnahmen. Statt 307,8 Milliarden Euro wie im vergangenen Jahr will der Finanzminister nur noch 298,5 Milliarden Euro ausgeben, also rund neun Milliarden weniger. Die Steuereinnahmen sollen ebenfalls um rund neun Milliarden von 259,8 auf 268,9 Milliarden Euro ansteigen, wobei diese Steigerung nicht durch direkte Steuererhöhungen, sondern durch eine allgemein gute Konjunktur erreicht werden soll.

In dem Haushaltsentwurf schwingt also auch eine gute Portion Optimismus einer Bundesregierung mit, die jede Gelegenheit nutzt, um zu erklären, wie gut es den Deutschen eigentlich doch gehe. Dabei zeigt der Haushaltsentwurf jedoch auch, dass die Bundesregierung ihren eigenen vom Aufschwung für Alle selbst nicht so ganz traut: wie sonst ist es zu erklären, dass die Ausgaben für Arbeitslosengeld II und für Unterkunftskosten im Vergleich zum vorigen Haushaltsentwurf um 1,2 Milliarden nach oben korrigiert wurden.

Trick mit der Rente

Allein 3,5 Milliarden Euro will die Bundesregierung einsparen, indem sie den Zuschuss an die Gesetzlichen Krankenkassen absenkt. Dies sei angesichts der soliden finanziellen Situation der Krankenkassen angemessen.

Auch bei der Rente greift der Finanzminister zu einem Trick: die von der Union vehement geforderte Mütterrente soll einfach aus der Rentenkasse gezahlt werden, zusätzliche Haushaltsmittel stellt die Bundesregierung dafür nicht bereit. Eine dauerhafte Finanzierungsmöglichkeit ist das nicht, wenn dadurch nicht die Rentenbeiträge angehoben oder die Rentenkasse zusätzlich belastet werden soll. Die Lösung des Problems möchte Schäuble aber offenbar seinem Nachfolger überlassen.

Die Folge könnten steigende Beiträge für Kranken- und Rentenkassen sein.

Energiewende, Gesundheit, Verteidigung und Bildung

Da sich mit dem Regierungswechsel auch die Zuständigkeiten der einzelnen Ministerien und damit die Verteilung der Haushaltsmittel geändert hat, sind viele Zahlen nur schwer zu vergleichen. So waren bisher drei Ministerien mit der Energiewende beschäftigt: das Umwelt-, das Wirtschafts- und das Forschungsministerium. Künftig soll die Kompetenz für die Energiewende vor allem im Wirtschaftsministerium liegen, was auch eine Verschiebung der Mittel zur Folge hat. Der Haushalt des Wirtschafts- und Energieministeriums legt entsprechend um 21 Prozent zu.

Gekürzt wird hingegen beim Gesundheitsministerium, wo die Ausgaben um fast eine Milliarde auf gut 11 Milliarden Euro reduziert werden. Rund 400 Millionen Euro sollen beim Verteidigungshaushalt eingespart werden, er würde damit auf 32,8 Milliarden Euro sinken.

Steigen sollen die Ausgaben nach dem Willen der Bundesregierung bei einigen Bildungsprojekten. So soll mehr Geld für das BAföG zur Verfügung stehen, und auch die Mittel für das Deutschlandstipendium sollen aufgestockt werden. Letzteres zeigt, dass die SPD es schwer hat, ihre Positionen auch in der Großen Koalition erfolgreich zu vertreten.

Noch vor einem Jahr bezeichneten die Sozialdemokraten das umstrittene und nur schwach angenommene Programm als Flop und legten nahe, die Mittel stattdessen lieber beim BaföG zu verwenden. Dieses Ansinnen ist mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf jedoch begraben worden.

Die Doktrin des "konstanten Ausgabenniveaus" und Setzen auf Wachstum

Schäubles Sparstrategie besteht nicht in radikalen Kürzungen, deren Folgen auf den ersten Blick offensichtlich sind, sondern in der Doktrin eines "konstanten Ausgabenniveaus". Seit 2010, so erklärt der Minister, hätten sich die Ausgaben des Bundes nicht erhöht. Doch gleichbleibende Staatsausgaben bedeuten, dass sich die Möglichkeiten des Staates in dem Maße verringern, in dem auch die Kaufkraft nachlässt. Jeder Prozentpunkt Inflation schränkt den Staat weiter ein, was zwangsläufig auch zu Lasten wichtiger Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Soziales führen muss.

Zwar ist die Annahme, dass konstante Ausgaben bei allmählich steigenden Steuereinnahmen zu einem langsamen Rückgang der Neuverschuldung und schließlich auch des Schuldenstandes insgesamt führen, richtig, aber dies funktioniert nur unter zwei Bedingungen: die Wirtschaft müsste dafür Jahr für Jahr zulegen, mit steigenden Exporten und einer steigenden Binnennachfrage.

Ob die derzeitige wirtschaftliche Lage in Europa und der Welt ein solches dauerhaftes Wachstum hergibt, ist mehr als zweifelhaft - immerhin hat selbst die EU mittlerweile erkannt, dass Länder mit dauerhaften Exportüberschüssen wie die Bundesrepublik im Gegenzug bei ihren Handelspartnern wachsende Schuldenberge hinterlassen, so dass das Wachstum durch Exporte irgendwann zu einem Ende finden muss, da die finanziellen Spielräume der Handelspartner durch die negativen Handelsbilanzen stetig abnehmen.

Zum Zweiten setzt dies voraus, dass die Ausgaben nicht auf Kosten notwendiger Investitionen niedrig gehalten werden. Denn neben der Neuverschuldung durch Kredite können auch Schulden entstehen, wenn beispielsiweise die Infrastruktur zerfällt oder veraltet - und diese Gefahr spielt bei den Haushältern derzeit allenfalls eine Nebenrolle.