Schaufensterdemokratie in Griechenland

Seite 2: Die vierte Gewalt - Schaltzentrale der Oligarchen und der Regierenden

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Die Presse im Land ist zum überwiegenden Teil weiterhin parteigebunden. Premierminister Tsipras gab vor wenigen Tagen im Staatssender ERT3 ein Interview. Dem kritische Fragen vermeidendem Journalisten gegenüber erklärte er, dass er nicht wie Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis während des Interviews die gewünschten Fragen auf einem Papier herüberreichen würde. Schließlich, so Tsipras, sei die ERT3 nicht Skai TV.

Tatsächlich hatte während eines Radiointerviews bei Skai der Oppositionsführer dem der Nea Dimokratia mehr als nahe stehenden Journalisten Aris Portosalte ein Papier herübergereicht. Das Interview wurde von Skai in Bild und Ton über WebTV übertragen, so dass der Vorgang für alle erkennbar wurde. Tsipras jedoch verschwieg, dass sein Interviewpartner bei ERT3 ein ehemaliger Bürgermeisterkandidat von SYRIZA war.

Die Sendergruppe Skai steht jedoch auch wegen einem anderen, fast zur Staatsaffäre gewordenen Vorgang im Fokus. Vor dem Besuch des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Athen hatten beide Regierungen ausgemacht, dass die jeweiligen Regierungsspitzen den staatlichen Nachrichtenagenturen der Gegenseite ein Interview geben. Dieses sollte am Vortag des Besuchs im Fernsehen ausgestrahlt werden.

Tsipras stellte sich der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Erdogan hingegen trat beim Privatsender Skai auf. Dort erklärte er in einem unverfänglichen Satz, dass es Gesprächsbedarf hinsichtlich des seit 1923 geltenden Friedensvertrags von Lausanne gäbe. Der Journalist bohrte immer weiter nach, und legte dem türkischen Präsidenten die Zweifel an den Landesgrenzen nahezu in den Mund. Journalistisch gesehen hatte er einen Scoop. Auf diplomatischer Ebene gab es dagegen einen ernsten Affront, dessen Nachwirkungen bis heute anhalten.

Außenminister Nikos Kotzias sah darin einen Anlass, den gesamten Vorgang am vergangenen Donnerstag im Außenausschuss des Parlaments zu kommentieren. Er klärte die Ausschussmitglieder darüber auf, dass Skai in enger Zusammenarbeit mit einem türkischen Medienunternehmer die Reality-Serie Survivor sendet. In dieser Version des Dschungelcamps treten Prominente gegen "normale Bürger" an. Die Serie erzielt Top-Einschaltquoten. Der besagte Medienunternehmer gehöre, so Kotzias, zum Beraterstab Erdogans und habe diesen hinsichtlich des Interviews umgestimmt. Dies habe, so Kotzias, Erdogan selbst im Nachhinein bedauert.

Der Sender Skai stützt die Nea Dimokratia mehr oder weniger offen. Die Verantwortlichen gehen dabei so weit, in Infografiken so umzugestalten, dass 27, die Zahl der Straftaten in Exarchia im ersten Halbjahr 2017, größer erscheint als die 57 Übergriffe im ersten Halbjahr 2016.

Auch bei Wahlumfragen spielt Skai gern mit den Prozenten. Als im Januar 2015 To Potami favorisiert werden sollte, erschienen dessen 4,7 Prozent größer als die 4,8 Prozent der kommunistischen Partei. Der damals drei Prozent betragende Unterschied zwischen SYRIZA und der Nea Dimokratia wurde als fast marginal dargestellt.

Skai "leiht" sich auch gern fremden Content. Ob Fotografien, die in Nachrichtensendungen hinter der Schwiegertochter der Nea Dimokratia Politikerin Dora Bakoyianni minutenlang präsentiert werden, oder in anderen Fällen komplette Videos wie 2016. als die komplette Messe zu Mariä Himmelfahrt am 15. August auf der Pilgerinsel Tinos vom Stream des Staatssenders ERT "geliehen" wurde.

In diesen Fällen handelt der Sender natürlich im Interesse seiner Konsumenten. Es tut ihm leid - aber bezahlt wird nicht. Telepolis sind mehrere Fälle bekannt. Das von Skai benutzte Konterfei des Finanzministers Euklid Tsakalotos, das vom Fotografen Panagiotis Moschandreou stammt, wurde trotz nach der unlizenzierten Ausstrahlung geschickter Rechnung nicht bezahlt.

Selbstverständlich schließt sich Skai im Streit der Richter mit der Regierung der Parteilinie der Nea Dimokratia an. Recht und Ordnung sind wichtig für die Programmverantwortlichen - so lange es nicht um die Bezahlung von Raubkopien geht, möchte man als Kommentator gern anfügen.

Der Besitzer des Senders, Yannis Alafouzos, ein Reeder und Medienunternehmer gehört zu den Griechen, die in den Paradise Papers auftauchen. Er hat den Traditionsverein Panathinaikos FC in den Ruin gewirtschaftet, so dass diesem ein Zwangsabstieg ins Amateurlager droht. Trotzdem propagiert Skai weiterhin standhaft das Narrativ, dass Griechenlands Ruin von den hohen Unternehmenssteuern verursacht wird. Für das Loch im Staatshaushalt sind natürlich die Brötchen, die der Bäcker ohne Rechnung über die Theke gibt, hauptverantwortlich.

Hier versucht die Regierung gegenzusteuern. Sie möchte die Privatsender, die seit den Achtzigern des vergangenen Jahrhunderts mit "vorläufigen Versuchslizenzen" operieren, endlich zur Kasse bitten und hinsichtlich des Programms Mindestanforderungen stellen. Die 2016 dafür ausgetragene Auktion von Fernsehlizenzen scheiterte nachträglich an einem Gerichtsentscheid des Staatsrats.

Nun steht die nächste Auktion als Neuauflage an. Sieben landesweite Lizenzen sollen vergeben werden. Die Sender haben bereits damit begonnen, nach juristischen Gegenmitteln zu suchen. In einem anderen Punkt haben sie die Regierung bereits in die Knie gezwungen. Die Steuer auf Werbung, deren Begleichung die Sender mit Verweis auf die Finanzkrise bis jetzt standhaft verweigert hatten, wurde von zwanzig auf fünf Prozent gesenkt. Es ist neben den Unternehmenssteuern eine der wenigen Abgaben, deren Senkung im neuen Etat für 2018 von den 153 Regierungsabgeordneten am Dienstagabend beschlossen wurde.

Für das Volk, von dem laut Verfassung die Macht ausgeht, gab es dagegen erneut Rentenkürzungen, Steuererhöhungen, Abgabenerhöhungen und das Versprechen, dass im neuen Jahr alles besser wird.