"Schmerzwaffe" für Strafgefangene

Der US-Rüstungskonzern sucht für seine nichttödliche Mikrowellen-Waffe, die im Irak und in Afghanistan nicht eingesetzt wurde, neue Anwendungsgebiete

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Der Rüstungskonzern Raytheon scheint für seine seit 20 Jahren entwickelte "Schmerzwaffe" weiterhin nach Anwendungen zu suchen, nachdem sie das US-Militär weder im Irak noch in Afghanistan einsetzen wollte. Das hätte eigentlich nahegelegen, sollte man meinen, um zivile Opfer zu vermeiden, aber bei Angriffen auf Talibanstellungen oder einzelne Taliban- oder al-Qaida-Kommandeure würde man die Scherzwaffen ebenso wenig gebrauchen wie zur Abwehr von wirklichen oder vermeintlichen Angriffen.

Mit Mikrowellen, die knapp unter die Haut eindringen und einen angeblich nicht ertragbaren Hitzescherz verursachen, sollten einzelne Personen gezielt vertrieben oder aufgebrachte Menschenmengen kontrolliert werden, um Soldaten vor Übergriffen zu schützen, Gewalt zu deeskalieren und/oder keine tödlichen Waffen zu verwenden. Obgleich bei zahlreichen Tests mit hunderten Versuchspersonen, darunter auch Journalisten, höchstens Brandblasen aufgetreten seien und Raytheon das System als sicher präsentiert, zögerte man doch immer wieder, die Schmerzwaffe gegen Zivilisten einzusetzen. Vermutlich war man sich doch nicht ganz sicher, schließlich entstehen schwere Verbrennungen, wenn der Strahl für mehr als 2 Sekunden auf eine Stelle gerichtet ist, oder die Militärs vor Ort wollten sich letztlich doch lieber auf Schusswaffen verlassen.

Was zunächst unter dem Namen Active Denial System (ADS) als nichttödliche Waffe für das Pentagon entwickelt wurde und zunächst ein massives System von einer halben Tonne war, das nur auf einem Lastwagen transportiert werden konnte (Wie gefährlich ist die Mikrowellenwaffe ADS?), wurde im Lauf der Jahre um ein Drittel geschrumpft und auf dem Sicherheitsmarkt als Silent Guardian mit einer Reichweite von 500 m angeboten (US-Army will "Schmerzwaffe" kaufen).

Jetzt hat der Konzern eine weitere Einsatzmöglichkeit entdeckt und lässt die Schmerzwaffe, die weiterhin ein ziemliches Ungetüm mit einem Gewicht von 300 kg ist, in einem kalifornischen Gefängnis, der North County Correctional Facility des Pitchess Detention Center, testen. Allerdings sollen womöglich renitente Strafgefangene nun die Bekanntschaft mit der Schmerzwaffe machen, die hier unter dem Namen Assault Intervention System (AIS) präsentiert.

Der zuständige Sheriff will evaluieren, ob sich gewalttätige Angriffe von Insassen damit stoppen lassen. Um die Öffentlichkeit von der Ungefährlichkeit zu überzeugen, durften sich auch einige Freiwillige dem auf 3 Sekunden begrenzten Strahl aussetzen, der vom stellvertretenden Sheriff mit einem Joystick gesteuert wurde. Eine Person habe dem Strahl 1,8 Sekunden standhalten können. Mike Booen, der bei Raytheon für die Schmerzwaffe zuständig ist, kommentierte: "Es ist egal, ob es sich um die gemeinste und härteste Person der Welt handelt. Das wird seine Aufmerksamkeit finden." Das System, so versicherte er, sei "sehr, sehr sicher". Was es kostet und ob es vom Militär bereits eingesetzt wurde, wollte er aber nicht mitteilen. Auch die Forschung finde unter Geheimhaltung statt. Ziel aber sei es, eine tragbare Schmerzwaffe zu entwickeln. Die wäre dann auch vielseitig einzusetzen.