Schmutzige Profite: Wie der Siemens-Konzern eine Wasserkrise in den USA verschärfte
Seite 2: Ein kostspieliges Desaster
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Doch das Ganze endete in einem kostspieligen Desaster für die Stadt.
Der Deal brachte Siemens 94,5 Millionen Dollar ein. Die Stadtverwaltung von Jackson musste hingegen 200 Millionen Dollar inklusive Zinsen für die Kreditaufnahme aufbringen. Doch anstatt die Infrastruktur für die Wasserversorgung und das Abrechnungssystem zu stabilisieren oder gar zu verbessern, ging von nun ab buchstäblich alles den Bach herunter.
Siemens baute 20.000 Wasserzähler nicht korrekt ein. Sie waren zudem nicht einmal kompatibel mit dem neuen Abrechnungssystem. Viele Haushalte meldeten darauf hin, dass sie keine Rechnungen mehr erhielten, während andere von extrem hohen, offensichtlich nicht korrekten Summen sprachen, die sie oft nicht beglichen.
Auch andere Versprechen des deutschen Unternehmens wurden nicht eingehalten, während mit Tricks vertragliche Abmachungen umgangen wurden. So beauftragte Siemens nicht wie vereinbart lokale Unternehmen mit der Arbeit, sondern tunnelte über Schein-Subunternehmer das Geld in den Konzern zurück.
Das unabhängige Nachrichtenportal Information Popular fasst das Ergebnis des rund 100-Millionen-Deals mit Siemens so zusammen:
Am Ende hatte Jackson eine jährliche Anleihezahlung von sieben Millionen Dollar zu begleichen, ein monatliches Defizit von zwei Millionen Dollar bei den Wassergebühren zu verkraften und ein nicht funktionierendes System von Wasserzählern zu betreiben.
Im Angesicht der aktuellen Wasserkrise fügt der Journalist Judd Legum, der zum Vertrag recherchiert hat, hinzu:
Der Siemens-Deal hat Jackson ein Jahrzehnt gekostet, in dem sich das System weiter verschlechterte und keine nennenswerten Investitionen getätigt wurden, und das ist einer der Gründe, warum wir die heutige Situation erleben.
2019 verklagte die Stadt Jackson den Siemens-Konzern auf Schadensersatzzahlungen in Höhe von insgesamt 450 Millionen Dollar. Darin enthalten sind 200 Millionen Dollar für die Finanzierung des Projekts, 175 Millionen aufgrund von entgangenen Einnahmen und 75 Millionen, um das Wasserzähler-System wieder zu reparieren. Das seien bei weitem nicht alle Schäden, so die Stadtverwaltung, die den tatsächlichen Verlust durch den Siemens-Deal auf über 700 Millionen ansetzt, da die Kreditwürdigkeit der Stadt im Zuge des Desasters auch zerstört worden sei.
Man einigte sich mit dem deutschen Konzern schließlich auf die Zahlung von 90 Millionen Dollar, wobei diese Summe umgehend aufgefressen wurde durch Rechtsanwaltskosten, notwendige Rücklagen für die laufenden Kredite und Reparaturkosten.
Daher funktioniert trotz der 90 Millionen Dollar Entschädigungszahlung die Wasserversorgung in Jackson weiter nicht, während sich die Lage für die Bewohner:innen der verarmten Stadt zusehends verschlechtert. Dass sie jetzt wochenlang ohne Wasser zu Recht kommen müssen und immer noch schmutzig-braunes Wasser durch die Hähne fließt, ist auch das Verdienst des deutschen Vorzeigekonzerns Siemens AG.
Siemens hält dem entgegen, dass man "über die vertraglichen Verpflichtungen hinausgegangen" sei, "um der Stadt bei der Bewältigung der bekannten, komplexen Herausforderungen zu helfen". Was stimmt, ist, dass der Versuch des Unternehmens, schmutzige Profite mit einer amerikanischen Stadt in einer Notlage zu machen, nicht aufging.
Siemens wird das verkraften können. Denn anders als Jackson geht es dem Konzern prächtig. In seinem jüngsten Ergebnisbericht, der den Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2022 abdeckt, vermeldete der Konzern einen Umsatz von über 17 Milliarden US-Dollar und einen freien Cashflow von über zwei Milliarden.