Schneekanonen und Gletscherschwund
Energie und Klima – kompakt: Klimakrise setzt den Ski-Gebieten zu, doch Tourismusverbände halten unverdrossen an klimaschädlichem Kunstschnee fest.
Der Klimawandel, die sich ausweitende Klimakrise, deren Folgen nach Worten des französischen Präsidenten niemand hat voraussehen können, hat inzwischen auch die Alpen erreicht.
Die in weiten Teilen Europas für die Jahreszeit anhaltend viel zu hohen Temperaturen ließen dort bisher viele Ski-Gebiete vergeblich auf eine ausreichende und verlässliche Schneedecke warten. Zu Beginn der Woche fror es vielerorts erst oberhalb von 1200 im westlichen Österreich, teils gar erst ab 1600 Meter.
Doch man weiß, sich zu helfen. Schneekanonen machen vielerorts die nicht gerade für rücksichtsvollen Umgang mit Mensch und Umwelt bekannte Tourismusindustrie vom Schneefall unabhängig. Der Preis ist allerdings der Einsatz einer gewaltigen Menge an Energie – während man den weniger Begüterten rät, für den Kampf gegen Putin zu frieren – und Wasser.
Wasser, das der alpinen Natur und auch den von den Bergen gespeisten Flüssen fehlt. Seit vielen Jahren warnen daher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie Carmen de Jong, die an der Universität von Strasbourg physikalische Geografie und Hydrologie lehrt, vor den Folgen.
Bereits 2014 habe der Wasserverbrauch der Schneekanonen mit 280 Millionen Kubikmetern das Dreifache des Münchener Jahresbedarfs betragen, schrieb de Jong vor zweieinhalb Jahren in der Geografischen Rundschau, wobei der größere Teil des Wassers durch Verdunstung und Lecks in den Leitungen verloren gehe.
Für den Einsatz von Kunstschnee, der tatsächlich wenig mit Schnee, sondern eher mit kleinen Hagelkörnern gemein hat, müssen Speicherbecken (allein 420 in Österreich) angelegt und Pisten planiert werden. Außerdem kommen Zusatzstoffe wie Salze und sterilisierte Bakterien zum Einsatz, um das Gefrieren zu fördern oder die Pisten für Wettkämpfe zu präparieren.
Eigentlich lasse die 1991 von neun Anrainerländern unterzeichnete Alpenkonvention Beschneiung nur in Ausnahmefällen zu, hieß es vor einem Jahr in einem Beitrag des Bayerischen Rundfunks. Trotzdem werde die Beschneiung inzwischen fast flächendeckend eingesetzt und immer noch neue Pisten angelegt.
Dabei hilft aller Kunstschnee nichts, wenn – wie derzeit – die Minusgrade nicht ausreichen. Das mussten auch die Betreiber der Schweizer Bergbahn in Gstaad feststellen, wie der dortige Rundfunk berichtete. Dort hatte man Schnee per Helikopter einfliegen lassen, nur um diesem beim Tauen zuzuschauen.
Befragt, was denn bei solchem Einsatz von Kraftstoffen und Treibhausgasemissionen mit der Umwelt sei, meinte ein Bergbahn-Sprecher, man dürfe den Begriff Nachhaltigkeit nicht missbrauchen. Das scheint auch Peter Schröcksnadel zu meinen, der in Österreich und in der Schweiz viel Geld in den Ski-Tourismus investiert hat. Von 1990 bis 2021 war er Chef des Österreichische Ski-Verbandes und verkündete als solcher noch 2018, dass es mit dem Klimawandel nicht so weit her und die Wissenschaft nur eine globale Erwärmung von 1,5 Grad Celsius voraussagen würde.
Letzteres ist natürlich besonderer Unsinn; aber wenn selbst Präsidenten großer Industrienationen nicht viel von Wissenschaft halten, sobald sie ihren Interessen zu widersprechen wagt, kann es kaum wundern, dass Unternehmer sich die Realität so zurechtbiegen, wie es dem Geschäft gerade passt und ansonsten weiter auf klimaschädliche Subventionen für ihr Treiben hoffen.
Denn natürlich zahlen nicht die meist besser betuchten Ski-Touristen die Kunstpisten in grüner Landschaft. Wo immer möglich lassen sich die Touristenverbände den für sie lukrativen Spaß sowohl in Deutschland und in Österreich als auch in der Schweiz vom Fiskus bezahlen. Da möchten sich auch die Konkurrenz in den Mittelgebirgen ein Stück am Kuchen sichern. Allein im Sauerland stünden schon 500 Schneekanonen, berichtet das Magazin Quarks. Weitere würden auf der Eifel und im Schwarzwald eingesetzt.
Derweil macht sich nicht nur der alpine Schnee rar. Auch die dortigen Gebirgsgletscher schrumpfen immer weiter und ein Endpunkt der Entwicklung ist nicht in Sicht. Eine kürzlich im Fachblatt Science veröffentlichte Studie, hat den zukünftigen Masseverlust der Gebirgsgletscher außerhalb der Antarktis und Grönlands abgeschätzt.
Demnach werden diese je nach Grad der Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts weitere 26 bis 40 Prozent ihres Umfangs verlieren. Würden alle bisher im Rahmen der Klimaverhandlung zugesagten Maßnahmen umgesetzt und damit die Erwärmung auf – viel zu hohe – 2,7 Grad Celsius beschränkt, wäre das Resultat voraussichtlich knapp 32 Prozent Gletscherverlust. Die Folge wäre ein Anstieg des mittleren globalen Meeresspiegels von 11,5 (+/- vier) Zentimeter.
Das allein ist für Küstenstädte schon bedrohlich, wird aber von dem langfristig größeren Beitrag der Eisschilde in der Antarktis und auf Grönland bei Weitem übertroffen werden. Schwerwiegender dürften die Auswirkungen des Gletscherschwunds auf die Wasserversorgung sein. Weltweit hängen bisher knapp zwei Milliarden Menschen davon ab, dass ihnen Gebirgsgletscher rund ums Jahr zuverlässig Wasser liefern. Verschwinden diese oder schrumpfen sie so sehr, dass sich die Schmelzwassermenge verringert, gerät diese Zuverlässigkeit in Gefahr.
Aber man wird wohl fast sicher sein, dass sich auch in 50 Jahren noch Politiker und Geschäftsleute finden werden, die dem staunenden Publikum erzählen, dass dies keiner habe voraussehen können, als man seinerzeit im rheinländischen Lützerath Tausende Polizisten losschickte, um gegen den Widerstand der Klimaschützer Deutschlands besten Ackerboden zu zerstören und die darunter liegende Braunkohle herauszuholen.
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