Scholz und Macron: In den USA streiten sie, in Frankreich scheitern sie, in Deutschland reden sie

Treffen zwischen Olaf Scholz und Emmanuel Macron verlaufen kaum mehr harmonisch. Die Gründe dafür müssen debattiert werden, auch bei uns. Ein Einwurf.

Einer der spannendsten Aspekte bei dem Treffen zwischen Olaf Scholz und Emmanuel Macron in dieser Woche in Berlin war der Blick der Presse auf das Treffen: Während die deutschen Medien mehrheitlich zwei lächelnde Politiker zeigten und die Meinungsverschiedenheiten zwischen Berlin und Paris meist nachrangig erwähnten, titelte das US-Politikmagazin Politico unverhohlen: "‘Ihr könntet die EU zerstören‘, sagt Frankreich. Nein, ihr könntet sie zerstören', antwortet Deutschland."

Warum nur lächelt man in Deutschland die inzwischen unübersehbare politische Kluft zwischen Berlin und Paris, die unangenehm offensichtliche Antipathie zwischen Scholz und Macron, einfach weg? Im Ausland wird sie viel deutlicher wahrgenommen.

Immerhin geht es um das Schicksal zweier Nationen der Europäischen Union. Auf der einen Seite ein Bundeskanzler, der bis Anfang November 2025 mit aller Kraft versuchen wird, seine in weiten Teilen gescheiterte Regierung zusammenzuhalten. Auf der anderen Seite der einstige Hoffnungsträger, der von Teilen der französischen Presse, vor allem aber von der Opposition als "Monsieur Blabla" verspottet wird.

Streit gehört offen ausgetragen

Dabei müsste der Streit zwischen Deutschland und Frankreich viel offener ausgetragen werden, denn es geht um grundlegende Zukunftsfragen. Während Frankreichs Präsident Macron vor den Gefahren eines "klassischen" Freihandels warnt, plädiert Bundeskanzler Scholz für Vorsicht bei Schutzmaßnahmen.

So auch beim "Berlin Global Dialogue". Macron argumentierte in Berlin, dass Freihandel ohne protektionistische Ansätze Europa in wenigen Jahren aus dem Markt drängen könnte.

Presse française : assez critique.

Scholz hingegen betonte, dass Schutzmaßnahmen nicht zum eigenen Schaden führen dürften. So wehrt sich Deutschland gegen neue EU-Zölle auf chinesische Elektroautos, ein Votum, das Scholz maßgeblich beeinflusst hat – und mit dem er am heutigen Freitag in Brüssel auch persönlich gescheitert ist.

Differenzen in gefährlichem Umfeld

Die Differenzen zwischen den beiden größten Wirtschaftsmächten der EU kommen zu einem kritischen Zeitpunkt. Die USA tendieren zu einer protektionistischen Politik, die europäische Unternehmen mit Milliardeninvestitionen lockt, während China immer selbstbewusster auftritt, insbesondere bei neuen kohlenstoffneutralen Technologien und Lieferketten. Die EU muss sich entscheiden, wie sie in diesem globalen Wettbewerb bestehen will.

Besonders deutlich wurden die unterschiedlichen Auffassungen über Schutzmaßnahmen und europäische Solidarität, als Macron und Scholz auf dem Berlin Global Dialogue die Vorschläge für gemeinsame EU-Anleihen, Zölle auf chinesische Autos und Handelsgespräche mit südamerikanischen Ländern diskutierten.

Deutsche Presse: wenig Differenzen.

Während Macron für mehr europäische Zusammenarbeit und Investitionen plädierte, äußerte sich Scholz zurückhaltender, insbesondere in Bezug auf neue gemeinsame EU-Schulden.

Die Spannungen zwischen Deutschland und Frankreich sind nicht neu und gipfelten sogar in der Absage einer gemeinsamen Kabinettssitzung im Jahr 2022. Auch persönliche Differenzen zwischen den beiden Regierungschefs tragen zur angespannten Lage bei. Trotz gemeinsamer Bekenntnisse zu einer einheitlichen europäischen Wirtschaftspolitik tun sich in existenziellen Fragen immer wieder tiefe Gräben auf.

Frankreich als Vorreiter einer EU-Untersuchung zu subventionierten chinesischen Elektroautos, die zu vorläufigen Zöllen führte, stößt auf deutsche Skepsis. Deutschland befürchtet negative Rückwirkungen und will gegen die anstehenden Importzölle stimmen. Französische Senatoren wie Ronan Le Gleut betonen die unterschiedlichen nationalen Interessen und Prioritäten, die auch von der jeweiligen Bedeutung der Automobilindustrie in beiden Ländern beeinflusst werden.

Trotz der offensichtlichen Differenzen bleibt die Hoffnung auf einen Kompromiss. Le Gleut weist darauf hin, dass Frankreich und Deutschland am Ende immer einen Weg finden, sich zu einigen, wie zum Beispiel bei der Reform des Energiemarktes im vergangenen Jahr. Aber auch diese Einigung sei nicht das Ende der Debatte: In fast jedem EU-Text werde weiterhin über die Rolle der Kernenergie gestritten.