Schuldneratlas 2022: Im Winter droht die Schuldenfalle

Bild: 1820796 auf Pixabay

In der Pandemie konnten viele ihre Schulden abbauen und sparen. Doch inzwischen sind die Guthaben aufgebraucht. Inflation und Energiekosten treiben die Schulden wieder in die Höhe.

Die Zahl der überschuldeten Menschen in Deutschland ist in diesem Jahr zurückgegangen – doch die Entwicklung ist trügerisch, heißt es von der Wirtschaftsauskunftei Creditreform. Steigende Preise für Energie und Lebensmittel werden die Situation voraussichtlich bald spürbar verschlechtern.

Am Dienstag hatte Creditreform den "Schuldneratlas Deutschland 2022" vorgestellt. Demnach gab es in der Bundesrepublik "nur" noch knapp 5,9 Millionen Menschen, deren Gesamtausgaben die Einnahmen übertreffen. Das sind knapp 4,4 Prozent oder 274.000 weniger als im vergangenen Jahr.

Konkret bedeutet Überschuldung: Eine Person kann ihre Konsum- und Baukredite sowie andere Verbindlichkeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit über einen längeren Zeitraum nicht begleichen.

Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform warnt: "Die guten Zahlen sind leider trügerisch". Seit Beginn der Coronapandemie hätten die Menschen weniger Geld ausgegeben und die staatlichen Hilfsprogramme hätten viele Verbraucher geschützt. Dadurch sei der Rückgang der Überschuldungsfälle zu erklären.

Doch die Trendumkehr ist bereits absehbar. Hantzsch erklärte:

Der Rückgang überschuldeter Personen verlangsamt sich jedoch bereits. Die wahren Belastungen werden die anhaltend hohe Inflation und insbesondere die ansteigenden Energiekosten sein, die noch längst nicht vollständig beim Verbraucher angekommen sind.

Patrik-Ludwig Hantzsch

Die Folgen der Preissteigerungen würden sich erst verzögert und mit Langzeitwirkung bei der Überschuldung bemerkbar machen. "Die in der Coronakrise angehäuften Sparguthaben sind vielfach schon wieder aufgebraucht", so Hantzsch. Das sei vorwiegend bei Personen mit geringen Einkommen der Fall, die auch in normalen Zeiten nicht viel auf die hohe Kante legen könnten.

Das Münchner ifo-Institut hatte bereits im August in der Studie "Inflation frisst Überschussersparnis" darauf hingewiesen. Seit Ende des vergangenen Jahres hätten die privaten Haushalte verstärkt auf die "hohen Einlagen" zurückgegriffen, "die sie während der Coronakrise auf ihren Bankkonten angehäuft" hätten. Trotz Rekordinflation konnte dadurch in der ersten Jahreshälfte 2022 der Konsum ausgeweitet werden. Doch inzwischen seien die Sparpolster aufgebraucht.

Steigende Verbraucherpreise setzen die Menschen in Deutschland nun weiter unter Druck. Nach Berechnungen der Creditreform-Tochter Microm laufen bis zu 19 Prozent der deutschen Haushalte Gefahr, ihre Rechnungen für Strom, Wasser, Gas und Wärme nicht sofort bezahlen zu können. Betroffen seien damit rund 7,8 Millionen Haushalte oder 15,6 Millionen Personen, erklärte Microm-Geschäftsführer Michael Goy-Yun.

Goy-Yun fügte hinzu, dass die deutsche Gesellschaft vor einer Zeitenwende bei der Überschuldung stehe:

Altersarmut und Altersüberschuldung gehen Hand in Hand. Zudem stellen wir fest, dass auch Energiearmut und Energieüberschuldung miteinander korrelieren.

Michael Goy-Yun

Die Untersuchung hatte ergeben, dass vor allem jüngere Menschen in der Coronapandemie ihre Überschuldung schnell abbauen konnten. Bei den Älteren, ab 60 Jahren, ging die Überschuldungsquote dagegen nur geringfügig zurück.

Im kommenden Jahr könnte die Zahl der überschuldeten Menschen deutlich ansteigen. "Ein Anstieg der Überschuldungszahlen um rund 600.000 Fälle ist nicht unrealistisch", heißt es im Schuldneratlas. Es sei auch nicht auszuschließen, dass die Zahl noch weiter zunehme, wenn die Nachzahlungen bei den Heiz- und Energiekosten fällig werden.

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