Schutz der Biodiversität: Die Illusion einer Lösung

Seite 2: Interessengegensätze: Nicht mehr trennscharf zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden

Die subsaharischen Staaten Kamerun, Uganda und die Demokratische Republik Kongo (DRK), außerdem Indonesien und Brasilien, wollten auf der COP15 erreichen, dass ein eigener Fonds für Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität eingerichtet wird, zusätzlich zu der bestehenden Globalen Umweltfazilität der UN.

Damit konnten sie sich nicht durchsetzen. Während der letzten Verhandlungsnacht spielten sich unwürdige Szenen ab, als trotz Protest der zentralafrikanischen Regierungen von der chinesischen Verhandlungsführung eine Einigung verkündet wurde. Entsprechend der eingeübten Dramaturgie begannen die Teilnehmer zu applaudieren, der Widerstand Ugandas und der DRK wurde übergangen.

Ein Vertreter von Kamerun sprach daraufhin von "Betrug", ein Vertreter Ugandas von einem "Putsch". Sabine Schlacke von der Universität Greifswald sagt, "dass am Ende Unklarheit bestand, ob der Beschluss überhaupt ordnungsgemäß zustande gekommen ist".

Das Abkommen enthält zahlreiche Formelkompromissen, wichtige Streitpunkte wurden vertagt. "Ich hatte den Eindruck, dass alle Delegierten der COP15 müde von vier Jahren sehr zäher Verhandlungen sind", berichtet Yves Zinngrebe vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung.

"Es ging jetzt zum Schluss nur noch darum, ein Abkommen zu haben."

Es gebe "grundlegende Probleme auf internationaler Ebene", darunter "die fehlende Aufarbeitung kolonialer Beziehungen, die bei den Verhandlungen von Finanztransfers immer wieder aufflammen".

Die Grenzen und Interessengegensätze verlaufen dennoch nicht mehr trennscharf zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden. Länder mit starker Exportindustrie wie China oder Agrarexporteure wie Brasilien tragen erheblich zum Klimawandel und der schwindenden Biodiversität bei, aber sie gehören weiterhin zu den Empfängern von Finanzhilfen.

"Das kleinere Übel"

Von den ärmsten Länder dagegen, die vor allem Rohstoffe und einzelne Agrargüter exportieren, wird sozusagen erwartet, dass sie gleichzeitig den Weltmarkt beliefern und andererseits mit Umweltschutz-Maßnahmen die Ökosystemleistungen der Zukunft sichern.

Die Einigung von Montreal sieht vor, dass jährlich 30 Milliarden Dollar für den Schutz der Biodiversität an die Entwicklungsländer fließen. Die NGO-Szene hat sich mit aller Kraft dafür eingesetzt, diese Summe nach oben zu treiben.

Aber der Geldtransfer nutzt nichts, wenn er dysfunktionalen Regierungen und korrupten Behörden zugutekommt. Zahlreiche Naturschutzgebiete bestehen lediglich auf dem Papier. So treibt beispielsweise die Regierung der DRK Gas- und Ölbohrungen im Virunga-Nationalpark voran.

Die meisten Umweltschützer verteidigen die UN-Abkommen als alternativlos – das kleinere Übel gegenüber einer ungeregelten Aneignung und Zerstörung der natürlichen Ressourcen. Eine nüchterne Bilanz zeigt allerdings, dass die bisherigen internationalen Verträge diese Zerstörung lediglich in geregelte Bahnen lenken.

Würden ohne die Verträge mehr Treibhausgase ausgestoßen, mehr Pestizide angewandt und größere Waldflächen abgeholzt? Zugespitzt gefragt: Ist die Umweltschutz-Diplomatie unter dem Dach der UN überhaupt Teil der Lösung oder vielmehr Teil des Problems?

Mittlerweile geht es auf der großen Bühne der Weltpolitik zu wie auf einem Bazar: Die Staaten schachern mit den natürlichen Ressourcen, als handle es sich sie ihr legitimes Eigentum. Die Regierungen treten gleichsam als Treuhänder der Biosphäre auf, damit des Lebensrechts der Menschheit, staatsrechtlich durchaus fragwürdig – niemand hat ihnen dazu ein Mandat erteilt.

Im Wandertheater der Gipfeltreffen wird eine tragische Farce aufgeführt oder auch eine lächerliche Tragödie. Das Stück hat eine nicht zu unterschätzende ideologische Nebenwirkung: Es nährt die Illusion, die sogenannte Staatengemeinschaft sei fähig, auf die ökologische Krise angemessen zu reagieren.