Schwarze Sonne statt Hakenkreuz
Neonazis und ihre für Außenstehende unklaren Andeutungen, Ersatzsymbole und Codes
Selten genug überfrachten rechtsextreme Versandhändler aus Deutschland ihre Eigenwerbung so mit plakativen Andeutungen wie beispielsweise „Whitenoise-Records“ aus Lahnau vor etwa einem Jahr. Eigenangaben zufolge seien Label und Vertrieb „der nationale Versand mit sozialistischen Preisen“ und telefonisch erreichbar unter der programmatisch-überfrachteten Rufnummer „88148888“. Szenemitglieder erkennen nicht erst am Programm, sondern schon an Eigendefinition und Kontaktdaten, wer angesprochen werden soll. Offen nationalsozialistisch ist dies aber nicht wirklich.
Die rechtsextreme Szene tarnt sich seit Jahren zunehmend hinter Ersatzsymbolen, Zifferncodes und schwammigen Parolen, deren Sinn „intern“ zwar verstanden wird. Doch Außenstehende, Lehrer und Eltern wittern nicht immer den wahren Sinn. Zwar ist unterdessen geläufig, dass die Ziffer 88 für die Doppelung des achten Buchstaben im Alphabet steht und HH alias „Heil Hitler“ meint. Aber was bedeutet die 14? Die Ziffer steht für die so genannten „14 Words“, der Kampflosung des US-Neonazi-Terroristen David Lane: „We must secure the existence of our people and a future for white children.“ (Wir müssen die Existenz unseres [weißen, arischen; mik] Volkes und auch die Zukunft unserer weißen Kinder sichern.)
Es gibt eine Reihe von Beispielen, in denen Neonazis mit Ziffern spielen. Die Aussage „Support your local 28“ bezieht sich etwa auf das internationale Neonazinetzwerk „Blood & Honour“ (B&H), dessen deutsche „Sektion“ verboten ist. Die 28 steht in diesem Fall für BH. Ähnlich lässt sich der Namen des bewaffneten Arms von B&H entschlüsseln. „Combat 18“ steht frei übersetzt für „Kampfgruppe Adolf Hitler“. Diese B&H-zugehörige Terrorgruppe hat in Großbritannien schon Briefbomben an Antifaschisten und Journalisten verschickt. Aussteigern aus der Braunszene wird gerne ein „vergiss nie C18“ nachgerufen. In internen Szeneforen können recherchierende Journalisten über sich selbst auch schon mal lesen: „Auge um Auge, Zahn um Zahn. Kommt Zeit, Kommt Rat. Hail C18.“
Wie es die Broschüre Versteckspiel schon im Titel andeutet, meidet die rechte Szene nach Außen hin gerne den Klartext, auch um strafrechtlicher Verfolgung zu entgehen. Das Mönchengladbacher Rechtsrockprojekt „Division Germania“ (DG) – leidgeprüft von Indizierungen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien – singt etwa in einem von Straßenkampf, Machtübernahme und der Hinrichtung politischer Gegner kündenden Song die Zeilen: „Wenn die Wehrmacht im Glanze die Straßen durchzieht, wenn das Pack im Galopp durch die Dunkelheit flieht [...] der Zahltag kommt. Wir sind wieder da!“ Gemeint sein dürfte indes mit der Wehrmacht nicht wirklich Hitlers Armee, sondern Hitlers Straßenterrorgruppe SA („Sturmabteilung“).
In einem anderen Song singen DG davon „national und sozial“ zu sein – aber offenbar eben nicht nationalsozialistisch, allenfalls wohl nur „nationalistisch“. Und selbst die „Nationaldemokraten“ der NPD nutzen fast inflationär Umschreibungen, „national und sozial“ eingestellt zu sein sowie für einen „nationalen Sozialismus“ zu kämpfen, wenn sie von der „nationalen Opposition“ und dem „nationalen Widerstand“ schwärmen.
Längst variiert die rechte Szene Zeichen, Zifferncodes und Parolen. Sehen etwa die Auflagen für Demonstrationen vor, dass die Ziffer „88“ nicht öffentlich gezeigt werden darf, laufen Neonazis provokativ in „T-Hemden“ mit Aufdrucken wie „2 mal 44“, „4 mal 22“ und „8 mal 11“ herum. Nachdem die Justiz vor rund einem Jahr ein Grundsatzurteil zu einer bis dahin je nach Region und Bundesland unterschiedlichen strafrechtlichen Wertung zur Verwendung der SA-Kampflosung „Alles für Deutschland“ sprach, reagierte die Szene ähnlich. Sie wandelte die Losung schlicht ab in „Alles für unser geliebtes Deutschland“ oder „Alles für unser Vaterland“. Auch NPD-Parteichef Udo Voigt, der gegenüber dem Autor dieser Zeilen im Frühjahr 2005 noch stolz erklärte, mit der Losung „Alles für Deutschland“ nahezu alle seine Reden abzuschließen, verkündet heutzutage seinen „Kameraden“ anderes an jener Stelle.
Faible für altgermanische, heidnische Symbole
Glaubt man Szenequellen und Aussteigern, beziehen sich „Kameradschaften“ und sogar große Teile der NPD in internen Kreisen durchweg positiv auf den Nationalsozialismus und dessen Folgen wie Krieg und Holocaust. Erst kürzlich tauchte in Nordrhein-Westfalen ein internes NPD-Papier auf, das Mitgliedern und Sympathisanten, die an NPD-Infoständen teilnehmen wollen, in erstaunlicher Offenheit vorschreibt, „eindeutige, martialische und nationalsozialistische Tätowierungen“ durch Kleidung abzudecken.
Zu einem ebenso erstaunlichen Klartext ließ sich ein Neonazi aus Aachen als Zeuge vor Gericht hinreißen, als er im Frühjahr 2005 vom Richter befragt wurde, was er zum Zeigen von Hakenkreuz-Fahnen und –T-Shirts durch einen „Kameraden“ sagen könne. Antwort: „Wir hätten so was gerne, aber wir kriegen so was nicht, das ist das Problem.“ Ersatzsymbole müssen also her.
Lange Jahre dienten der Braunszene die Reichskriegsflagge und das Keltenkreuz, losgelöst von der Bedeutung in der irischen Mythologie, als Hakenkreuz-Ersatz. Das Keltenkreuz, im Szeneduktus Symbol für „White Power“ sowie die Vorherrschaft der „Weißen Rasse“, war lange nur verboten in Form eines schwarzen Keltenkreuzes im weißen Kreis auf einer roten Fahne, angelehnt an die frühere NSDAP-Flagge. Unterdessen ist die Anwendung des Keltenkreuzes rechtlich umstritten und das „Deutsche Rechtsbüro“ der Braunszene rät in Stellungnahmen und Szeneforen vorsorglich bis zur Klärung der Rechtsfrage vom Gebrauch ab.
Hingegen dient in einigen Kreisen längst das Motiv der „Schwarzen Sonne“ als Ersatz für das verbotene Zeigen des Hakenkreuzes. Das auch als zwölfarmiges, rundes Hakenkreuz umschriebene Zeichen verklären Szenekreise als ein historisches Symbol aus der Ära der altgermanischen Naturreligionen. Fachleute halten das für eine Ausrede. Sie erinnern daran, dass die „Schwarze Sonne“ in Nazideutschland eine Schöpfung der SS war, die das Symbol als riesiges Bodenmosaik in der SS-Kultstätte Wewelsburg (bei Paderborn) „verewigte“.
Überhaupt scheint die rechte Szene ein Faible für altgermanische, heidnische Symbole zu haben. Gerne genutzt werden Runen – wobei der Gebrauch der Sigrune wegen deren Verwendung im Nationalsozialismus als Zeichen für das „Deutsche Jungvolk“ (Einzel-Sigrune) und für die SS (Doppel-Sigrune) verboten ist. Beliebt als B&H-Glorifizierung ist auch die Nutzung der Triskele, ein dreiarmiges Hakenkreuz, welches das B&H-Netzwerk weltweit in seiner an das deutsche Reich und Hitlerdeutschland angelehnten Farbgebung Schwarz-Weiß-Rot nutzt. Der Gebrauch der Triskele – ebenso ein Ersatzmotiv für das verbotene vierarmige Symbol – ist in Deutschland rechtlich umstritten. Erlaubt ist die Triskele gemeinhin nur, wenn es keine Übereinstimmung mit B&H und dessen Organisationsfarben gibt.
Die Kombination der „Reichsfarben“ ist in der Braunszene auch sonst sehr beliebt – Schwarz, Weiß und Rot sind auch die Parteifarben der NPD. Als der NPD-Kreisverband Düren kürzlich mit der Neonazi-Gruppe „Kameradschaft Aachener Land“ ein Treffen auf Privatgrund abhielt, wurde bei einer Fahnenparade denn auch eine rote Flagge mit einem schwarzen Eisernen Kreuz gezeigt – welches weiß umrandet war. Auch wenn dabei die diffuse Nähe zum Aussehen der nationalsozialistischen Hakenkreuzfahne augenscheinlich war, lag keine Straftat vor und die Polizei konnte nicht einschreiten.
„Mit kameradschaftlichem GruSS“
Einst waren Kleidungsstücke der Firma „Lonsdale“ beliebt bei rechten Skinheads und Neonazis. Es hieß dazu: bei einer leicht geöffneten Jacke sei etwa auf der Brust eines T-Shirt-Trägers in Anlehnung an die NSDAP zu lesen: NSDA (LoNSDAle). Doch die Modefirma distanzierte sich von derlei Gedankengut und ist heute beliebt bei vielen Jugendlichen. Die rechte Szene verfügt indes über zahlreiche eigene Marken. Ähnlich des „Lonsdale“-Schriftzugs aufgemacht sind Marken wie „CoNSDAPle“ oder „Masterrace“ (Herrenrasse).
Beliebt sind auch Kleidungsstücke der umstrittenen Modemarke „Thor Steinar“ oder als Antwort der Szene auf „Pit Bull“ T-Shirts mit dem Aufdruck „Doberman“. Neonazi-Firmen bieten heute teils auch modische Tops oder String-Tangas – etwa mit einer eingestickten 88 im Lorbeerkranz – für die wachsende Zahl von Mädchen und jungen Frauen an. Vertreter der „Autonomen Nationalisten“ bevorzugen indes auch linken Schick, etwa Shirts mit dem Konterfei der Revolutions-Ikone Che Guevara, Palästinensertücher, Auftritte im Stile des von der linksautonomen Szene her bekannten „Schwarzen Blocks“ oder gar Modestücke mit Motiven im Stile von Graffitis.
Ähnliche jener Querfront-Anleihen äußert die rechte Szene auch Kritik an Kapital und Globalisierung, gerade im Vorfeld des G-8-Gipfels, aber ebenso bei den braunen Aufmärschen zum 1. Mai. Unterschwellig schwang in diesem Jahr bei jenen Neonaziaufmärschen freilich oft ein versteckter Antisemitismus mit. In Dortmund trugen etwa „Autonome Nationalisten“ an prominenter Stelle im Frontblock ein Seitentransparent mit der Forderung, es gehe darum, „weltweit“ den „Antizionismus“ zu stärken. Einer der Demonstrationsleiter forderte auf seinem T-Shirt: „Keine Waffen für Israel! Fight Zionism!“
Die bei einer Hauptkundgebung auftretende Band „Carpe Diem“ spielte vor den 1.300 meist jungen Neonazis ihren von der NPD-Schulhof-CD her bekannten Szene-Hit „Europa, Jugend, Revolution“. In dem Liedtext geht es um „eine Macht“, „der das Geld gehört, seit viel zu langer Zeit“. Die „Macht“ habe einst „unsere Väter aufeinander los gehetzt“. Doch, so der antisemitische Duktus weiter, dass die Juden den Zweiten Weltkrieg angezettelt hätten, „wir sehen, wer hinter den Kulissen steht“. Von der „versteckten Tyrannei“ werde man sich „frei“ machen. Derlei Gedanken mündeten bekanntlich einst im Holocaust.
Frei fühlen sich Rechtsextremisten schon in E-Mails und ihren internen Foren. Untereinander grüßt man sich „mit kameradschaftlichem GruSS“ oder der Abkürzung „mkG“. Beliebt sind auch das Kürzel „mdG“ oder die volle Schreibweise der verbotenen Grußformel „mit deutschem Gruß“ – selbst Journalisten wie der Autor dieser Zeilen lesen derlei bei Mailkontakten oder sonstigen Zuschriften von Neonazis wiederholt. Ein „donnerndes Heil“ oder der „Gruß der Grüße“ klingen da nur auf dem ersten Blick freundlicher.