Schwarzes Gold - der Abbau der Braunkohle hinterlässt große Schäden

Blick über den Tagebau Amsdorf zum Kraftwerk Amsdorf (Mansfeld-Südharz; Sachsen-Amhalt); Bild: Alphawikipo; gemeinfrei

Eine Studie von Greenpeace analysiert die Risiken und Schäden, die der Abbau von Braunkohle verursacht

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Die Bergbauunternehmen müssen nicht veröffentlichen, mit welchen Folgekosten sie in welchen Zeiträumen kalkulieren. Es gibt Lücken in langfristiger Gewässernachsorge, Bergschäden werden nur unzureichend reguliert. Die Haftungsregelungen im Falle einer Unternehmensinsolvenz sind unzulänglich. Auch die Gesundheit der Anwohner ist gefährdet. Eine aktuelle Studie von Greenpeace analysiert die Risiken und Schäden, die der Abbau von Braunkohle verursacht.

Seit 100 Jahren wird in Deutschland Braunkohle abgebaut. Rund 370 Ortschaften mussten weichen und mehr als 120.000 Menschen sich ein neues Zuhause suchen. Im Rheinischen Revier waren dies seit 1950 rund 44.000, bei Helmstedt rund 3.000 Menschen. Im Mitteldeutschen Revier mussten seit 1940 rund 51.000 Menschen ihre Heimat verlassen. Und in der Lausitz wurden bis heute 26.500 Menschen umgesiedelt.

Die Menschen gehen - die Bagger kommen

In der DDR war die Kohle ein wichtiger Bodenschatz - sie lieferte Arbeit und Strom. Das Kombinat Schwarze Pumpe verarbeitete die Braunkohle zu Koks, Gas, Briketts und Strom. Im Kraftwerk Boxberg wurde ein Fünftel des landesweiten Stromes erzeugt. Tausende Bewohner in der Lausitz hatten dafür ihre Dörfer aufzugeben. Die betroffenen Gebiete wurden zu "Bergbauschutzgebieten" ernannt. Anfang der achtziger Jahre waren Dutzende von Dörfern in der Lausitz verschwunden, darunter auch alte Kirchen. Nicht selten wurden die Menschen in Plattenbauten der Großstädte untergebracht.

Von den Umsiedlungen am meisten betroffen waren die Nachfahren der westslawischen Sorben und Wenden, die sich im 6. Jahrhundert in der Lausitz angesiedelt haben. Zwar ist es ihnen bis heute gelungen, ihre Sprache und Kultur zu erhalten. Doch der Verlust ihrer Heimat hat Spuren bei den Menschen hinterlassen und ihre kulturelle Identität geschwächt. Denn mit jedem Abriss wertvoller Kulturdenkmäler ging auch ein Stück sorbischer Kultur verloren.

Ökologische Schäden

Jahrzehntelange Eingriffe in die Lausitz veränderten die Landschaft nachhaltig bis zur Unkenntlichkeit. Damit die Kohle freigelegt werden kann, wird in der Regel das darüber liegende Deckgebirge, bestehend aus wertvollem Löß, komplett abgetragen - ein verheerender Eingriff in die bodenbiologische Vielfalt. Durch Verwitterung gehen Nährstoffe verloren - übrig bleibt wertloses Abraummaterial. Nach dem Abbau der Kohle sind die Böden für Ackerbau und Forstwirtschaft untauglich.

Dazu kommt eine meist unsachgemäße Rekultivierung, die zu Bodenverdichtungen und Vernässungen führt. Die unterirdischen Mineralien verwandeln sich unter Lufteinwirkung zu Sulfaten und Eisenverbindungen. Kommen sie mit Wasser in Berührung, führt dies zu seiner Verockerung und Versauerung. Infolge des Braunkohleabbaus werden die Gewässer empfindlich mit Eisen und Sulfat belastet. Damit ist der Wasserhaushalt gravierend gestört.

Die Gewässerbelastungen abzuwenden ist teuer. Die Kosten dafür werden nicht etwa auf die Bergbaubetreiber, sondern auf die Gesellschaft abgewälzt. So verschlang laut Greenpeace-Studie allein die Renaturierung der Erft in Nordrhein-Westfalen 52,5 Millionen Euro. Aus dem Uferfiltrat der Spree wird das Wasser für die Trinkwasserversorgung in Frankfurt/Oder und Berlin gewonnen. Die Belastung mit Sulfat wird die Regierung noch weitere 50 Jahre beschäftigen. Renaturierungsmaßnahmen auf dem Gebiet südlich von Spremberg beanspruchen jährlich neun Millionen Euro. Die Kosten für entsprechende Maßnahmen in Sachsen dürften für die nächsten zehn Jahren bei 100 Millionen Euro liegen.

Einsturzgefahr durch Überflutung

Ist die Kohle restlos ausgebaggert, werden die zurückbleibenden Restlöcher geflutet. Die Seen sollen den Anwohnern Erholung bieten. Gut gemeint - doch bringt das neue Probleme mit sich. Die Einwohner von Neustadt in der Lausitz zum Beispiel erlebten eine böse Überraschung, als der steigende Grundwasserspiegel Risse und Schieflagen im Mauerwerk der Häuser verursachte. Wände und Decken schimmeln, der Boden senkt sich ab - trotz ständigen Abpumpens. Die Gebäude verlieren nicht nur an Wert, sie sind mitunter auch vom Einsturz bedroht. Rund 90 Häuser in der Region sind von derartigen Wasserschäden betroffen.

Die zuständige Lausitzer Mitteldeutsche Bergbau- und Verwaltungsgesellschaft (LMBV) weist die Verantwortung weit von sich. Für die Schäden, die für ein Haus bei 90.000 € liegen können, sollen die Besitzer gefälligst selber aufkommen).

Nur für einen geringen Teil der durch den Bergbau verursachten Schäden übernehmen die Tagebaubetreiber überhaupt die Verantwortung. Noch dazu erfolgt die Schadensbewertung willkürlich und durch die Unternehmen selber. Die Geschädigten fühlen sich von der Regierung alleingelassen. Anwohner aus Jänschwalde, Cottbus und Welzow gründeten daher eine eigene politische Vertretung, um gemeinsam für ihre Rechte zu kämpfen. Beschädigt werden auch Kanalisationsnetze, Straßen, Bürgersteige und Versorgungsleitungen.

Kein Recht auf Heimat?

Derzeit gibt es zwölf aktive Tagebaue in Deutschland: in Nordrhein-Westfalen, in der Lausitz, in Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie im niedersächsischen Helmstedt. Ginge es nach der Kohle-Lobby, würden immer mehr Dörfer platt gemacht werden.

So plant Vattenfall, südlich von Cottbus 1900 Hektar auszubaggern. Noch sind die Orte Proschim, Lindenfeld und Welzow mit 810 Einwohnern dem Tagebau Welzow-Süd II im Weg. Ginge der Plan auf, stünde Welzow bald auf einer Halbinsel und der Ort Lieske auf einem schmalen Streifen zwischen altem und neuem Tagebau.

Anwohner und Naturschützer wehren sich zwar, doch bislang ohne Erfolg: Ab 2027 will der Konzern 200 Millionen Tonnen Kohle fördern - und die Restlöcher fluten.

Um den Tagebau Nochten zu erweitern, würden die Gemeinden Rohne, Mulkwitz und Mühlrose im Kreis Görlitz eingeebnet und Trebendorf einen weiteren Ortsteil verlieren. Das Kirchspiel Schleife würde - nachdem es schon früher zahlreiche Ortsteile an den Bergbau verloren hat - weitere Häuser opfern müssen. Die Reste der Gemeinde sowie Neustadt an der Spree wären von den Auswirkungen unmittelbar betroffen. 1700 Menschen müssten ihre Häuser verlassen.

Dabei hat bereits Nochten I wertvolle Naturschutzgebiete mit seltenen Pflanzen unwiederbringlich zerstört. Bedroht ist auch der Urwald Weißwasser. Die Absenkung des Grundwassers tut ein Übriges. Wenn die Bagger weg sind, soll bis zum Jahr 2080 eine rund 3000 Hektar große Fläche geflutet werden.

Das Bündnis "Strukturwandel jetzt - Kein Nochten II" will die Erweiterung des Tagebaus verhindern und betreibt dazu Aufklärungsarbeit in der Region.

13 Jahre hat ein Anwohner aus dem nordrhein-westfälischen Erkelenz-Immerath um sein Haus gekämpft, das dem Braunkohletagebau Garzweiler II weichen sollte. Schließlich entschied das Bundesverfassungsgericht, es gäbe kein Recht auf Heimat. Zwar schütze ein Grundrecht auf Freizügigkeit grundsätzlich vor erzwungenen Umsiedlungen. Das allerdings gelte nicht für Garzweiler II.

Noch mindestens bis 2030 soll in Garzweiler II, das eine Fläche von rund 4800 Hektar umfasst, Braunkohle gefördert werden. Im März 2014 erhielten die Bewohner der Orte Holzweiler, Duckweiler und ein Bauernhof zwar die gute Nachricht, dass sie bleiben dürfen. Fünf andere Orte aber müssen weichen.

Widerstand lohnt sich

Zu allen Zeiten gab es Menschen, die sich gegen ihre Vertreibung zugunsten des Kohleabbaus zur Wehr setzten - manchmal sogar mit Erfolg. So schrieben die Einwohner der Gemeinde Klitten, die 1984 geräumt werden sollte, fünf Jahre lang Petitionen und trafen sich zu Protestaktionen. Dann kam die politische Wende in der DDR - mit ihr wendete sich das Blatt für die 1500 Menschen, die geblieben waren: Der Ort durfte bleiben - die Proteste hatten sich gelohnt.

Allein im sächsischen Teil der Lausitz lagern noch fünf Milliarden Tonnen Braunkohle. Ein Teil davon unter Pödelwitz, ein 130-Seelen-Dorf südlich von Leipzig. Damit hier ab 2028 Kohle abgebaut werden kann, sollen bis 2018 alle Einwohner umgesiedelt werden. Ein Drittel geht "freiwillig" in ein benachbartes Neubaugebiet. Doch sieben Familien lassen sich von der Kohleindustrie nicht einschüchtern. Stattdessen gründen sie eine Bürgerinitiative für den Erhalt ihres Dorfes. Endet ihr Widerstand irgendwann mit Zwangsenteignung?

Wie kann es sein, dass im 21. Jahrhundert immer noch Menschen aus ihrer Heimat vertrieben werden für einen fossilen Energieträger, der dem Klima kräftig einheizt? Sollen Mensch und Natur auf unbestimmte Zeit unter irreparablen Schäden leiden, damit sich ein paar Konzerne satte Gewinne einstreichen? Mehr als je zuvor braucht es eine starke Protestbewegung, die diese Missstände endlich beendet und der Energiewende zum Erfolg verhilft (Energiekonzerne abwickeln?).