Schweden: Initiativen gegen die Gangkriminalität
Seite 2: "Papierkonstruktionen"
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Die Beamten hätten im Gegensatz zu den Lokalpolitikern kaum Kontakt zu den Mitbürgern, sie bauten "Papierkonstruktionen". Man entscheide und beschließe mit unzureichenden Kenntnissen.
Zudem betrachte die Kommune mit ihren Sozialdiensten die Arbeit der "Mamas der Welt" als Konkurrenz. Die Sprachkenntnisse der Migranten werden als Schwäche angesehen, es gebe eine postkoloniale Attitüde ihnen gegenüber.
Auch wüsste die Kommune nicht mit den nun offensiveren Auftritt der 300 Mama-Mitglieder umzugehen, denn lange seien die Mütter in Skäggetorp ruhig gewesen. Dies hat seine Gründe.
"Viele kommen von patriarchalischen Diktaturen mit Misstrauen gegenüber Obrigkeiten", so die Aktivistin mit den blonden Rastazöpfen. Die Frauen lebten lange in Schweden in einer Parallelgesellschaft, ohne zu wissen, wie das Land oder eine Demokratie funktioniere.
Dadurch haben sie nicht den Glauben, dass man etwas verändern kann.
Sira Jokinen Lisse
Es gebe viele Familien, die Skäggetorp noch nie verlassen hätten. Als Reaktion auf die fehlenden Perspektiven gebe es teils eine Hinwendung zu den Traditionen des Herkunftslandes, wozu auch der Islam gehöre. In Linköping gibt es jedoch bislang keine offizielle Moschee.
Unterschiede der Generationen
Dabei hätten die Mütter eine zentrale Rolle bei der Beeinflussung der Kinder. Allerdings könnten diese, sehr viele sind alleinerziehend, oft die schwedische Sprache nicht, teils wären es Analphabeten. Vor allem diejenigen, die in der Bürgerkriegszeit in Somalia aufgewachsen wären.
Die Kinder verfügen jedoch eher über die Kenntnisse der schwedischen Sprache und auch des Systems.
Somit gibt eine veränderte Machtbalance im Verhältnis Mutter Kinder. Sie übernehmen die Rolle der Erwachsenen.
Sira Jokinen Lisse
Dadurch geraten die Mütter unter Druck, gerade weil Schweden ein Fürsorgestaat ist, der rasch in die Familie eingreift, wenn dort etwas schieflaufe.
"Wenn Du mir das neue Mobiltelefon nicht kaufst, melde ich Dich beim Sozialdienst oder bei der Polizei an", so lauten klassische Erpressungssätze. Die Kinder könnten dann behaupten, geschlagen worden zu sein.
Die Jugendlichen, welche aus den Gangs aussteigen wollten, würden oft nicht von der Polizei ernst genommen. Deren Familien müsse man dabei helfen, aus Skäggetorp wegzuziehen. Es fehlt an Wissen voneinander auf beiden Seiten.
Nachdem sich die Situation in Skäggetorp 2021 deutlich verschlechterte, gingen die "Mamas der Welt" auf die Straße, auch die Politiker hörten nun zu. Die Vereinigung hat drei Hauptforderungen, um die Sicherheit in Skäggetorp zu verbessern.
Zum einen müsste den Frauen geholfen werden, Arbeit zu finden. Die meisten lebten von der Sozialhilfe. Dann sollten die Kinder bessere Verhältnisse in den Schulen vorfinden, nur 36 Prozent der Schüler in Skäggetorp mit seinen über 10.000 Einwohnern würden mit den Anforderungen zurechtkommen. Die Kommunikation zwischen Eltern und Schüler sollte verbessert werden, auch brauchten die Kinder mehr Freizeitangebote.
Für die langen Sommerferien sollten zudem Ferienjobs für die Kinder geschaffen, die Mütter in die Sicherheitsrundgänge einbezogen werden.
Das Millionenprogramm
Die Siedlung Skäggetorp war ein Bauprojekt des sogenannten "Millionenprogramms" der schwedischen Regierungen. Von 1965 bis 1975 sollten eine Million neue Wohnungen gebaut werden, um eine Lösung für die Wohnungsknappheit zu finden.
Viele dieser Siedlungen entwickelten sich zu sozialen Brennpunkten, aufgrund der monotonen Baukultur wichen die Besserverdienenden aus, es blieben die sozial Schwachen. Viele Migranten können sich allein dort eine Wohnung leisten. Das "Millionenprogramm" wird allgemein als eine der Ursachen der Segregation in Schweden gesehen.