Schweden: Zwischen Piste und Pandemie

Einige der Pisten des Unternehmens Skistar in Sälen. Bild: Skistar, CC BY-NC-ND 2.0

Der Wintersport-Ort Sälen lockt mit Schnee und Sonne. Doch auch im Fjäll bereitet der Tourismus in Pandemiezeiten zunehmend Sorgen

In Sälen, dem größten Ski-Ort Schwedens, sind die Vorhersagen zum Verlauf der Corona-Pandemie pessimistisch: "Wir haben keine Kontrolle über die Infektionslage und es ist besorgniserregend, dass es zu einem weiteren Druck auf das Krankenhauspersonal kommt, das sich bereits in einer sehr belastenden Lage befindet", so Marion Vaeggemose, die Vorsitzende des Pflegeverbandes in der Provinz Dalarna.

Vaeggemose hatte sich zuletzt wiederholt in überregionalen Medien mit mahnenden Worten zum Umgang mit dem Tourismus und der daraus erwachsenden Infektionsgefahr zu Wort gemeldet.

Es seien bereits zu viele Gäste gekommen, sagte sie. Auf Pisten, in den Alkoholläden und Geschäften gebe es Gedränge. Gerade in der Zeit um Neujahr herrscht dort großer Betrieb. Der Ort im schwedischen Fjäll mit 90 Liften und 100 Pisten sei gut gebucht, so wie im vorigen Jahr, so der schwedische Fernsehkanal STV.

Zwar können in Sälen die Ski- und Snowboardsportler nur Pisten mit einen Höhenunterschied von maximal 303 Metern herabfahren. Doch die Grenze zu Norwegen wird aktuell von Soldaten abgeriegelt. Und von den Ballungszentren Stockholm und Göteborg ist Sälen als familienfreundliches Wintersportzentrum gut erreichbar.

Ist das Skifahren aber zu verantworten, oder müssen sich das Bedürfnis nach Wintersport und die Tourismusindustrie, wie es etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel für ganz Europa empfahl, dem Kampf gegen den Corona-Virus unterordnen?

Schweden geht dabei erneut einen den Weg ohne viele Restriktionen. Das Land hat zwar seine bislang vornehmlich auf Empfehlungen basierende Epidemie-Politik verschärft. Den traditionelle Wintersport wollten die rot-grüne Regierung sowie die Gesundheitsbehörden nicht verbieten, sondern unter Auflagen genehmigen. Wenn auch diesmal die Politiker wie auch der Staatsepidemiologe Anders Tegnell vom Skifahren abrieten. Die "zweite Welle" hat das Land seit November erfasst.

Ski-Saison ging im März weiter

In vielen europäischen Ländern wie in Deutschland dürfen die Lifte demnächst erst in Betrieb genommen werden, in Österreich gibt es für die Skifahrer eine Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken, wenn sie in der Schlange warten oder Gondel fahren. Dies betrifft jedoch vor allem einheimische Wintersportler, Ausländer müssen zehn Tage nach Einreise in die Quarantäne. Das berüchtigte Ischgl soll zudem erst im Januar die Lifte laufen lassen, ohne Après-Ski-Angebote.

Apropos: Im März hatte Schweden Schlagzeilen gemacht, weil die Skisaison im Fjäll weiterlief, auch das Après-Ski-Treiben. Und dies, obwohl der österreichische Wintersport- und Partyort Ischgl als Virenschleuder bereits bekannt war und die von dort zurückkehrenden Touristen selbst im benachbarten Dänemark stark zur Ausbreitung von Covid-19 beigetragen hatten.

Das Unternehmen Skistar, das Kurse, Lifte, Hotels sowie Reisen in den schwedischen Orten Sälen, Are und Vemdalen managt, stoppte dort erst kurz vor Ostern auf eigenen Entschluss den Betrieb. Da der börsennotierte Konzern auch in zwei norwegischen Orten und in St. Johann in Österreich vertreten ist, die beide vom Lockdown betroffen waren, schrieb er in der vergangenen Saison 31 Millionen Euro Verlust.

Noch im Oktober 2020 verzeichnete das Unternehmen zehn Prozent mehr Buchungen als im Vorjahr für Schweden. Dann ließ die zweite Welle einige potentielle Wintersportler doch wieder vorsichtiger werden.

Für die aktuelle Saison versprach Skistar sichere Wintersportferien für seine drei schwedischen Orte. So soll in den Wärmestuben, Bussen und Gondeln die Personenzahl reduziert werden, Anmeldungen für die Liftanlagen werden ausschließlich digital abgewickelt.

Strengere Bestimmungen kamen spät

Ein im Oktober präsentiertes Konzept zum sicheren Feiern nach dem Tag auf der Piste bei dem die Gäste im Sitzen trinken, wurde hingegen gestoppt. Allerdings gibt es Alkoholausschank in den Restaurants und Bars bis 20 Uhr sowie, wie generell in Schweden, keine Maskenpflicht.

Nun wurden strengere Bestimmungen als im Frühjahr erlassen. Unter dem Personal des lokalen Gesundheitswesens herrscht jedoch eine ähnlich nervöse Stimmung wie im März und Anfang April. Und Appelle, die Wintersportler mögen auf den Pistenspaß verzichten, sind auch erneut zu hören.

"Manche kommen mit ernsthaften Krankheits- und Erkältungssymptomen her, andere sind positiv auf Corona getestet worden und sitzen die Quarantäne in ihren Hütten ab", so Erika Sundberg, Krankenschwester eines Gesundheitszentrums bei Are, einem Skizentrum mit anspruchsvolleren Abfahrten, der auch per Zug zu erreichen ist.

Sundberg fordert die Touristen auf, an die Konsequenzen zu denken und zurückzukehren, was auch ein Mediziner aus dem nahen Öresund unterstützt. Dort sei die Intensivstation bereits überlastet. Die Skigebiete sowie "Skistar" stehen darum unter medialer Beobachtung. So sorgte im Dezember für Schlagzeilen, dass vierzig Mitarbeiter des Wintersportkonzerns in Are eine Privatparty feierten und dass 30 Skistar-Mitarbeiter in Isolation mussten, nachdem es zu einem lokalen Corona-Ausbruch gekommen war. Und selbst Aftonbladet, eigentlich eine sozialdemokratische Zeitung, zeigte online Aufnahmen von Finanzministerin Magdalena Andersson, wie sie am 20. Dezember im schwedischen Wintersportort Sälen neue Skischuhe anprobiert.

Politiker halten sich nicht an eigene Regeln

Das war ein doppelter Skandal. Denn zum einen hatte die rot-grüne Minderheitsregierung zuvor selbst vom Wintersport abgeraten, zum anderen hatten Regierungsmitglieder eindringlich dazu aufgefordert, von unnötigen Einkäufen abzusehen.

Dann aber wurde publik, dass Premierminister Stefan Löfven mehrfach shoppen war, ebenso sein Justizminister. Zudem weilt Dan Eliasson, Direktor des Schwedischen Katastrophenschutzes, der auch für die Epidemiebekämpfung zuständig ist, derzeit auf den Kanarischen Inseln.

"Denk nach, ob eine Reise wirklich notwendig ist", heißt es auf der Webseite der Behörde, die der bestbezahlte Beamte des Landes leitet. Gerade er hatte den Schweden immer wieder ins Gewissen geredet. Obwohl in Schweden generell ein hohes Staatsvertrauen herrscht, sehen Beobachter mittlerweile irreparable Schäden im Verhältnis zwischen Bevölkerung und Regierung.

In Schweden hatten sich nach offiziellen Angaben zuletzt mehr als 437.000 Personen mit SARS-CoV-2 infiziert, mehr als 8.727 seien im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben.

Die Wintersport-Saison geht in Schweden bis Ostern, teils länger. Die Regionen in Mittelschweden haben noch relativ niedrige Fallzahlen, der Raum Göteborg und vor allem der Raum Stockholm, aus dem viele Touristen kommen, gelten hingegen als Corona-Hotspots.

Entscheidend für die Ansteckungsgefahr ist dabei nicht das Skifahren selbst, sondern das Verhalten der Menschen in geschlossenen Räumen, etwa in Wärmestuben, Gondeln, Skibussen, Geschäften, Restaurants und Hotels. Eine Prognose ist schwierig: Der Wintersport in Schweden wie in den Alpen ist ein Experiment mit ungewissem Ausgang.