Schweden und die CIA-Praxis des Verschleppens von angeblichen "Terroristen" in Folterländer
Über den Fall der mit US-Geheimdienst-Unterstützung durchgeführten heimlichen Abschiebung von zwei Asylbewerbern nach Ägypten wird die Praxis der "extraordinary renditions" wieder einmal zum Thema
Ausgerechnet in Schweden kam es am 18. Dezember 2001 zu einer schweren Verletzung der Menschenrechte. Am Abend diesen Tages wurden Ahmed Agiza und Muhammed Al Zery nach Ägypten abgeschoben. Die beiden Männer waren am Nachmittag in Karlstad bzw. in Stockholm auf offener Straße festgenommen und dann ohne Vorführung vor einem Richter ohne begründeten Verdacht maskierten amerikanischen Agenten am Stockholmer Bromma-Flughafen übergeben worden, die sie dann mit einem Spezialflugzeug aus Schweden herausbrachten. In Ägypten sollen die Entführten gefoltert worden sein, Agiza wurde von einem Militärgericht im April 2004 in Abwesenheit zu 25 Gefängnis verurteilt, Al Zery wurde zwei Jahre ohne jede Anklage festgehalten und im Oktober letzten Jahres aus der Haft entlassen. Das Land darf er nicht verlassen.
Die beiden Ägypter waren 1999 bzw. 2000 mit ihren Familien nach Schweden geflohen. In Ägypten waren sie wegen Unterstützung islamistischer Organisationen in einem der Schauprozesse, in denen Dutzende von Verdächtigen im Kurzverfahren abgeurteilt werden, zu langen Gefängnisstrafen verurteilt worden. Erst im Mai 2004 hatte das Politmagazin "Kalla Fakta" des Fernsehsenders TV4 aufgedeckt, dass das schwedische Kabinett in einer Sondersitzung am 18. Dezember 2001 der von der US-Regierung gewünschten "Abschiebung" unter Umgehung aller rechtsstaatlicher Verfahren zugestimmt hatte. Nach Informationen des schwedischen Geheimdienstes SÄPO wusste das Kabinett, welche Folgen eine Abschiebung haben kann.
Kurz nach der hastig getroffenen Entscheidung wurden die Männer festgenommen und den US-Geheimdienstagenten übergeben. Die Anwälte der beiden Entführten wurden erst zwei Tage später benachrichtigt, als diese schon in ägyptischen Gefängnissen verschwunden waren. Die schwedische Regierung hat der Abschiebung zugestimmt, weil einige Tage zuvor eine Vereinbarung mit der ägyptischen Regierung getroffen wurde, nach der ein fairer Prozess und keine unmenschliche Behandlung zugesichert wurde.
Aus Ägypten waren sie geflohen, nachdem die Behörden sie in Massenverhandlungen wegen Unterstützung einer terroristischen Organisation zu jeweils mehr als 20 Jahren Haft verurteilt hatten. Beide hatten in Schweden Asylanträge gestellt. Agiza gehörte dem Ägyptischen Islamischen Dschihad an und hatte auch mit Ayman Zawahiri, dem Leiter der Organisation, zusammen gearbeitet. Zawahiri ist angeblich Osama bin Ladens Stellvertreter. Auch bin Laden soll er einmal getroffen haben. Aus Ägypten war Agiza 1991 geflohen und lehnt nach eigenen Angaben seit Jahren das Vorgehen gewalttätiger islamistischer Gruppen ab. Von Zawahiri soll er sich bereits 1992 losgesagt haben. Zery soll auch in Abwesenheit in Ägypten verurteilt worden sein und wird beschuldigt, am Attentat auf Sadat 1981 beteiligt gewesen zu sein. Damals war er 13 Jahre alt. Nach seinen Anwälten liegt jedoch in Ägypten nichts gegen ihn vor.
Carl-Henrik Ehrenkrona vom schwedischen Außenministerium sagt denn auch, dass die Abschiebung formal rechtens gewesen sei, weil nach der UN-Resolution 19/73 das Recht auf Asyl erlischt, wenn der Asylsuchende gegen die Prinzipien der UN verstößt. Das eben sei bei den beiden Abgeschobenen der Fall gewesen, die für Terrororganisationen gearbeitet haben sollen.
Mit der Hilfe von maskierten US-Agenten
Unter dem Druck der Öffentlichkeit hat inzwischen die Frau von Ahmed Agiza mit ihren 5 Kindern eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Angeblich sollen beide Männer vor ein ägyptisches Militärgericht gestellt werden, Familienangehörige, die Anwälte und Menschenrechtsorganisationen berichteten, dass Ahmed Agiza in Ägypten misshandelt und gefoltert worden sei. Auch bei der Festnahme und Abschiebung in Schweden wird von Misshandlungen und schmerzvollen Fesslungen berichtet.
Nach einem Bericht eines Polizeioffiziers des schwedischen Flughafens hatten zwei schwedische Polizisten und zwei amerikanisches Englisch sprechende Männer in Anzügen die Ankunft der ihm gegenüber als gefährliche Terroristen beschriebenen Häftlinge berichtet und gebeten, sein Büro benutzen zu dürfen, bis sie mit dem Flugzeug weggebracht werden. Ein paar Minuten später seien die beiden Festgenommen mit einem halben Dutzend maskierter Agenten mit Hand- und Fußschellen gefesselt gekommen. Diese hätten dann die Kleidung der Ägypter zerschnitten, ihnen Zäpfchen in den Anus eingeführt und ihnen Overalls angezogen. Später seien sie mit einer Kapuze über dem Kopf zu einem Gulfstream V Jet gebracht worden. Dort wurden sie, wie man das von Fotos kennt, mit speziellen Gurten gesichert.
Wie die schwedische Regierung kürzlich bestätigt hat, geschah die Entführung auf Ansuchen der US-Regierung, die auch das Flugzeug, Geheimdienstagenten und logistische Unterstützung geboten hat. Das Flugzeug gehört Premier Executive Transport Services. Die Firma hat nur zwei Flugzeuge, die auf allen amerikanischen Militärstützpunkten landen dürfen. Auch in anderen Fällen war das Gulfstream-Flugzeug benutzt worden. Mittlerweile bedauert man die Abschiebung als Fehler. Die Regierung fordert eine internationale Untersuchung, möglichst im Rahmen der UN. Das Parlament hat mit einer Untersuchung über die Rolle der US-Geheimdienste begonnen.
All I want to say is that there was "before" 9/11 and "after" 9/11. After 9/11 the gloves come off.
Former cia Counterterrorism Director Cofer Black Testimony to the Joint House and Select Intelligence Committee, September 26, 2002
Outsourcen der Folter
Solche verdeckt ausgeführten Auslieferungen von Personen an befreundete Folterstaaten sind gängige Praxis bei der CIA (Das Böse steckt im System). So lassen sich die amerikanischen Rechtsvorschriften oder auch die von befreundeten Rechtsstaaten umgehen. Schon vor dem 11.9.2001 hat die CIA, wie der ehemalige Direktor Tenet vor einem Ausschuss einräumte, mindestens 70 solcher "extraordinary renditions" vorgenommen. Allerdings haben die USA nach dem 11.9. auch ein eigenes Lagersystem außerhalb des amerikanischen Staatsgebiets aufgebaut, in dem Festgenommene verschwinden können und sich mit mehr oder weniger legalen Mitteln befragen lassen.
Noch 2002 räumten alle Geheimdienste gegenüber der Washington Post ein, dass man bei Verhören auf Folter nicht verzichten könne - das hat damals keinen großen Aufschrei hervorgerufen, schließlich war auch schon zuvor die Abschiebepraxis bekannt gewesen (Etwas Foltern lassen bei Freunden, With a little help from my friends ....). Auch von Bagram, Diego Garcia oder anderen Lagern werden manche Unwillige an die befreundeten Folterstaaten mit Fragelisten ausgeliefert. Nach dem Urteilsspruch des Obersten Gerichts bezüglich Guantanamo - und nach dem Abu Graibh-Skandel - könnte die Überstellung von Gefangenen an "Freunde" wieder interessanter werden.
Die amerikanische Menschenrechtsorganisation Human Rights First hat in dem Bericht Ending Secret Detentions über das geheime US-Lagersystem auch die Praxis der "extraordinary renditions" thematisiert. Nicht nur in Afghanistan, in Diego Garcia, in Guantanamo oder im Irak gibt es solche Lager, in denen auch die CIA ihre Verhöre durchführt und in denen eine meist unbekannte Zahl von Menschen gefangen gehalten wird, sondern vermutlich auch in Jordanien oder Pakistan, aber auch auf Kriegsschiffen. Verlangt wird eine Beendigung des geheimen Lagersystems und der Auslieferung von Gefangenen in Länder, in denen gefoltert wird.
In den USA selbst wurde die Praxis des Kidnapping im November 2003 zum Thema. Im September 2002 war der aus Syrien stammende Kanadier Maher Arar auf dem JFK-Flughafen auf der Durchreise vom Urlaub in Tunesien nach Kanada festgenommen und, ebenfalls mit einem kleinen Flugzeug, zuerst nach Jordanien und dann Syrien verschleppt worden. In Syrien wurde er fast ein Jahr lang in einer winzigen dunklen Zelle eingesperrt und gefoltert. Nach seiner Freilassung und Rückkehr nach Kanada berichtete er über seine "extraordinary rendition" berichten. Arar hat Klage gegen die USA eingereicht, zudem findet seit Juni eine öffentliche Untersuchung des Falls statt, da auch hier die kanadischen Behörden mit den US-amerikanischen zusammen gearbeitet haben.
Der demokratische Abgeordnete Edward J. Markey hat Ende Juni einen Gesetzesentwurf (H.R.4674 ) im Repräsentantenhaus eingereicht, nach dem Auslieferungen in bestimmte Länder, die nach einer Prüfung auf einer Liste vom Außenministerium zusammen gestellt würde, grundsätzlich nicht möglich wäre. Schriftliche oder mündlichen Versicherungen, dass die Ausgelieferten human behandelt werden, wären nicht zulässig. Die Verdächtigen hätten das Recht auf einen juristischen Beistand. "Extraordinary renditions", ist Markey, ist ein "Outsourcen der Folter" und muss gestoppt werden.