Seehofer kokettiert mit Ablehnung von TTIP
Verwirrung um Verfassungsklage gegen Merkels Einlasspolitik
Nachdem am Wochenende TTIP-Verhandlungspapiere an die Öffentlichkeit gelangten, die Befürchtungen von Kritikern des Freihandelsabkommens teilweise übertreffen, hat der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer in Aussicht gestellt, er werde als CSU-Vorsitzender "kein grünes Licht für TTIP geben", "solange […] keine Transparenz hergestellt ist", weil er wolle, "dass die hohen Verbraucherstandards erhalten bleiben".
Ob das bedeutet, dass er das Freihandelsabkommen im Zweifelsfall stoppen wird, ist fraglich: Unter anderem deshalb, weil der ebenfalls zur CSU gehörige Bundesagrarminister Christian Schmidt im Bayerischen Rundfunk gleichzeitig verlautbarte, dass diese Verbraucherschutzstandards "kein Tauschobjekt gegen gemeinsame Technikstandards" seien und durch TTIP "nicht angetastet" würden, auch wenn die Amerikaner das gerne hätten. Damit liegt er auf einer Linie mit EU-Kommissarin Cecilia Malmström, die entsprechende Vorwürfe gestern ebenfalls zurückwies.
Bausback bestätigt Meldung zum Klageverzicht, Seehofer widerspricht
Zudem ist Seehofer dafür bekannt, seine Meinung öfter zu ändern. Dies gilt möglicherweise auch für die angedrohte Verfassungsklage gegen Angela Merkels Einlasspolitik: Am Sonntag bestätigte der bayerische Justizminister Winfried Bausback einen Bericht der Wochenzeitung Die Zeit, dem zufolge der Freistaat trotz eines nicht auf die von der Staatsregierung vorgebrachten Argumente eingehenden Antwortbriefs der Bundeskanzlerin und trotz eines aussichtsverheißenden Gutachtens des ehemaligen Verfassungsrichters Udo di Fabio keine Verfassungsklage gegen Angela Merkels Einlasspolitik einreichen will.
Bausbacks Worten nach "sieht der Freistaat dazu […] keine Notwendigkeit mehr", weil der "[Migrations]druck nachgelassen" habe, weshalb die Staatsregierung "Bayerns Handlungsfähigkeit und Eigenstaatlichkeit […] gegenwärtig, nicht mehr unmittelbar in Gefahr" sehe. Nachdem der ehemalige CSU-Vize Peter Gauweiler das in einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung als schweren Fehler kritisierte, meldete sich Seehofer selbst zu Wort und dementierte die Aussagen seines Justizministers Bausback (der gestern Abend für eine Stellungnahme dazu, ob er seine Äußerung vorher mit dem Ministerpräsidenten abgesprochen hatte, nicht mehr erreichbar war). Seehofers neuen Angaben zufolge behandelt das bayerische Kabinett die Klage erst nächste Woche.
Klarere Ablehnung in Österreich
Sehr viel klarer als Seehofer haben sich die beiden verbliebenen österreichischen Bundespräsidentenkandidaten Norbert Hofer und Alexander van der Bellen gegen TTIP ausgesprochen: Nach der Ankündigung des Freiheitlichen Hofer, als Bundespräsident das umstrittene Freihandelsabkommen nur nach einer vorher durchgeführten Volksabstimmung zu unterschreiben, meinte der von den Grünen unterstützte van der Bellen, er würde es ebenfalls nicht unterschreiben, dann brauche es gar keine Volksabstimmung dazu (vgl. Scheitert TTIP an Österreich?). Bei den deutschen Grünen zeigte sich der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann dagegen vor wenigen Tagen noch als Unterstützer von TTIP.
Neben privaten Schiedsgerichten, vor denen Unternehmen Länder verklagen können, wenn sie deren Gesetze als profitmindernd ansehen, soll TTIP der European Digital Rights (EDRi) zufolge auch Wünsche von Lobbyisten der Immaterialgüterrechteinhaberindustrie erfüllen, die zu Lasten von Verbrauchern gehen. Auch hier sind private "Durchsetzungsmaßnahmen" vorgesehen, die es Unternehmen erlauben, den Zugang und die Vervielfältigung von Inhalten an gesetzlichen Regelungen vorbei zu erschweren.
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