Seehofers Syrien-Populismus
- Seehofers Syrien-Populismus
- In Syrien "verschwundene Rückkehrer"
- Auf einer Seite lesen
Bundesinnenminister tritt für Abschiebungen in das Kriegsland ein, obwohl sie nicht umsetzbar sind. Innenminister von Grünen und SPD aus den Ländern willigen ein
Kurz vor Weihnachten überkam Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) der dringende Wunsch, syrische Flüchtlinge, die als "Straftäter und Gefährder" aufgefallen seien, in deren Heimat abzuschieben. Wegen der unklaren prekären Lage im Bürgerkriegsland wurde seit acht Jahren von solchen Abschiebungen abgesehen. Wie hätten sie auch erfolgen sollen? Da sich die Bundesregierung weigert, mit dem Regime von Baschar al-Assad in Damaskus auch nur zu reden, fehlt es schlicht an jeglichen staatlichen Kontaktstellen im Land. Die deutsche Botschaft in Damaskus wurde ebenfalls im Januar 2012 geschlossen.
Die Forderung des Bayern sei daher "ein Stück weit populistisch", beschied Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD). Sein Amtskollege Georg Maier (SPD) aus Thüringen nannte die Debatte gar eine "Scheindiskussion". Die Behörden könnten die Leute ja nicht mit dem "Fallschirm über Syrien abwerfen".
Hat sich die CSU aber erst einmal etwas in den Kopf gesetzt, zählen rationale Argumente – siehe das Desaster mit der Ausländermaut – ohnehin nicht mehr. Man will, so hieß es aus dem Innenministerium, Syrer "zum Schutz der bayerischen Bevölkerung" außer Landes bringen, sobald es die Lage erlaube. Erlaubt es die Lage? Darauf erhalten Neugierige keine Antwort.
Tatsächlich geht es auch hier um vorgezogenen Wahlkampf und Positionierung in der Flüchtlingsfrage. In der Praxis spielt das Thema aufgrund der fehlenden diplomatischen Kontakte zum Assad-Regime keine Rolle. Für die regierenden Bajuwaren trägt aber auch daran das Auswärtige Amt Schuld.
Man forderte von Außenminister Heiko Maas (SPD) zunächst eine "Lagebeurteilung der Situation in der Syrischen Arabischen Republik", die er schuldig geblieben sei. Doch auch hier schlagen Fakten die veröffentlichte plumpe Meinung.
Die "Lagebeurteilung" war bereits erstellt und der Innenministerkonferenz (IMK) auch zugeleitet worden. "Anmerken" wollte man seitens der Bundesregierung zum vertraulichen Bericht lediglich, dass Syrer "auch vom Regime selbst ganz unterschiedlichen Gefahren ausgesetzt seien, wenn sie ins Land zurückkehren".
Lagebericht über Syrien war bekannt
Dennoch hielt der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) weiter völlig ungeniert an der Position fest. Laut christsozialer Meinung aus München bleibe das Auswärtige Amt Auskünfte weiterhin schuldig, obgleich selbst Seehofers Sprecher Steve Alter in Berlin vor Wochen vor der Bundespressekonferenz kleinlaut deren Eingang bestätigen musste. Der Bericht war also bekannt und konnte von der IMK so als Grundlage für die Beratungen genutzt werden. Wenn sie es denn wollte.
Obgleich solcherart gepiesackt gibt sich das Außenamt aber gegenüber dem schwarzen Koalitionspartner weiter loyal und schluckt brav die unangebrachte Polemik aus dem Freistaat. Argumentativ aufklären mag man erstaunlicherweise auch nicht und findet keine Antwort. Für solche Fragen sei schließlich nur das CSU-geführte Innenministerium (BMI) zuständig, bescheidet die Pressestelle des Außenamtes treuherzig. Also wieder Seehofer.
Stellung will man zu den Anwürfen aus Bayern aber nicht nehmen. So legt das Alpenland in Richtung Berlin in Sachen Abschiebung politisch munter weiter nach: Die Außenpolitik gegenüber Syrien sei, so Herrmann, "in einer Sackgasse gelandet" und "Denkverboten" unterworfen.
Was meint man mit Denkverbot? Also doch Beziehungen "zum Verbrecher Assad", in dessen Beurteilung man sich parteiübergreifend einig ist? Konkreter wird der Staatsminister nicht. Denn die "außenpolitische Frage", ob man mit dem Regime in Damaskus redet, sei doch durch die Bundesregierung zu entscheiden, meint der bayerische Syrien-Experte Herrmann. Also will er nun – so eine Nachfrage dieser Redaktion –, dass man mit Assad redet? Keine Antwort.
So geht das Ping-Pong-Spiel munter weiter. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mag sich gar nicht äußern, obgleich es für Abschiebungen aus den zuständigen Bundesländern die entsprechenden Einschätzungen vornimmt.
Aber was soll die Behörde auch sagen? Schließlich will man es sich mit dem Dienstherrn Seehofer nicht verderben. Also meint man lieber nichts. Das BMI meint dagegen, es sei "mit dem BAMF vereinbart", 2021 Gefährder und Straftäter nach Syrien abzuschieben. Die Vereinbarung ist dort nicht bekannt. Aber Ober sticht Unter.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.