Selbst ein Bein gestellt
Einer der zwölf von der GEMA im YouTube-Prozess vorgelegten Titel facht die Debatte um Verteilungsgerechtigkeit an
Weil die GEMA vom Streamingportal YouTube für dort von der Musikindustrie, von Bands und von Privatnutzern eingestellte Stücke Summen sehen will, die nach Ansicht von Googles weit jenseits jeder Rentabilität liegen, hat die deutsche Musikverwertungsgesellschaft den amerikanischen Konzern verklagt. Zur Begründung dieser Klage legte sie eine Liste mit zwölf Musiktiteln vor.
Eines dieser Stücke ist Rivers of Babylon. Dem Musiker und Kneipier Johannes Thon, der im Landesvorstand der rheinland-pfälzischen Piratenpartei sitzt, fiel nun auf, dass in der Datenbank der GEMA nicht nur die jamaikanischen Musiker Brent Dowe und Trevor McNaughton als Komponisten und Textdichter des Stücks aufgelistet sind, sondern auch der Boney-M.-Produzent Frank Farian sowie dessen Mitarbeiter Hans-Jörg Mayer (der sich hinter dem Pseudonym "George Reyam" verbirgt). Außerdem wird noch ein ominöser "DP" als Textdichter genannt.1
Farian hatte das Stück 1978 in einer langsamen Disco-Version veröffentlicht und damit sehr viel mehr Erfolg als Brent Dowe und Trevor McNaughton mit ihrer 1969 aufgenommenen Rocksteady-Version, für deren Betextung sie auf die Psalmen 137,1-9 und 19,14 zurückgriffen. Die beiden Versionen lassen sich zwar auseinanderhalten, aber was genau die deutlich jüngere Boney-M.-Einspielung zur kompositorischen Eigenleistung erheben soll, bleibt offen. Auch deshalb, weil die GEMA für kleine Veränderungen an Stücken die spezielle Kategorie "Bearbeiter" hat, in der aber nur Farians Arrangeur Stefan Klinkhammer eingeordnet ist.
Auf dieses Rätsel angesprochen meint man bei der GEMA gegenüber Telepolis, es handele sich bei dem Boney-M-Titel Rivers Of Babylon um kein "Plagiat", sondern um eine "Gemeinschaftskomposition des Autorengespanns von Boney-M. mit dem Autorengespann von The Melodians". So etwas sei "keine Ausnahme, sondern der Regelfall" und könne sich ergeben, wenn Personen im Team komponieren oder wenn ein Musikwerk nachträglich bearbeitet wird. Unbeantwortet lässt man Fragen danach, welchen Anteil aus den Tantiemen Farian und Mayer bekommen und welchen die Jamaikaner.
Es scheint deshalb nicht ausgeschlossen, dass ein findiger Urheberrechtsanwalt eine Menge Geld verdienen könnte, wenn er die Adressen von Trevor McNaughton und ein paar Erben in Jamaika ausfindig macht und diese Personen kontaktiert. Die Übervorteilung von Musikern aus einfachen Verhältnissen wäre bei der GEMA auf jeden Fall kein Novum: Vor einigen Jahren kam heraus, dass der ehemalige GEMA-Aufsichtsrat Egon Frauenberger sich unberechtigt als Bearbeiter des Kufsteinliedes eintrug, wodurch ihm erhebliche Tantiemen aus den regelmäßig auf Volks- und Vereinsfesten gespielten Schlagers zuflossen. Als die Erben misstrauisch wurden, reagierte die Verwertungsgesellschaft, in der der mittlerweile verstorbene Musikverleger unter anderem im Beschwerdeausschuss saß, nicht auf deren Briefe und versuchte die Zuständigkeit von sich zu weisen.
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