Separatisten in Europa machen mobil

Am Wochenende wird es in Brüssel eine Kundgebung geben, in Italien wollen nach dem Veneto auch Südtiroler und Sarden Volksabstimmungen

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Das Referendum auf der Krim wird von den meisten Ländern nicht anerkannt, unklar bleibt zudem, ob die Zahlen, die an die Wahlergebnisse in den Zeiten des realen Kommunismus oder in Nordkorea erinnern, zutreffen. Nach Angaben der Krim-Regierung haben 96,8 Prozent für die Unabhängigkeit und den Anschluss an Russland gestimmt, die Wahlbeteiligung soll bei 81,3 Prozent gelegen haben. Obgleich die Krim nur schnell unabhängig erklärt wurde, um sofort zum Teil der Russischen Föderation zu werden, haben viele Unabhängigkeitsbewegungen aufgehorcht und dies als Signal verstanden.

Vor kurzem haben mehr als 2 Millionen Menschen im italienischen Veneto, was mehr als die Hälfte der 4 Millionen Wahlberechtigten sind, bei einer nicht offiziellen Abstimmung für die Unabhängigkeit der Region mit insgesamt 6 Millionen Einwohnern gestimmt ("Wir sind hier, um die Unabhängigkeit zu erklären"). Die Initiatoren wollen nun eine offizielle Abstimmung erreichen und die rechtlichen Möglichkeiten erkunden, einen unabhängigen Staat mitten in Italien gründen zu können. Im reichen Veneto geht es den Initiatoren bei der Unabhängigkeit vor allem darum, keine Steuern zahlen zu müssen, die an die ärmeren Regionen fließen. Man will also aus dem Solidarbund des italienischen Staats aussteigen und hofft damit, Steuern senken und mehr Geld in der eigenen Tasche haben zu können.

Auch im Norden des Veneto, in Südtirol, der reichsten Provinz Italiens, werden die Stimmen wieder lauter, die darauf drängen, die Region aus Italien zu lösen und zu einem unabhängigen Staat zu machen ("Sezession ist Sezession!?"). Im Februar entschied sich in einem Referendum die Mehrheit der Südtiroler schon einmal dafür, die direkte Demokratie und damit Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung zu stärken. Südtirol kam nach dem Ersten Weltkrieg zu Italien. Die italienischen Faschisten hatten versucht, die deutsche Sprache zu verdrängen und auch die Ortsnamen zu italienisieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg erstarkte die Unabhängigkeitsbewegung, 1972 wurde die Zweisprachigkeit verordnet, um die Ortsnamen wird weiterhin gestritten, die Autonomie Südtirols ist jetzt schon relativ weitreichend. Der Anteil der Italiener liegt bei um die 23 Prozent. Im letzten Jahr verlor die lange herrschende konservative "Südtiroler Volkspartei" (SVP), die eine Vollautonomie anstrebt, bei den Wahlen, während die "Die Freiheitlichen" (DF), ein Ableger der FPÖ, mit fast 18 Prozent deutlich zulegte. Im Wahlprogramm wird als erster Schritt zur Autonomie die Einrichtung eines "Freistaats Südtirol" gefordert.

Die rechtsnationalistische Süd-Tiroler Freiheit erzielte mit über 7 Prozent ebenfalls ein gutes Ergebnis und erhielt damit doppelt so viele Stimmen wie bei der letzten Landtagswahl 2008. Die Partei fordert ein Referendum, tritt für die Unabhängigkeit und Selbstbestimmung oder für einen Anschluss an Österreich ein. Begrüßt wurde natürlich das Ergebnis der Umfrage in Venetien: "Die klare Willensäußerung des Volkes mit 89 Prozent der Wahlbeteiligten für eine unabhängige und souveräne Bundesrepublik Venetien erfordert nun die Solidarität und Zusammenarbeit all jener Völker, die durch die Selbstbestimmung ebenfalls frei werden wollen."

Auch die Unabhängigkeitsbestrebungen der Schotten und Katalanen (Katalonien ist nicht souverän, meinen spanische Verfassungsrichter) geben den Separatisten neben dem "Erfolg" auf der Krim Aufwind. Am Wochenende nimmt die Partei an einer Demonstration in Brüssel teil, die von der "International Commission of European Citizens" (ICEC) organisiert wird:

Nachdem das selbstverwaltete Referendum im Veneto, sowie die umstrittene Abstimmung in der Krim in den letzten Tagen bereits weltweit große Wellen geschlagen hat, wird die Selbstbestimmungsbewegung am kommenden Sonntag einen weiteren wichtigen Aufschub bekommen. Aus ganz Europa werden Delegationen der verschiedensten Verbände, Vereine und Parteien zur Selbstbestimmungs-Kundgebung anreisen, um ein klares Zeichen für ein Europa der Völker und Regionen zu setzen. Darunter werden dieses Mal neben Katalanen, Basken, Flamen, Venetier und Schotten auch zahlreiche Süd-Tiroler mit dabei sein!

Süd-Tiroler Freiheit

Ab dem 22. April wird von der ICEC eine europaweite Online-Petition gestartet. Ziel ist es, mindestens Million Unterschriften für die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts als Grund- und Menschenrecht in der EU zu sammeln.

In Sardinien macht sich die Partito Sardo d’Azione (Psd'Az) für die Unabhängigkeit stark. Nach der Krim und Venetien wittert man in der Partei schon nach dem Ersten Weltkrieg gegründete Partei größere Chancen. Die in Venetien ausgerufene "digitale Revolution", d.h. schlicht eine Online-Abstimmung, soll auch in Sardinien umgesetzt werden. Man bereite bereits alles vor, verkündet Parteisekretär Giovanni Colli. Wie in Venetien wolle man die Sarden fragen, ob sie die Unabhängigkeit wünschen. Das Thema sei sehr aktuell und man sei interessiert, den Willen des Volkes zu hören. "Sardinien wird es wie der Veneto machen", sagt auch Parteichef Giacomo Sanna. Im Regionalrat will die Partei zudem heute einen Antrag auf Abhaltung einer Volksabstimmung über die Unabhängigkeit einbringen. Die Sarden müssten die Möglichkeit haben, sich zu einem solch wichtigen Thema zu äußern.

Und auch in der Lombardei will die Lega Nord die Gunst der Stunde ausnutzen, um eine ähnliche Befragung wie im Veneto durchzuführen: "In der Lombardei planen wir ein Unabhängigkeitsreferendum", sagte Lega Nord-Chef Matteo Salvini. "Es wird ein offizielles Referendum sein. Die gesamte Mitte-Rechts-Koalition im lombardischen Regionalparlament wird außerdem einen Gesetzesentwurf für die Umwandlung der Lombardei in eine Region mit Sonderautonomie einbringen."