Serbischer Ministerpräsident schlägt Westbalkan-Zollunion vor

CEFTA-Staaten (gelb) und EU-Mitgliedsstaaten (blau). Karte: Stefan040780. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Aufbau soll eine schnellere Aufnahme in die EU ermöglichen

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Aleksandar Vučić, der Ministerpräsident von Serbien, hat vorgeschlagen, dass sein Land mit den anderen fünf Westbalkanländern Montenegro, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina, Albanien und Kosovo eine Zollunion bildet. Vucic überreichte Kern ein entsprechendes Grundsatzpapier. Nach eigenen Angaben hat er darüber bereits mit dem bosnischen Ministerpräsidenten Denis Zvizdić und mit seinem albanischen Amtskollegen Edi Rama gesprochen.

Diese Westbalkan-Zollunion soll Vučićs Worten nach nicht nur bewirken, "dass unsere Lastwagen nicht mehr 20 Stunden an den Grenzen verbringen", sondern auch die Teilnehmerstaaten "einander näher bringen" und zu einer schnelleren Aufnahme in die EU beitragen. Ein Grundsatzpapier dazu überreichte er gestern dem österreichischen Bundeskanzler Christian Kern bei dessen Staatsbesuch in Belgrad.

Konfliktreiche jüngere Geschichte

Die sechs Westbalkanländer gehörten früher zum Osmanischen Reich und (bis auf Albanien) zu Jugoslawien, das in den 1990er und 2000er Jahren zerfiel: Während es bei der Abspaltung der ethnisch relativ homogenen und mittlerweile in die EU aufgenommenen Alpenregion Slowenien kaum Kampfhandlungen gab, wurde durch die Anerkennung Kroatiens als unabhängiger Staat ein Krieg entfacht, der viele Tote und Vertriebene zur Folge hatte.

Noch wesentlich blutiger und mit mehr Vertreibungen verlief die Abspaltung Bosnien-Herzegowinas, die gegen den Willen des serbischen Drittels der dortigen Bevölkerung durchgeführt wurde und bei der sowohl von serbischen Tschetnik-Freischärlern als auch von arabischen Dschihadisten, die auf Seiten der moslemischen Bosniaken kämpften, Massaker und Greuel verübt wurden. Der Konflikt konnte nur dadurch beruhigt werden, dass man den drei großen Volksgruppen - Serbien, Bosniaken und Kroaten - in ihren jeweiligen Regionen innerhalb Bosnien-Herzegowinas weitgehende Selbständigkeit gewährte.

Der Kosovo, der keine eigene Republik, sondern eine Region Serbiens war, wurde erst durch eine Intervention der NATO unabhängig, nach der - außer in der Region Mitrovica - fast alle dort lebenden Serben von der albanischen Bevölkerungsmehrheit vertrieben wurden. Die politische Herrschaft übernahmen Gruppen und Personen, die eng mit dem Organisierten Verbrechen verbunden waren (vgl. Klares Votum für ein unabhängiges Mafiastan).

Trotz dieser Konflikte unterzeichneten alle sechs Westbalkanländer das mitteleuropäische Freihandelsabkommen CEFTA, 1992 von Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei ins Leben gerufen wurde und als "Vorbereitungsklasse" für den Beitritt zur EU gilt. Dieses Abkommen soll die Grundlage für die neue Westbalkan-Zollunion sein.

Österreich für schnellere EU-Aufnahme Serbiens

Kern meinte zu Vučić Plan, dieser sei "ein Weg, den Wohlstand in der Region zu erhöhen", und meinte, es sei jetzt Zeit für eine "intensive Diskussionen" darüber, wie sich Serbiens Aufnahme in die EU beschleunigen lässt. Er, so Kern, "habe den Eindruck, dass wir hier mehr machen können, mehr machen müssen, dass wir uns intensiver engagieren müssen". Dem sollten sich Brüssel und andere EU-Mitgliedsländer nicht in den Weg stellen, denn hier rede man nicht "über den Hinterhof, [sondern] über das Wohnzimmer der EU" und das "Kernland Europas", als dessen Aufnahmeanwalt er Österreich unter anderem deshalb sieht, weil die Alpenrepublik dort der größte ausländische Investor ist.

Vučić selbst lobte der österreichische Bundeskanzler als "Mann des Ausgleichs und des Friedens" der "enorme Anstrengungen" zur Bewältigung der Migrationspolitik unternommen habe, von denen andere europäische Länder "ganz enorm profitierten". Weil der serbische Ministerpräsident außerdem ein "nobler Mensch" sei, der "nie um etwas bittet", forderte Kern an seiner Stelle eine deutliche Erhöhung der bislang "relativ bescheidenen Zuwendungen von der EU".

Österreich wird Serbien ab März nicht nur mit neuen Nachtsichtgeräten, sondern auch mit zusätzlichen Polizisten bei der Grenzsicherung unterstützen. Vučić meinte dazu, Serbien werde heute von Österreich besser verstanden als von anderen Staaten und erinnerte an den Ersten Weltkrieg, der ausbrach, nachdem Serbien sich weigerte, die Entsendung österreichischer Soldaten und Polizisten zu akzeptieren. "Heute", so der Ministerpräsident, "können wir es kaum erwarten, dass die Zahl der Soldaten und Polizisten aus Österreich zunimmt - das zeigt, dass sich manche Dinge geändert haben, und das wir die Probleme heute partnerschaftlich angehen."

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