Sicherheitskontrollchaos am Münchner Flughafen

Symbolbild: Pexels. Lizenz: Public Domain.

Eine Panne hat zu Ferienbeginn "massive Störungen" ausgelöst, wegen denen es auch heute noch zu "Verzögerungen und Flugausfällen bei den Abflügen" kommt

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Eine Panne bei den Sicherheitskontrollen hat gestern dazu geführt, dass zum Ferienbeginn in Bayern am Terminal 2 und am Satelliten-Terminal des größten bayerischen Flughafens sieben Stunden lang keine Maschinen starten konnten. 220 Flüge fielen deshalb ganz aus, bei mindestens 60 weiteren kam es zu deutlichen Verspätungen. Sogar heute ist der Betrieb noch beeinträchtigt.

Der Sicherheitsbereich blieb fünf Stunden komplett gesperrt, weil die deutsche Bundespolizei nach einer etwa 40-jährigen Frau fahndete, die das Sicherheitspersonal nach einer Kontrolle im Körperscanner dazu aufgefordert hatte, "eine Flüssigkeit, die sich in einer Tasche von der Größe eines Kosmetikkoffers befand" in ein Plastiktütchen zu stecken, weil das vorgeschrieben sei. Die Frau ging daraufhin zurück, besorgte sich aber kein Plastiktütchen, sondern kam stattdessen ohne Handgepäck und wurde durchgelassen.

"Entsprechende Maßnahmen" und "entsprechende Folgen"

Als das Luftamt Südbayern, die Aufsichtsbehörde der Flughafensicherheit, davon erfuhr, informierte es die deutsche Bundespolizei, die daraufhin die Räumung des gesamten Terminals 2 und des Satelliten-Terminals anordnete. Das, so Bundespolizeisprecher Christian Köglmeier, seien die "entsprechenden Maßnahmen", wenn "Passagiere, in den Sicherheitsbereich gelangen", die nicht "lückenlos kontrolliert" wurden.

Die "entsprechenden Maßnahmen" hatten "entsprechende Folgen": Die Feuerwehr musste mit Großlüftern Frischluft in die bald völlig überfüllte Wartehalle blasen, in der die Temperaturen solche Höhen erreichten, dass das Rote Kreuz ein Zelt zu medizinischen Versorgung der Wartenden aufbaute. Die Passagiere, die nicht wussten, was los ist und wie lange sie noch warten mussten, versuchte man mit wiederkehrenden Lautsprecherdurchsagen zu beruhigen. Währenddessen durften andere Passagiere, deren Maschinen gelandet waren, stundenlang nicht aussteigen.

Entschädigung?

Als die deutsche Bundespolizei die Frau schließlich identifizierte, stellte sie fest, dass es sich nicht um eine Terroristin, sondern um eine laut Bayerischem Rundfunk "ganz normale Flugreisende" handelt, bei der es Köglmeiers Worten nach "aus bundespolizeilicher Sicht keinen Anlass" gibt, gegen sie "vorzugehen". Die Bezirksregierung von Oberbayern spricht stattdessen von "individuellen Versäumnisses des Personals an der Sicherheitsschleuse".

Dass Geschädigte erfolgreich zivilrechtliche Ansprüche gegen die Frau geltend machen können, ist angesichts dieser Aussagen eher unwahrscheinlich. Eine andere Option wären Klagen gegen die Sicherheitsmitarbeiter und deren Arbeitgeber. Ob die EU-Fluggastrechte-Verordnung 261/2004, die Entschädigungszahlungen und die Erstattung von Kosten für Übernachtungen und Umbuchungen verspricht, hier anwendbar ist, hängt unter anderem davon ab, ob man das Ereignis als "höhere Gewalt" einstuft.

Weil beim Geltendmachen von Schadensersatz bei Flugärger der zeitliche Aufwand schnell den Nutzen übersteigen kann, haben sich spezialisierte Dienstleister etabliert, die anbieten, die Arbeit für einen Anteil von 25 bis 30 Prozent an der Entschädigung zu übernehmen. Auch die Frage, ob Pauschaltouristen den Reisepreis entsprechend mindern können, wenn sie statt im Hotelbett im Kreislaufkollapszelt der Feuerwehr liegen, ist oft in den Händen von Experten, die sich nicht erst aufwendig einlesen müssen und die Tricks und Fußangeln kennen, besser aufgehoben.

Reisestress

Das Chaos zu Ferienbeginn führt erneut vor Augen, das Reisen häufig kein Vergnügen ist - nicht nur, dann, wenn man dazu das Flugzeug nimmt (vgl. Nach United-Skandal: US-Politik beschäftigt sich mit Überfüllung als Geschäftsmodell). Auch Bahnfahren ist unbequem, rechtlich risikoreich und mit Problemen wie langen Wartezeiten, überfüllten Abteilen, überteuerten Verpflegungsangeboten sowie Auskunfts- und Anschlusschaos verbunden (vgl. Rechtliche Ungleichbehandlung).

Trotzdem scheint sich ein großer Teil der Bevölkerung geradezu an eine sozialen Reisepflicht gebunden zu fühlen, deren Wurzeln ins 19. Jahrhundert zurückreichen, als das Bürgertum in den heißen Monaten die damals noch beträchtlich stinkenden Städte verließ und in den kühleren Bergen oder in Seebädern die "Sommerfrische" suchte. Wie bei anderen Bräuchen folgten auch hier die unteren Schichten einem von Pierre Bourdieu in La Distinction beschriebenem Mechanismus und versuchten, es diesen Schichten gleichzutun (vgl. Reisen ist Arbeit).

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