Sieg durch Parteiverbot?
Bei der Parlamentswahl in Moldawien verliert das bisher regierende Pro-EU-Bündnis Stimmen, liegt aber durch den kurzfristigen Ausschluss der prorussischen Vaterlandspartei vorne
Gestern wurde in Moldawien ein neues Parlament gewählt. Nach Auszählung von über 85 Prozent der Stimmen liegt das regierende Dreierbündnis aus den zwei liberalen Parteien PLDM und PL und der sozialdemokratischen PDM, das bei der letzten Wahl auf 52,1 Prozent kam, bei etwa 44 Prozent. Dieses Bündnis warb auf Plakaten mit der NATO-Flagge und ratifizierte im Sommer ein Assoziationsabkommen mit der EU.
Die kommunistische PCRM, die in den Nuller Jahren Mehrheiten erreichte und (teilweise mit Unterstützung der untergegangenen christdemokratischen PPCD) den Präsidenten stellte, hat angekündigt, dieses Abkommen revidieren und das Verhältnis zu Russland verbessern zu wollen. Sie landete mit etwa 18 bis 19 Prozent hinter der faktischen PPCD-Abspaltung PSRM, die einen Beitritt zu Moskaus Eurasischer Union befürwortet und voraussichtlich auf 21 bis 22 Prozent kommt.
Die neue prorussische Partei Vaterland, die in Umfragen bei mindestens acht Prozent gemessen wurde und eine Koalition der PCRM und der PSRM stützen hätte können, wurde am Donnerstag kurzfristig von der Wahl ausgeschlossen, weil sie eine nicht genehmigte Parteispende aus dem Ausland erhalten haben soll. Alle anderen Parteien scheiterten voraussichtlich an der Sechs-Prozent-Sperrklausel.
Moldawien gehörte im 19. und 20. Jahrhundert abwechselnd zu Russland (beziehungsweise der Sowjetunion) und zu Rumänien (beziehungsweise dem Fürstentum Moldau). Von den etwa drei Millionen Einwohnern sprechen etwa drei Viertel vorwiegend die Amtssprache Rumänisch und ungefähr 15 Prozent Russisch. Darüber hinaus gibt es eine ukrainische, eine bulgarische und eine christlich-türkische (gagausische) Minderheit.
Beim Zerfall der Sowjetunion machten die Russen und Ukrainer östlich des Dnjepr und die Gagausen im Süden eigene Ansprüche auf Unabhängigkeit von der ehemaligen Sowjetrepublik geltend. Die Gagausen akzeptierten 1994 einen Verbleib bei Moldawien mit weitgehenden Autonomierechten, während sich in Transnistrien - wo die Bevölkerung zu etwa gleichen Teilen aus Russen, Rumänen und Ukrainern besteht - nach einem Krieg mit über tausend Toten ein De-Facto-Staat mit eigener Verwaltung und eigener Währung etablierte, der seit einem Vierteljahrhundert von dort verbliebenen russischen Streitkräften geschützt wird. Ein Angebot Moskaus, Moldawien als Bundesstaat wiederzuvereinen, wurde 2003 von der Regierung in Kischinau zurückgewiesen.
Die EU-Erweiterungsbestrebungen brachten neuen Brennstoff in diesen Konflikt: Nachdem das moldawische Parlament am 2. Juli ein Assoziierungsabkommen mit der EU ratifizierte, forderte die Regierung von Transnistrien die Aufnahme ihres Landes in die Russische Föderation und Gagausenführer drohten erneut mit einer Sezession.
Der Rest der Moldawier zeigte sich in Umfragen unentschlossen zwischen einem EU-Beitritt und einen Beitritt zur Eurasischen Wirtschaftsunion: Das dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass der Anschluss an die EU hinsichtlich der Freizügigkeit von Arbeitskräften faktisch ohnehin schon erfolgt ist, weil die rumänische Regierung an Moldawier ähnlich großzügig rumänische Pässe vergibt wie die Bundesrepublik Deutschland früher westdeutsche an DDR-Bürger.
Wer als Moldawier in Westeuropa arbeiten will, muss also einfach kurz über die Grenze und sich dort einen rumänischen Pass abholen. Viele Moldawier sehen deshalb in einem offiziellen EU-Anschluss nur mehr bedingt Vorteile, befürchten aber eine Beibehaltung oder Verschärfung der russischen Lebensmittelimportbeschränkungen, Probleme bei den Gaslieferungen und aufenthaltsrechtliche Nachteile für die etwa 500.000 moldawischen Staatsbürger, die in Russland arbeiten und ihre Verwandten im Armenhaus Europas von dort aus mit Geld versorgen.
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