Sieger in schwieriger Lage

Seite 3: Grüne Happiness

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Die Grünen waren unter ihrer Parteivorsitzenden Eva Glawischnig in der Wohlfühloase krepiert. Sorgsam war man jahrelang darauf bedacht, keine kontroversen Themen anzusprechen, und hoffte dabei, das stetige Wachstum fortsetzen zu können. Bei der letzten Nationalratswahl 2017 flog man aus dem Nationalrat, Glawischnig hatte wenige Monate zuvor die Partei verlassen und war zum Glücksspielkonzern Novomatic gewechselt, der seinen eigenen Auftritt im Ibiza-Video hatte, als Strache den berüchtigten Satz sagte: "Novomatic zahlt alle."

Der inhaltliche Bankrott scheint nun zunächst überwunden und die Grünen konnten wieder kämpferisch agieren. Der eigentliche Wahlsieger des Abends ist somit der neue grüne Vorsitzende Werner Kogler. Er durfte ein Plus von zehn Prozent verbuchen und damit doppelt so viel wie die ÖVP von Kurz. Nach Auszählung der Briefwahl, die traditionell von grünen Wählern genutzt wird, können noch weitere Mandaten von der ÖVP zu den Grünen wandern.

Kogler wirkte an dem Abend aber weniger glücklich, als sichtlich angespannt. Für ihn kommen mögliche Koalitionsverhandlungen zur Unzeit. Nach dem Ausscheiden aus dem Nationalrat bestand die grüne Bundespartei aus nur mehr fünf Personen. Die Strukturen sind zerschlagen und müssen nun erst wieder aufgebaute werden.

Das Bündnis ÖVP-Grüne wäre sicherlich die Wunschkonstellation des ehemaligen Grünen und heutigen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen. Für Werner Kogler sind hingegen die Bauchschmerzen garantiert. Es ist keine Überinterpretation zu sagen, grüne Stimmen sind Anti-Kurz-Stimmen, weil auch gerade bürgerliche Wähler, die den ausländerfeindlichen Kurs der Kurz-Bewegung nicht teilen können, Grün gewählt haben und eben nicht NEOS (zu deren Entsetzen).

Aktuell gibt es gewisse revolutionäre Erwartungen an die Partei. Zehntausende gingen am Freitag vor der Wahl beim "Earth Strike" in Österreich auf die Straße. Nicht wenige erwarten von den Grünen die Sorgen und Forderungen der Klimastreikenden im Parlament zu vertreten. Gleichzeitig blickt die Parteiführung stets in die Mitte der Gesellschaft, weil sie sich nur dort Stimmenzuwächse erwartet.

Diese Spaltung zwischen dem Bedienen ambitionierter Forderungen von Links und dem Bewahren einer gemütlichen, leicht linken Bürgerlichkeit hatte den Grünen schon zuvor sehr zugesetzt. Bei den schwierigen Koalitionsverhandlungen werden sie zu bedenken haben, dass sie auch insbesondere der linken Parteijugend ein Angebot machen müssen, sonst wandern die am Ende wieder zur KP.

Die Übrigen blieben unter ferner liefen

Linke Bündnisse sind in Österreich nicht gerade erfolgsverwöhnt. Die österreichische KP, die sich seinerzeit vom Genossen Lenin ermahnen lassen musste, überhaupt an Wahlen teilzunehmen (man wollte damals lieber erst auf eine revolutionäre Stimmung warten), bemüht sich, eine Anlaufstelle für linke Gruppierungen zu sein. Man trat als "KPÖ Plus" an und das Ergebnis war ein Minus. Es mag daran liegen, dass es kaum mediale Beachtung gibt, trotz gewisser regionaler Erfolge.

Im Kern ist hier aber eine faszinierende Wahlarithmetik zu beobachten: Je mehr linke Gruppierungen sich zusammenschließen, desto weniger Stimmen erhalten sie. Die Reibungsverluste sind zu hoch und die Kompromissbereitschaft zu niedrig. Dies wird sich letztlich nur lösen lassen, indem eines Tages jeder österreichische Linkswähler seine eigene Partei hat, die natürlich für alle anderen völlig unwählbar ist.

Erwartungsgemäß flog die Liste Pilz des ehemaligen grünen Abgeordneten Peter Pilz aus dem Parlament. Man hatte sich in den vergangen zwei Jahren in der Fraktion nie auf etwas einigen können und die geradezu bizarre Uneinigkeit führte dazu, dass die eigenen Abgeordneten der Liste die nötigen Stimmen zum Antritt bei der Nationalratswahl verweigerten.

Die NEOS erzielten das - wie sie selbst gerne bekunden - beste Ergebnis einer liberalen Partei in Österreich, nachdem sie moderate Zuwächse erlangten. Da aber Kurz sie bei einer Koalition nicht braucht, ist dieses Ergebnis weitgehend wertlos und den Frust hierüber konnten die Abgeordneten am Wahlabend auch mit viel gespielter Freude nicht überdecken.

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