Sind wir kaltherzige, irrationale Klima-Ignoranten?

Seite 2: Die Macht der Klimaschmutzlobby ist fragil

Gegen ihre Macht hätte die Schurkenindustrie kaum etwas ausrichten können. Aber sie haben ihre Macht nicht genutzt. Im Gegenteil. Sie haben den politischen Kurs legitimiert, in Worten und durch Taten. Alles gut belegbar. Als Taktgeber haben sie Klimaschutz diskreditiert, Energie-Pioniere als Spinner bezeichnet und an den Rand gedrängt.

Andere, tatsächlich die meisten, haben geschwiegen, von der Seitenlinie zugeschaut und beim Grünwaschen mitgemacht. Am Ende haben sie auf die dummen Bürger:innen gezeigt, die für Klimaschutz einfach nicht zu gewinnen seien.

Selbst die, die mehr Klimaschutz wollen, haben ihre Stimme in der politischen Öffentlichkeit viel zu oft gedämpft. Wissenschaftliche Politikberater, Umweltverbände, Umweltjournalisten oder Kirchenleute, die angeblich die Schöpfung bewahren wollen.

Aber es hat auch Erfolge und Fortschritte gegeben. Sie wurden erkämpft gegen starke Widerstände: von Bewegungen und Energiewende-Pionieren, Vorreiterinnen und mutigen Dissidenten. Sie haben den Unterschied gemacht. Sie saßen aber bis zu den Klimastreiks nicht in den Talkshows und Presseclubs, mit wenigen Ausnahmen.

Ohne diese Mutigen, Unermüdlichen wäre alles noch viel schlimmer. Der Ausbau der Erneuerbaren ist ihr Verdienst. Dass wir heute über Klimapolitik und die Energiewende reden, in Gesellschaft, Politik und Familie, ist ihr Sieg. Die Klimaproteste der letzten Jahre haben den Diskurs gedreht und die Klimaschmutzlobby in die Defensive gebracht. Deswegen haben wir heute überhaupt noch eine Chance.

Was können wir aus all dem lernen?

Etwa, dass Widerstand nichts bringt? Die Blockaden bestehen ja weiter, die Parteien bieten nicht das Notwendige an. Trotz mitregierender Grünen, einem selbsterklärten Klimakanzler und einem grünen Wirtschafts- und Klimaschutzminister sind die Treibhausgase Deutschlands im letzten Jahr nicht gesunken.

Zugleich verharren die Medien weiter in Wagenburgmentalität, siehe die Art, wie die Initiative "Klima vor Acht" abgeschmettert wurde und Klimaschützer:innen zu Terroristen bzw. irrationalen und heuchlerischen Störenfrieden stigmatisiert werden.

Daraus die Lehre "Bringt doch ohnehin nichts" zu ziehen, wäre jedoch eine fatale und auch falsche Schlussfolgerung. Die eigentliche Botschaft ist: Fortschritt ist möglich, wenn Bewegungen sich bilden, die organisiert kämpfen, aus Fehlern lernen und immer mehr an politischem Einfluss gewinnen.

Die Chancen für eine Wende sind heute so günstig wie nie. Das ist der große Erfolg des jahrzehntelangen Kampfs für Klimaschutz.

Das zeigt sich auch an der Klimaschmutzlobby. Sie ist heute angeschlagen und in der Defensive. Natürlich, sie hat weiter Geld. Damit kann man einiges machen: Politik unter Druck setzen und auch kaufen. Man kann damit Meinung manipulieren, den Energiewende-Prozess verlangsamen.

Aber ihnen schwimmen die Felle weg.

Warum kommt heute kaum eine Werbung mehr ohne den Hinweis auf Klimaneutralität aus? Ganz einfach: Die Verschmutzer haben Panik. Sie wissen, dass ihnen die Leute weglaufen. Ihr einziges Mittel, um Kontrolle zu behalten, ist Propaganda, die von immer weniger Leuten geglaubt wird. Sie verlieren. Wie schnell, ob schnell genug, liegt an der Sogwirkung, die Klimabewegungen in den nächsten Jahren erzeugen können.

Noch eine gute Meldung: Die gesellschaftliche Koordinierer-Klasse ist durch die Klimaproteste in eine Art Identitätskrise geraten. Zumindest sind klare Anzeichen von Identitätsdiffusion festzustellen. Die "klugen Köpfe" sind ja keine amoralischen Monster, Ausnahmen bestätigen die Regel.

Die meisten von ihnen haben nichts gegen Klimaschutz an sich, sie sind eher Gefangene von Machtstrukturen. Sie scheuen Konflikte, die ihre Privilegien gefährden könnten. Viele sind auch nicht wirklich gut informiert.

Diese Klasse ist nun in Aufruhr gebracht worden. Einige beginnen schon, abtrünnig zu werden. Die Situation ist volatil, wie man an der Börse sagt. Je mehr die Seiten wechseln, umso wahrscheinlicher werden Herdeneffekte.

Ich möchte hier nichts schönreden. Es ist ein harter Kampf, mit offenem Ende. Wenn man sich die Bundestagswahl anschaut, haben rund 70 Prozent der zur Wahl gegangenen Deutschen Parteien gewählt, die weiter keinen Plan haben, um der Krise zu begegnen, oder die Krise schlicht leugnen. Und beim Rest der Parteien herrscht Mutlosigkeit, wenn es um die Klimakursänderung geht.

Die jüngste Berlin-Wahl und der wahrscheinliche Machtwechsel zur CDU, die erfolgreich im Wahlkampf Angst ums Auto schürte, macht zudem deutlich, dass wir uns auf einem Schlingerpfad befinden.

Das liegt auch daran, dass die Menschen weiter von Politik und Medien indoktriniert werden. Die politische Situation ist jedoch unberechenbarer geworden, auch schnelle Wechsel in die ganz andere Richtung sind denkbar.

Alexandria Ocasio-Cortez, die progressive Kongressabgeordnete der Demokraten und Initiatorin der Green-New-Deal-Gesetzesvorlage in den USA, sagte einmal: Sie haben Geld, wir haben Menschen. Am Ende wählen Menschen.

Ihr kometenhafter Kampagnensieg als Kellnerin aus der New Yorker Bronx zur demokratischen Galionsfigur zeigt: Man muss die Menschen da abholen, wo sie sind, nicht da, wo man sie haben möchte. Ansonsten verliert man die Menschen. Es braucht ein Gesamtkonzept, das attraktiv ist für die Normalbevölkerung und eine grüne Wende mit einer sozialen Wende verbindet.

Dass Fridays for Future und die Gewerkschaft Verdi miteinander bei einem Klimastreik kooperieren, ist ein gutes Zeichen. Die arbeitende Bevölkerung und Gewerkschaften müssen mit ins Boot geholt werden, wie auch die Kirchen und andere Verbände. Das wird nicht leicht werden, es wird Konflikte geben. Aber ein echter Green New Deal ist letztlich ein historisches Konjunktur- und Jobprogramm.

Wir sind weder irrational noch kaltherzig, weder an sich noch in Hinsicht auf die Klimakrise. Wir lieben die Erde, unsere Kinder, die in eine sich verdüsternde Zukunft blicken.

Sollte es uns als Gesellschaft gelingen, diese unsere Liebe zum Planeten, und allem, was sich darauf befindet, in politische Taten umzusetzen, würde es eine Chance für uns eröffnen, doch nicht wie die Lemminge in den Abgrund zu laufen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.