Singapur: Coronavirus und Kontrollstaat
Zur Bekämpfung der Epidemie müssen Infizierte unter Strafandrohung lückenlos angeben, wo sie waren und wen sie getroffen haben. Überprüft wird dies mit Bildern von Überwachungskameras und Bankdaten
In Singapur mit 6 Millionen Einwohnern gibt es nach Angaben des Gesundheitsministeriumsbislang 317 Personen mit einer bestätigten Corona-Infektion. Am 5. März wurden 5 weitere Fälle bekannt. 81 davon sind wieder gesund und wurden aus dem Krankenhaus entlassen. 36 befinden sich noch im Krankenhaus, sind aber stabil oder auf dem Weg der Besserung, sieben sind wegen ihrer kritischen Verfassung auf der Intensivstation.Gestorben ist noch niemand.
Bei den bestätigten Fällen führt die Polizei eine genaue Rückverfolgung der Wege und Kontakte durch. Sicherheitshalber werden enge Kontaktpersonen für 14 Tage nach ihrem letzten Treffen mit dem Betroffenen unter Quarantäne gestellt. Alle übrigen identifizierten Kontakte mit einer geringen Chance, infiziert worden zu sein, werden aktiv beobachtet. Täglich wir ihr Gesundheitszustand überprüft. Bislang waren 3291 enge Kontakte identifiziert und unter Quarantäne gestellt worden. 381 sind noch in Quarantäne, für die restlichen wurde sie wieder aufgehoben. Man geht davon aus, dass es weitere Fälle geben wird.
Nach China und vor allem in die chinesische Provinz Hubei sollen die Bürger Singapors nicht reisen, auch nicht in den Iran, nach Norditalien, Japan und Südkorea. Seit dem 4. März werden Reisende, die während der letzten 14 Tage im Iran, in Italien oder Südkorea waren, nicht mehr nach Singapur eingelassen, auch Transit ist ihnen verwehrt. Neue Visa für Iraner werden nicht mehr ausgestellt, kürzlich ausgestellte gelten nicht mehr. Bürger von Singapur oder Aufenthaltsberechtigte, die während der letzten 14 Tage in den drei Ländern waren, müssen nach Rückkehr 14 Tage in ihren Wohnungen bleiben.
"Das muss für immer Bestandteil unseres Alltagslebens werden"
Als Vorsichtsmaßnahme werden alle, die sich unwohl fühlen oder krank geschrieben sind, aufgefordert, Zuhause zu bleiben. Alle sollen eine "gute persönliche Hygiene" praktizieren, also beispielsweise die Hände regelmäßig mit Wasser und Seife waschen und sich nicht unnötig ins Gesicht langen. Nach einem Besuch von Garküchen soll man aufräumen und keine Utensilien gemeinsam benutzen. Und es kommt der disziplinierende Hinweis: "Das muss für immer Bestandteil unseres Alltagslebens werden. Solche Gewohnheiten ermöglichen es uns, Infektionen wie COVID-19 zu widerstehen, während wir unserem täglichem Leben so normal wie möglich nachgehen."
Bei der Rückverfolgung geht es darum, Cluster und Verbindungen zwischen bestätigten Fällen herauszufinden. Dabei wird auch die Polizei eingeschaltet. Zur Nachverfolgung der Kontakte vor der Diagnose werden 140 Polizisten eingesetzt. Sie stützen sich auch auf Bilder von Überwachungskameras und Daten von Bankkarten.
Wer nicht mitspielt und keine Auskunft darüber geben will, wo er war und wen er getroffen hat, muss nach dem Infektionsschutzgesetz damit rechnen, eine Gefängnisstrafe bis zu 6 Monaten und/oder eine Geldbuße in Höhe von bis zu 10.000 Dollar zu erhalten. Das droht zwei Chinesen aus Wuhan, die dem Gesundheitsministerium gegenüber falsche Angaben gemacht hatten. Angeblich konnte man ihnen nachweisen, wo sie wirklich gewesen sind. Das Gesundheitsministerium nutzt die Gelegenheit, um zu erklären, dass es nach dem Gesetz ein Vergehen ist, Informationen zu verweigern oder falsche zu geben. Man nehme dies sehr ernst und werde nicht zögern, gegen die Missetäter vorzugehen.
Sie nutzen alle Mittel, auch die Polizei. Überall, wohin wir gehen, hinterlassen wir digitale Spuren, wenn wir Bargeld von Bankautomaten abheben oder eine Bank- oder Kreditkarte verwenden. Das hinterlässt überall digitale Spuren. Mit all diesen Informationen versuchen wir die Person rückzuverfolgen und herauszufinden, wohin sie gegangen ist.
Dr. Leong Hoe Nam, ein Infektionsexperte aus Singapur
In den Krankenhäusern werden so Aktivitätskarten angelegt, auf denen die Orte eingezeichnet werden, wo der Infizierte zwei Wochen lang vor dem Ausbruch von Symptomen gewesen ist. Die Infizierten sollen auch angeben, wo sie waren und wen sie berührt haben, bevor sie Symptome zeigten. Das soll alles innerhalb von 24 Stunden nach einer bestätigten Infektion vorliegen.