Slawiansk wurde vom ukrainischen Militär abgeriegelt
Aufständische nehmen weitere Geiseln, der Rechte Sektor stellt für die Region Donezk ein Bataillon auf, um dort für Sicherheit zu sorgen
Der ukrainische Regierungschef Jazenzuk dramatisiert die Situation und spricht schon einmal vom Dritten Weltkrieg, den Russland beginnen wolle. Er machte die russische Regierung für die Aggression verantwortlich. Russland habe zugegeben, "dass terroristische Organisationen und bewaffnete Personen russische Bürger" seien.
Der russische Außenminister Lawrow hatte am Mittwoch gesagt: "Ein Angriff auf russische Staatsbürger ist ein Angriff auf Russland. Wenn wir attackiert werden, werden wir natürlich antworten." Darauf bezog sich Jazenzuk und schloss daraus, dass dies "ein direkter Beweis für die Anwesenheit russischer Bürger" sei, "die Terroristen auf dem Territorium der Ukraine unterstützen".
Wenn Russland der ukrainischen Regierung wegen des Militäreinsatzes im Osten "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" vorwirft, hält Jazenzuk hier auch mit. Die "Antiterroroperation" diene lediglich "dem Schutz des menschlichen Lebens und dem Kampf gegen Banden, die auf Menschen mit Gewehren schießen. Sie haben bereits begonnen, sich hinter Kindern aus Kindergärten zu verstecken. Unterstützt Russland das?"
Er warf Russland vor, die Genfer Vereinbarungen nicht zu erfüllen und die Separatisten zur Niederlegung der Waffen aufzurufen. Seine Regierung würde diejenigen nicht verfolgen, die die Waffen niederlegen und die besetzten Gebäude räumen. Gemeint sind damit aber nur die Aufständischen im Osten. Ukraine habe mit der gesamten internationalen Gemeinschaft Schritte zur Stabilisierung eingeleitet, nur Russland nicht, das Truppen näher an die Grenze verlegt habe. Und die Ukraine habe begonnen, die Genfer Vereinbarungen umzusetzen, in dem ab dem 29. April in öffentlichen Anhörungen Verfassungsänderungen erörtert würden, die den Staat dezentralisieren und Minderheiten schützen sollen.
Es sei aber offensichtlich, dass Putin die Ukraine destabilisieren, die Interimsregierung stürzen, die Präsidentschaftswahlen verhindern will, um das "politisch und militärisch" einzunehmen: "Wir werden das Land mit allen Mitteln verteidigen", sagte er. Erst einmal werden aber die Aufständischen weiter in die Zange genommen.
Um keine Kämpfe direkt zu provozieren, sind die Militärs nicht in die Stadt Slawiansk eingerückt, sondern haben sie nach dem Vorbild der im Irak von den Amerikanern praktizierten Strategie des urbanen Kriegs rundherum abgeriegelt, um so die Versorgung abzuschneiden. Der Sprecher des Präsidenten, Serhiy Pashynskyi, teilte mit, man habe diese Entscheidung deswegen getroffen, weil die Aufständischen ihre Stützpunkte in Kindergärten und Krankenhäusern eingerichtet hätten. Das sei "klassischer Terrorismus", weswegen es in Slawiansk keine politische Lösung geben könne. Gleich wohl sei die Regierung bereit, mit Politikern und zivilen Aktivisten, die verhandeln wollen, einen Kompromiss zu verhandeln.
Nach Angaben des Innenministeriums haben die Aufständischen einen Bus mit 7 OSZE-Beobachtern, 5 ukrainischen Soldaten und dem Fahrer entführt und diese in das besetzte Gebäude des Geheimdienstes gebracht. Es würden Verhandlungen stattfinden. Heute Vormittag war zudem ein am Boden befindlicher Hubschrauber auf einem Militärflugplatz von einer Rakete zerstört worden. Der Anführer der Aufständischen erklärte in einem Interview, dass sie mehr Geiseln nehmen würden. Das sei nur die Reaktion darauf, dass viele Aufständische verhaftet, nach Kiew gebracht und dort gefoltert würden. Wenn das Interview authentisch ist, dann ist mit diesen Aufständischen kaum zu verhandeln.
Der stellvertretende SBU-Chef Vasyl Krutov wies darauf hin, dass die Lage in Slawiansk und in Kramatorks am schlimmsten sei. Dies auch deswegen, weil viele Einheimische dort "mit dem Feind" sympathisieren würden. Andere würden für den Feind arbeiten, auch staatliche Angestellte. Polizei und Geheimdienst seien dort aufgelöst und würden teilweise die Antiterroroperation sabotieren. Weil von Russland beauftrage Agenten und Spione auch in den Geheimdienst und in die anderen Sicherheitskräfte eingedrungen seien, sei es schwierig, im Geheimen zu planen.
Es gibt aber bekanntlich auch militante Kräfte, die für die ukrainische Regierung nicht nach den Genfer Vereinbarungen entwaffnet werden müssen. Offenbar mit Duldung, vielleicht sogar mit der Unterstützung der ukrainischen Regierung wird, wie Jarosch, Führer und Präsidentschaftskandidat des Rechten Sektors am Mittwoch sagte, ein Bataillon mit 800 Kämpfern aufgestellt, um in der Region Donezk für Ordnung zu sorgen. Das habe man mit dem Innenministerium, den Sicherheitsbehörden und dem Nationalen Verteidigungsrat beschlossen. Er sagte, die Anwesenheit von Bewaffneten des Rechten Sektors würde die Menschen in der Ostukraine nicht beunruhigen. Sein Hauptquartier habe er jetzt in Dnepropetrovsk bezogen.
Nach der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Novosti habe der moldawische Abgeordnete Juri Muntjan behauptet, "dass die Straße zwischen Odessa und der abtrünnigen Region Transnistrien von Aktivisten des rechtsextremen 'Rechten Sektors' kontrolliert werde. Der transnistrische Parlaments-Vizechef Sergej Tscheban sagte, dass die Einwohner der Region auf dem Weg nach Odessa gestoppt und durchsucht werden. Die ukrainische Polizei sehe dem Treiben nur tatenlos zu." Das mag auch wieder Propaganda sein, Tatsache aber ist, dass die Lage um Transnistrien schnell explodieren kann.
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