"Slowenischer Sonneborn" wird neuer Ministerpräsident
Dem Kabarettisten und Satiriker Marjan Šarec gelang es, eine Koalition aus fünf Parteien zu schmieden, die von der Linken geduldet wird
Vor gut zwei Monaten wurde in Slowenien ein neues Parlament gewählt. Stärkste Partei wurde dabei mit 24,92 Prozent und 25 Sitzen die Slovenska demokratska stranka (SDS), die sich auf europäischer Ebene der von Angela Merkels CDU geführten christdemokratischen EVP-Fraktion angeschlossen hat. Sie fand jedoch unter den acht anderen im Parlament vertretenen Parteien keine Koalitionspartner, die sich auf ihre Bedingungen eingelassen hätten. Stattdessen gelang es dem Anti-Establishment-Politiker Marjan Šarec jetzt, eine Koalition aus fünf kleineren Parteien zu schmieden, die von der Linken geduldet wird. Morgen wird ihn diese Koalition zum neuen slowenischen Ministerpräsidenten vorschlagen.
Konkret koaliert Šarecs Lista Marjana Šarca (LMŠ), die bei der Wahl aus dem Stand mit 12,6 Prozent und 13 Sitzen auf dem zweiten Platz landete, mit der Sozialdemokratischen SD (die mit 9,93 Prozent und zehn Sitzen Platz Drei einnimmt und den Posten des Parlamentspräsidenten bekommen soll), der vorher regierenden zentristischen SMC von Miro Cerar (die nach einem Verlust in Höhe von gigantischen 24,74 Punkten, verbleibenden 9,75 Prozent und zehn Sitzen vierte wurde), der Stranka Alenke Bratušek (SAB) der davor regierenden Ex-Ministerpräsidentin (die auf 5,1 Prozent und fünf Sitze kam) und der Rentnerpartei DeSUS (die mit 4,93 Prozent ebenfalls fünf Sitze errang). Die für eine absolute Mehrheit fehlenden drei Stimmen oder Enthaltungen soll der Koalition die Združena levica liefern, die "Vereinigte Linke", die mit einem Ergebnis von 9,33 Prozent über neun Mandate verfügt.
Oppositionsparteien werden neben der SDS die ebenfalls dem christdemokratischen EVP-Europaparteienbündnis angeschlossene Nova Slovenija Krščanska ljudska stranka (NSi) von Ljudmilla Novak mit sieben und die nationalistische Slovenska nacionalna stranka (SNS) mit vier Sitzen. Sie versteht sich auch als Vertreter der slowenischen Minderheiten in Kärnten, die mit der Enotna lista jedoch eine eigene Partei hat (vgl. "Die Grünen sind zu extrem geworden"). Außerdem gehörden dem slowenischen Parlament jeweils ein Vertreter der ungarischen und der italienischen Minderheit an (vgl. Adria-Grenzkonflikt zwischen Kroatien und Slowenien).
Kunstfigur eines grantigen oberkrainer Dörflers mit Elementen von Gerhard Polt und Stephen Colbert
Šarec wurde in Slowenien durch die Hörfunksendung Radio Ga-Ga und die Fernsehshow von Sašo Hribar bekannt, für die er den Charakter Ivan Serpentinšek entwickelte: einen grantigen oberkrainer Dörfler mit Elementen von Gerhard Polt und Stephen Colbert. Darüber hinaus imitierte er nationale und internationale Politiker und Prominente. 2010 bewarb er sich um das Amt des Bürgermeisters der oberkrainer 30.000-Einwohner-Ortschaft Kamnik, wurde im ersten Wahlgang Zweiter und gewann anschließend die Stichwahl.
Vier Jahres später waren die Bürger mit ihm so zufrieden, dass er seine Wiederwahl mit einer eigenen Liste bereits im ersten Wahlgang fast mit Zweidrittelmehrheit gewann. Im Oktober 2017 trat der bei der Wahl zum Staatspräsidenten an und zwang den sozialdemokratischen Amtsinhaber Borut Pahor überraschend in einer Stichwahl, die er dann jedoch mit 46,9 zu 53,1 Prozent verlor (vgl. Slowenischer Sonneborn in der Stichwahl).
Immer neue Anti-Astablishment-Parteien
Im slowenischen Parlament hatten Pahors Sozialdemokraten ihre Macht 2011 eingebüßt, als sie fast zwei Drittel ihrer Mandate verloren und auf Platz drei abstürzten. Relativer Wahlgewinner war damals mit aus dem Stand 28 von 90 Sitzen die vom Laibacher Bürgermeister Zoran Janković neu gegründete Anti-Establishment-Partei Pozitivna Slovenija ("Positives Slowenien"), der früher auch Šarec angehörte. Sie flog bei den nächsten Wahlen drei Jahre darauf mit nur noch 2,2 Prozent Stimmenanteil wieder hochkant aus dem Parlament, wovon die Sozialdemokraten mit einem weiteren Verlust von 4,54 Punkten auf nun nur mehr 5,98 Prozent jedoch nicht profitieren konnten.
Neue stärkste Partei wurde danach mit knapp 35 Prozent der Stimmen wieder eine neue Gruppierung: Die bis jetzt regierende Stranka Mira Cerarja ("Partei Miro Cerar"). Ihr Vorsitzender Miro Cerar war vorher nicht politisch aktiv, sondern Juraprofessor und Experte für Verfassungsrecht. Das brachte ihm Beobachtern zufolge den Sieg. Seine Vorgängerin Alenka Bratušek, die ebenso wie Cerar mit einer neu gegründeten Partei antrat, die ihren Namen trug, übersprang bereits bei dieser Wahl die Vier-Prozent-Hürde nur relativ knapp (vgl. Slowenien: Neu gegründete Partei gewinnt Wahl).
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.