Social-Media-Bann, Donald Trump und die Doppelmoral
- Social-Media-Bann, Donald Trump und die Doppelmoral
- Fehlende Transparenz der Social-Media-Unternehmen
- Auf einer Seite lesen
Der Rauswurf des scheidenden US-Präsidenten bei Twitter, Facebook und Co. hat viele gefreut. Doch wer darf die Plattformen noch benutzen? Und wer entscheidet darüber?
Die Rauchschwaden über dem Kapitol in Washington sind verzogen. Was bleibt, sind die mächtigen Bilder vom Sturm auf das Gebäude. Der Schaden und die Schande sind enorm. So konnte die ganze Welt dabei zusehen, dass das politische System der USA verletzlich und angreifbar ist. Und das nicht irgendwo, sondern auf US-amerikanischem Boden. Genauer gesagt im Maschinenraum der US-Demokratie, dem Parlament. Mittlerweile läuft die Aufarbeitung der unfassbaren Geschehnisse auf Hochtouren.
So wurde kürzlich ein zweites Impeachment-Verfahren gegen den noch amtierenden Präsident Donald Trump in die Wege geleitet, was in der Geschichte der USA einen einmaligen Vorgang darstellt. Konkret wird Trump Anstiftung zum Aufruhr vorgeworfen. Dadurch habe er die Sicherheit des Landes in Gefahr gebracht und gleichzeitig die Integrität der Demokratie bedroht.
Entscheidend bei der Anstachelung seiner Anhänger war einmal mehr sein virtuelles Sprachrohr Twitter, das ihm anschließend von der Plattform selbst dauerhaft entrissen wurde. Genau an diesem Punkt ist eine wichtige Debatte darüber entbrannt, ob Trumps Social-Media-Bann jetzt richtig oder falsch war und welche Auswirkungen die Entscheidung für das höchste Gut der Demokratie, die freie Meinungsäußerung, nach sich zieht.
Twitter und Facebook im Zwielicht
Nachdem Twitter und andere soziale Netzwerke wie Facebook, Snapchat und Youtube Trump endgültig von ihren Plattformen verbannten und damit auf die Ereignisse rund um das Parlamentsgebäude reagierten, war der Jubel zunächst groß. Keine Frage, das war die richtige Entscheidung. Allerdings kommt sie viel zu spät. Denn all die Jahre zuvor lief das Geschäft mit der Verbreitung von Lügen, Hass und Hetze einfach zu gut, um gezielt dagegen vorzugehen.
Trump hat der Demokratie bereits maximalen Schaden zugefügt. Dabei markiert die Anstachelung seiner Anhänger zur Erstürmung des Kapitols nur den traurigen Höhepunkt seiner schandhaften Amtszeit als US-Präsident. Und ausgerechnet wenige Tage vor dem Ende dieser Amtszeit, fällt den Tech-Giganten Twitter, Facebook und Co. ein, dass der Präsident mit diesem Verhalten gegen Nutzungsbedingungen verstoße, was eine Verbannung, bzw. Sperrung unumgänglich mache.
Facebook Chief-Operating-Officer Sheryl Sandberg ließ verlauten:" Auch der Präsident steht nicht über unseren Regeln." Dabei schien auch sie vergessen zu haben, dass ihre Plattform maßgeblich für den ursprünglichen Erfolg von Donald Trump mitverantwortlich ist. Denn das Geschäftsmodell der Social-Media-Plattformen basiert größtenteils auf Filterblasen und Algorithmen, die von den Emotionen der Nutzer leben.
Je extremer, desto besser. Emotionale Posts, die oft kommentiert oder geteilt werden, erzeugen mehr Bewegung im Netzwerk, erreichen mehr Nutzer und generieren folglich auch mehr Werbeeinnahmen. Auch aus diesem Grund tun sich die Betreiber der Plattformen so schwer, klaren Grenzüberschreitungen im Netz einen Riegel vorzuschieben. An dieser Stelle ist die Frage durchaus berechtigt, ob Donald Trump ohne Facebook und der damit einhergehenden massenhaften Verbreitung von Lügen, Hass und Hetze es überhaupt ins Präsidentenamt geschafft hätte.
Die Tatsache, dass sich die Social-Media-Plattformen jetzt als wahrhaftige Retter der Demokratie inszenieren, ist daher an Zynismus und Doppelmoral nur schwer zu überbieten. Zumal es hierbei nicht nur um die scheinheilige Positionierung im Spiel von Gut und Böse geht, sondern schlichtweg auch um Beschwichtigungspolitik gegenüber der kommenden Biden-Regierung.
Gleichwohl muss man sich vor Auge führen, dass die Verbannung von Trump im Kern inkonsequent ist. Denn andere fragwürdige politische Akteure, die nicht gerade für die Achtung der Menschenrechte bekannt sind, dürfen weiter twittern. So darf etwa der ehemalige malaysische Premier Mahathir bin Mohamad ungehindert Hass verbreiten. Nach dem Anschlag auf eine französische Kirche ließ er via Twitter verlauten: "Muslime haben das Recht zornig zu sein und Millionen Franzosen zu töten wegen der Massaker der Vergangenheit." Auch wenn der Post entfernt wurde, darf bin Mohamad weiter twittern.
Auch wenn die Verbannung Trumps Balsam auf die Seelen vieler Menschen sein dürfte, zeigen diese Beispiele eben auch auf, dass mit Trump ein Präzedenzfall geschaffen wurde, der viele Gefahren birgt.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.